Im TV-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück war die mediale Republik für anderthalb Stunden gleichgeschaltet. Solche Duelle dienen der großen Vereinfachung, an der Staats-TV und Politik aus unterschiedlichen Gründen ein vitales Interesse haben. Genau deshalb sind sie zutiefst undemokratisch. Denn es geht den Eliten in Medien und Politik nicht darum, dem politischen Willen Deutschlands zum Durchbruch zu verhelfen.
|
Das Fernsehen als Mittel der politischen Aufklärung hat ausgedient.
Das mit großer Selbstgefälligkeit inszenierte Spektakel von ARDZDFRTLSAT1 brachte am Sonntag die ernüchternde Erkenntnis: Im Fernsehen treffen nicht kritische, gut informierte, unabhängige Journalisten auf Politiker, die sich vor den Fragestellern fürchten müssen.
Hier treffen Schauspieler aufeinander, die ihre Rollen spielen.
Sie spielen Demokratie.
Doch in Wahrheit geht es darum, dass sich ausgewählte Medien im Lichte der Mächtigen sonnen dürfen.
Wie hart der Kampf um den Platz an der Sonne geführt wird, zeigt ein Bruderkrieg im Reich der Öffentlich-Rechtlichen: Bis zuletzt musste der Deutschlandfunk darum kämpfen, das Duell live übertragen zu dürfen. Weil die TV-Sender auf ihr „Urheberrecht“ pochten, musste der DLF kämpfen, um die Show auch noch live im Radio übertragen zu dürfen. Schließlich lenkten die Sender ein, und die Fragestunde lief auch im Radio.
Der DLF hätte in der Zeit besser eine Beethoven-Symphonie gespielt.
Der grundlegendste Mangel des TV-Duells: Es ist ein zutiefst undemokratisch. Der Deutsche Bundestag ist keine Zwei-Parteien-Veranstaltung. Wer Spitzenkandidat der CDU und der SPD ist, tut eigentlich nichts zur Sache. Der Bundestag besteht aus 620 frei gewählten Abgeordneten. Sie sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. So sieht es das Grundgesetz vor.
Diese zentrale Regel der Verfassung wird in der Praxis längst mit Füssen getreten: Der Steuerzahler muss zwar 620 Abgeordnete durchfüttern. Doch diese sind nicht mehr ihrem Gewissen, sondern ausschließlich ihrer Fraktionsführung verantwortlich. Abweichler werden isoliert, wie man am Fall einer Euro-Debatte bei Fran Schäffler von der FDP sehen konnte (hier).
Mit der Verengung auf ein „Duell“ wird dieser Trend zur Marginalisierung der Abgeordneten verstärkt. Denn hier kommen nicht einmal die Fraktionsvorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien zu Wort. Von neuen Parteien, die sich bilden, weil Bürger besonders engagiert sind, ist nicht die Rede.
Die Eliten treffen eine Vorauswahl getroffen. Damit soll dem Wahlvolk insinuiert werden, dass Merkel und Steinbrück wichtiger sind als die anderen. Es wird so getan, als könnte der Wähler tatsächlich informierter entscheiden, wenn er hört, was die beiden Mächtigsten zu sagen haben.
Diesem Kardinalfehler liegt die gefährlichste Tendenz der aktuellen Politik zu Grunde: Es ist die Sehnsucht nach der großen Vereinfachung.
Entsprechend inhaltsleer war daher auch die Fragerunde: Vier Journalisten spulten einen mit den Kandidaten längst abgesprochenen Fragen-Katalog ab. Es wurde im Zeitraffer alles durchgehechelt, was im gängigen Polit-Kauderwelsch zur relevanten Materie erklärt wird: Euro-Krise, Gesundheits-Krise, Renten-Krise, Syrien-Krise, Niedriglohn-Krise.
In keinem einzigen Thema war einer der Frager Experte. Daher gab es auch kein sachlich begründetes Nachfragen. Es gab formale Nachfragen – doch die waren dem Primat der Oberflächlichkeit geschuldet. Das Motto: Ich habe Sie etwas gefragt, bitte antworten Sie, damit wir einen Haken dahinter machen können. Sie können mich auch gerne anlügen, es geht hier nicht um Inhalte.
