Freiheit für Debra Milke in Sicht
So ist ein Bericht der gedruckten Westfalenpost vom 07.09.2013 überschrieben
Die 49-jährige gebürtige Berlinerin darf die Todeszelle in den Vereinigten Staaten nach 23 Jahren auf Kaution verlassen
Von Dirk Hautkopp
Washington. Vor 15 Jahren hatte Debra Milke bereits ihre Henkersmahlzeit ausgesucht und angefangen zu beten. Ihre Exekution per Giftspritze stand unmittelbar bevor. Seit gestern ist für die inzwischen grauhaarig gewordene, gebürtige Berlinerin, die seit über 25 Jahren im US-Bundesstaat Arizona wegen eines Mordes hinter Gittern sitzt, den sie nicht begangen haben will, die Freiheit zum Greifen nahe.
Zumindest vorübergehend. Richterin Rosa Mroz in Maricopa County bei Phoenix hat die Freilassung der 49-fährigen gegen eine Kaution von 250.000 Dollar angeordnet.
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Der Fall: Weil sie zwei Männer damit beauftragt haben soll, am 2. Dezember 1989 ihren damals vier Jahre alten Sohn Christopher in der Wüste bei Phönix zu erschießen, verurteile eine Jury am 12. Oktober 1990 die damals 25-jährige wegen Mordes, Verschwörung sowie Kindesentführung und miss-brauchs zum Tode.
Obwohl Milke unablässig ihre Unschuld beteuerte.
Obwohl die geständigen und ebenfalls seither im Todestrakt sitzenden Täter James Styers und Roger Scott laut Gerichtsakten niemals (wie von der Anklage ins Feld geführt) behauptet hatten, Milke habe sie zum Mord angestiftet, um so an die 50.000 Dollar wertvolle Lebensversicherung des Kindes zu gelangen.
Obwohl der allein mit den Ermittlungen befasste Polizeikommissar Armando Saldate weder Tonband-Protokolle und Notizen noch eine schriftliche Beglaubigung beibrachte für das angebliche Geständnis der Mutter. Sie soll ihren Sohn, so Saldate, anstatt zu einer Fahrt zum Weihnachtsmann in einem Einkaufszentrum zur Hinrichtung freigegeben haben.
Bis zum vergangenen Frühjahr saß die in Berlin geborene Tochter eines amerikanischen GI's und einer deutschen Mutter, die nur die US-Staatsbürgerschaft besitzt, unter der Registriernummer 83533 im Staatsgefängnis von Perryville/Arizona. Die meiste Zeit davon in Einzelhaft.
Dann machte Alex Kozinski, Richter am Bundesberufungsgericht für den 9. Distrikt in San Francisco, dem nicht nur von Prominenten wie Richard von Weizsäcker, Alfred Biolek, Uschi Glas oder Günther Jauch als Justizskandal bezeichneten Fall ein Ende.
Das Todesurteil wurde aufgehoben. Milke habe das Gegenteil von einem ,,fairen Prozess" erhalten stellte Kozinski fest. Womit allerdings nicht automatisch die Beendigung des Freiheitsentzugs verbunden war. Denn im stramm republikanisch geführten Südstaat Arizona ist die Justiz-Spitze bis heute überzeugt, dass Milke schuldig ist. Nähere Gründe? Unbekannt.
Generalstaatsanwalt Tom Horn kündigte sejnerzeit im Fernsehen wütend an, er selbst werde dafür sorgen, dass die "skandalöse Entscheidung" des Gerichts in Kalifornien aufgehoben werde. Zur Erinnerung: Richter Kozinski hatte das Urteil als "Schande" für die Behörden in Arizona klassifiziert: "Kein zivilisiertes ]ustizsystem darf sich auf solche fragwürdigen Beweismittel stützen, wenn es darum geht, einen Menschen zum Tode zu verurteilen."
Die Breitseite war allein auf Armando Saldate gemünzt. Erst nach dem Urteilsspruch gegen Milke erfuhren die Geschworenen, die sich mangels Altemativen restlos auf die Angaben des Ermittlers verlassen hatten, mit wem sie da zutun hatten.
Saldate hatte mehrfach unter Eid gelogen. Beschuldigten-Rechte massiv verletzt. Gefangene misshandelt, Geständnisse frei erfunden und so Unschuldige hinter Gitter gebracht. Das ungeheuer belastende Material hatten Milkes Verteidiger durch ein akribisches Aktenstudium in den Archiven zusammenstellen lassen.
Man will keine Schuld eingestehen
Aus 'The Arizona Republic'
Lokalzeitung
Was nach Recherchen der Lokalzeitung "The Arizona Republic" Staatsanwalt Vince Imbordino aber nicht davon abhält, Saldate demnächst emeut in den Zeugenstand zu rufen. "Es ist ein Politikum", kommentieren Lokal-Journalisten, "man will keine Schuld eingestehen."
Der heute als Rentner bei Phoenix lebende ehemalige Staatsdiener hatte Milke im ersten Prozess so beschrieben: "schuldig wie die Hölle und das Böse".
In den USA wurden 1343 Todesurteile vollstreckt
Weltweit wird die Todesstrafe laut Amnesty International noch in 58 Ländern vollstreckt, darunter neben China oder Nordkorea auch in den USA.
Seit der Oberste Gerichtshof die Strafe 1976 wieder zugelassen hat, wurden in den USA 1343 Todesurteile voltstreckt, in 13 Fällen waren Frauen betroffen.
Kommentare
Kommt uns das alles nicht irgenwie bekannt vor?
Gustl Mollath? - na klingelts? Natürlich nicht Todeszelle, aber Klappsmühle!
Bestimmt hat sich mancher beteiligte Steuerhinterzieher heimlich gewünscht er möge auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
Aber auch bei den Freunden unserer Regierung ist sowas möglich?
Das Problem bei denen mit Justizirrtümern bei Todesurteilen aber ist: Die sind meist endgültig. Da kann dann keiner sagen: "Entschuldigung, wir haben uns vertan, der Steuerzahler wird aber für unsere Bequemlichkeit, Arroganz und Vorverurteilung aufkommen und sie entschädigen."
Hat schon mal jemand öffentlich aufgelistet, bei wievielen Unschuldigen Todesurteile vollstreckt wurden?
Dann wird es aber höchste Zeit
Dass ein "Dorfsherriff" auch mal was zu entscheiden haben will, mal wichtig genommen werden will, er sich deshalb seine eigene Gerechtigkeit zusammenbastelt und dem Gericht die Hucke voll lügt, ist schon schlimm genug.
Dass das Gericht diesen bekannten Lügner in einem Prozess, in dem es um Leben oder Tod für den Angeklagten geht, überhaupt als wichtigen Zeugen aussagen lässt und seinen Aussagen auch noch ohne jeden Zweifel folgt, die Geschworenen aber über seine früheren Eskapaden im Unklaren lässt, das ist der eigentliche Skandal.
Spiegel-online: Carlos DeLunas Hinrichtung: Giftspritze für einen Unschuldigen
Süddeutsche.de "Texas tötet einen Unschuldigen"
Financial Times Deutschland: Tödlicher Justizirrtum
Zum ersten Mal in der Geschichte der US-Justiz ist der Beweis erbracht, dass ein Unschuldiger hingerichtet wurde.
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