Vermutlich haben die am TV-Duell teilnehmenden Sender die meiste Zeit der Vorbereitung damit zugebracht, die Bekleidung abzustimmen und die Fragen zu verteilen. Der einzig lebendige Fragesteller war Stefan Raab. Bei ihm konnte man merken, dass es auch noch gelegentlich mit normalen Menschen spricht.
Die anderen: Hülsen, Stöckchen, Phrasen, Pathos.
Auf jeden Fall keine Fachkompetenz in einer der Materien.
Solcherart beschäftigt, stellen die Moderatoren-Journalisten keine Gefahr für die Herrschenden dar.
Denn die große Vereinfachung ist nicht nur die Sehnsucht vieler Bürger.
Die große Vereinfachung ist die berechnend eingesetzte Strategie der herrschenden Eliten: Die Abhängigkeit der Politik von der Finanzwirtschaft, von Lobbyisten, Interessensgruppen und Spin-Doktoren, PR-Beratern ist so groß geworden, dass die Politiker längst einen unausgesprochenen, parteiübergreifenden Konsens gefunden haben: Sie spielen Rollen, um nicht die Wahrheit sagen zu müssen. Sie ignorieren die Wahrheit, weil sie ja nur Rollen spielen müssen.
Daher gehen dann auch Sätze verloren, die eigentlich politischer Sprengstoff sind.
So sagte Angela Merkel zum Syrien-Einsatz, dass eine deutsche Teilnahme gar nicht in Frage komme, weil Deutschland über solch einen Einsatz nicht ohne Erlaubnis der Nato und der EU entscheiden dürfe.
Gab es da nicht irgendwann einmal das Konzept der nationalen Souveränität? Heißt das, dass Deutschland seine nationalen Interessen gar nicht mehr wahrnehmen kann, selbst wenn es eine ernste Bedrohung gäbe, die sich gegen Deutschland richtet? Darf sich Deutschland nicht mehr verteidigen, wenn die Zustimmung aus Brüssel nicht vorliegt?
Das Thema der eingeschränkten Souveränität Deutschlands hatte die Kanzlerin kürzlich in Stuttgart eingeholt (hier). Sie zog sich mit dem geschickten Umschiffen der Wahrheit aus der Affäre. Die Frage dazu war ihr jedoch von einem Bürger gestellt worden, nicht von einem TV-Moderator. Dem Bürger war das Thema ein Anliegen. Er fragte daher engagiert und sachkundig. Und er brachte die Kanzlerin mehr zum Schwitzen als die vier hochbezahlten Vertreter der zum Großteil staatlich finanzierten Infotainment-Industrie.
Zur NSA befragt sagte Merkel folgenden bemerkenswerten Satz: „Auf deutschem Boden haben wir derzeit keinen Anlass anzunehmen, dass uns die NSA flächendeckend ausspioniert.“
Das heißt: Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Deutschen jederzeit wieder ausspioniert werden können. Es gibt keinerlei Handhabe gegen die massiven Einschränkungen der Souveränität. Merkel sagte, dass sie „derzeit“ nicht wisse, ob Deutschland „flächendeckend“ ausspioniert wird. Das bedeutet: In Einzelfällen geht die Schnüffelei und die Verletzung von Datenschutz und Bürgerrechten offenbar munter weiter. Und Server, auf denen die Deutschen ihre Emails gespeichert haben, müssen ja nicht „auf deutschem Boden“ stehen.
Zu all diesen grundlegenden Fragen gab es keine kritischen Nachfragen und erst Recht keine Antworten.
Das TV-Duell der privilegierten Großparteien verfolgt keinen journalistischen, wahrheitssuchenden, aufklärerischen Zweck.
Das TV-Duell der Großen ist eine Inszenierung, in der die „Eliten“ aus Politik und Medien einander versichern, dass sie einander nicht wehtun wollen. Anne Will zeigte sich danach in der Jauch-Show (mit den wichtigsten investigativen Journalisten des Landes: Fussballtreter Paul Breitner und Frauenversteherin Alice Schwarzer) geradezu gerührt über die fantastische Kompetenz der Kollegen, vor allem aber über die unmenschlichen Fähigkeiten der zwei Mächtigen, denen gegenüber sie gerade 90 Minuten lang stehen durfte.
Will sagte, sie sei zutiefst beeindruckt gewesen von der ungeheuerlichen Konzentrationsfähigkeit der Kandidaten: Merkel und Steinbrück konnten am Ende des gnadenlosen Verhörs noch ein paar gerade Sätze sprechen. Will; „Und das in 1:30 Minuten – das ist ja eine Ewigkeit!“ Will lobte sich selbst und sagte, dass sie selbst die Strapazen der 90 Minuten gerne weggesteckt habe, weil sie ihren gut bezahlten Job als „Dienst an der Demokratie“ verstehe.
Ja – und da darf dann auch der Erfinder der „Demokratieabgabe“ nicht fehlen: Der knallharte Putin-Befrager Jörg Schöneborn wertete Umfragen aus, von denen keiner weiß, woher sie kommen und mit wem sie geführt wurden.
Im Ergebnis präsentierte Schönenborn Peer Steinbrück als Sieger, der zur „Halbzeit“ noch gleichauf mit Merkel gelegen war.
Viele Medien griffen, stets Pawlowsche Hündchen, den Fußballjargon dankbar auf.
Der Spiegel, gerade mitten im Prozess einer veritablen Selbstzerfleischung ohnehin nur noch „bedingt abwehrbereit“ vereinfachte schließlich so, dass jeder Simpel aus dem Wahlvolk es verstehen muss:
„Das war 0:0“ – lautete die Schlagzeile der großen Investigativ-Truppe bei Spiegel Online.
Die Demokratie als Nullnummer, das Fernsehen als Paradeplatz der Langeweile, als perfekter Ort der Desinformation.
Null zu Null.
Die Sturmgeschütze liegen verrostet im Keller.
Die „Eliten“ haben freie Bahn.
Mit freundlicher Genehmigung von DEUTSCHE WIRTSCHAFTS NACHRICHTEN
Kommentare
Videonachtrag: 02.09.2013 um 18:30
|
"Es lässt sich nicht anders sagen: Dieses „TV Duell“ war eine Pleite. Nicht für oder wegen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Auch nicht, weil all die Ad-hoc-Umfragen, wer besser gewesen sei, die Stimmungslagen im Studio und die Experten es am Ende doch nur auf den Nenner bringen, der ihnen parteipolitisch passt. Diese Vier-plus-Zwei-Verhandlung an sich ist ein Graus. Die vier „Journalistenköppe“ (Zitat Maybrit Illner) nerven. Das sind – da lag Günther Jauch in seiner anschließenden Talkshow ganz richtig, einer zu viel, vielleicht zwei, wahrscheinlich aber drei."
schreibt die FAZ, und weiter:
„Das ist nett, vielen Dank“, erwiderte Anne Will irgendwann, als die Bundeskanzlerin versicherte, sie werde gleich auf ihre Frage zurückkommen, nachdem sie auf Steinbrücks letzte Aussage eingegangen war. Und ist genau das nicht der Sinn eines „Duells“? Dass die beiden Kontrahenten zum Publikum und somit den potentiellen Wählerinnen und Wählern sprechen, aber sich auch aufeinander und gegeneinander Position beziehen?
Das war zu Zeiten von Gerhard Schröder und Edmund Stoiber keine Frage und sogar noch bei dem Aufeinandertreffen von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier – wenn wir es richtig in Erinnerung haben – etwas feuriger. Hier hingegen machte derjenige das Rennen, der vorgefertigte Stanzen besser an den Mann und die Frau brachte.
Und dann das Drum und Dran, und die Umfragen! Ja sind wir hier denn in Amerika?
Wollen uns die Medien ihre Manipulationsmöglichkeiten der Zuschauer vor Augen führen?
Will ein von Putin abgekanzelter Schönenborn seine Wichtigkeit bei der Präsentation von Wahlergebnissen vorführen?
Wer die Sendung nicht gesehen hat, hat nichts verpasst!
Eve sagt:
Dieses Schauspieldrama der Akteure war einfach eine Unverschämtheit sondergleichen, es ist in politischen Kreisen hinlänglich bekannt, dass rot/schwarz als nächste Regierung gehandelt wurde/wird. Dieses ganze Kaspertheater kann man wirklich nur noch als Beleidigung für den gesunden Menschenverstand ansehen. Steinbrück und Merkel mögen sich nicht, beide wissen auch dass Steinbrück nur eine SCHACHFIGUR auf dem Brett darstellt, und Merkel die nächste Wahlperiode bestreiten soll, um mit der SPD uns den letzten Gnadenschuss zu erteilen. Und der wird damit kommen.
Diese Seelenverkäufer.
PROPAGANDA-SHOW sagt:
Ganz nach US-Vorbild wird medial in der Meinungsdiktatur dem Trottel-BRDler suggeriert, es gäbe nur 2 Kanditen bzw.nur die
5 $€D-Blockparteien! Die restlichen Parteien werden als krude, schmuddelige Splitter-Parteien, ggf.mit “rechter” Gesinnung, dargestellt. Daher wird selbst die AfD allenfalls nur 1-2 Mal ins Spiel gebracht.
Wie wäre es mit einer “Talkshow” mit den Spitzenkandidaten von AfD, NPD, DIE RECHTE, kommunistischen Parteien, Hundepartei, usw.? Dies wäre echte “Demokratie”! Nein, seit 1945 haben wir keinen eigenen freien Staat!
Die BRiD
ist ein FED-Konstrukt mit
Schein-Demokratie! Ohne Werte+Moral!
Helga sagt:
Ehemals für Propaganda und Agitation im SED-Mörderstaat verantwortlich, klammert sich die Dame wieder mit der Lüge an die Macht. Die Fragen der Talk-show-Nichtskönner waren lau.
Aber die Frage nach der Einlagensicherung der Banken war von Brisanz: Sind die Einlagen sicher? Lügenantwort Merkels mit scharfem Blick auf den Pinscher “schnelle Zunge”: Die (Einlagen)-Garantie gilt !
Merkel weiss, dass das nicht stimmt und der Staat diese Mindestspareinlage 100.000,- Euro niemals garantieren kann! Keine scharfe Frage zur Eurokrise, keine Frage zur Zwangsvereinigung Europas, keine Frage zur Souveränität, keine Frage zur drohenden Währungsreform. Auf das Hass-und Neidthema: Steuerhinterziehung angesprochen, sprang der Honorarrekordhalter Peer sofort preussisch scharf an, aber; Griechen, Italiener, Spanier, Portugiesen dürfen Steuern hinterziehen, dass es kracht. Gehört eben zu deren Kultur. Mit diesen zwei Politlügnern und Hinters-Licht-Führern ist Deutschland verkauft und verraten, wie auch die Antworten im Spionagefall NSA zeigen. Geradezu lächerlich die dann folgende Gemütsdarstellung der dummen Deutschen durch die sog.”Forschungsgruppe Wahlen des ZDF”. Himmelschreiender Unsinn. Und davon hängt das Leben und Schicksal von und und unseren Kindern ab! Grausam schlimm wie 1933.
Heinz sagt:
Ist die Gleichschaltung der Medien nicht ein gravierendes Merkmal einer Diktatur?
Ich empfand es als Unverschämtheit, dass man versucht hat die Bürger dazu zu zwingen, sich diese seichte Geseier anzusehen, indem man es auf den vier Hauptkanälen gleichzeitig ausstrahlte.
Eine Verschwendung meiner GEZ Gebühren.
Keine Kommentare :
Kommentar veröffentlichen
Der Kommentar erscheint manchmal erst nach Freigabe