Montag, 2. Dezember 2013

Ukraine: Opposition ruft zu Generalstreik auf - Klitschko fordert vorgezogene Wahlen

Thema: Kiew setzt EU-Assoziierungsverhandlungen aus

RIA NOVOSTI berichtet:

KIEW, 30. November (RIA Novosti).
Die ukrainische Opposition hat einen „Stab des nationalen Widerstands“ für einen gesamtukrainischen Generalstreik gebildet, teilte der Leiter der größten Oppositionsfraktion Batkiwschtschina („Vaterland“), Arseni Jazenjuk, am Samstag bei einem Briefing mit.

Profiboxer Vitali Klitschko (l.) von der Udar-Partei, Arseni Jazenjuk von der Vaterlandspartei (r.) und Oleg Tjagnybok von der Einheitspartei, © REUTERS/ Valentyn Ogirenko
Darauf hatten sich seinen Worten zufolge die drei Oppositionsparteien Batkiwschtschina, Udar („Schlag“) von Vitali Klitschko und Swoboda („Freiheit“), geeinigt.

Die Polizei-Sondereinheit Berkut war gegen vier Uhr morgens Ortszeit gegen die Demonstranten im Kiewer Stadtkern vorgegangen. Zu dem Zeitpunkt befanden sich mehrere hundert Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz. Medizinern zufolge mussten 35 Verletzte ins Spital, sieben davon sind noch in Behandlung.

Die Polizei spricht zugleich von 12 verletzten Ordnungshütern. Sie nahm nach eigenen Angaben 35 Personen wegen Rowdytums und Widerstands gegen die Staatsgewalt fest, welche nach der Verfassung von Protokollen freigelassen wurden.

Medien berichten von 40 Verletzten.
© RIA Novosti. Andrei Stenin

Die Verantwortung für die Ereignisse der vergangenen Nacht haben der ukrainische Präsident und Innenminister Vitali Sachartschenko zu tragen, auf dessen Rücktritt die Opposition besteht, erklärte Jazenjuk.

Zudem rief der Oppositionspolitiker zu einer weiteren Protestaktion gegen die Politik der ukrainischen Behörden auf, die am Sonntag im Kiewer Stadtkern stattfinden soll. Einen ähnlichen Appell richtete an die Ukrainer die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, deren Brief ihre Tochter Jewgenija auf dem Briefing vorlas.

Bei ihrem Treffen mit westlichen Botschaftern am Samstagnachmittag in Kiew würden die Führer der Opposition, so Jazenjuk, auf einer Beurteilung der jüngsten Ereignisse in der Ukraine bestehen.

Die Partei Udar des Starboxers Vitali Klitschko (42 von insgesamt 450 Sitzen im Parlament) hat wegen der Auflösung der Protestaktion der EU-Befürworter vorgezogene Präsidenten- und Parlamentswahlen gefordert.

„Ab der nächsten Woche wird das Parlament blockiert sein. Wir werden diesen Behörden keine Chance geben, volksfeindliche Entscheidungen zu treffen“, wird Klitschko von seinem Pressedienst zitiert.

In einem europäischen Land wäre eine solche Reaktion der Behörden unmöglich gewesen. „Mit der gewaltsamen Auflösung der Aktion auf dem Platz der Unabhängigkeit unterschrieb Janukowitsch sein eigenes Urteil“, so Klitschko.

Er forderte die EU-Länder und die USA auf, die Auflösung der Protestaktionen im Stadtkern von Kiew zu kommentieren sowie personenbezogene Sanktionen gegen den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und seine Umgebung zu erwägen.

nochmal RIA NOVOSTI
Wegen Pro-EU-Demo in Kiew: Leiter der Präsidialadministration tritt zurück

Der Leiter der ukrainischen Präsidialadministration Sergej Lawotschkin hat sein Rücktrittsgesuch eingereicht, meldet die ukrainische Agentur Unian am Samstag unter Berufung auf gut informierte Quellen.


Die Polizei-Sondereinheit Berkut.
© RIA Novosti. Andrei Stenin
Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch habe den Rücktritt von Lawotschkin allerdings noch nicht angenommen, hieß es.

Grund für die Amtsniederlegung ist nach Medienberichten seine Ablehnung der gewaltsamen Auflösung einer Pro-EU-Demo am Samstagvormittag in Kiew.

Lawotschkin wird vom ukrainischen Innenminister Vitali Sachartschenko abgelöst, dessen Amt sein erster Stellvertreter Viktor Dubowik übernimmt, teilte Radio Swoboda (Radio Liberty) mit Hinweis auf Quellen im Innenministerium mit.

Die Polizei-Sondereinheit Berkut war gegen vier Uhr morgens Ortszeit im Stadtkern von Kiew gegen die Demonstranten vorgegangen. Zu dem Zeitpunkt befanden sich mehrere hundert Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz. Medien berichten von 40 Verletzten. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben 35 Personen „wegen Rowdytums und Widerstands“ gegen die Staatsgewalt fest, welche nach der Verfassung von Protokollen freigelassen wurden.


So berichtet t-online: am 01.12.2013

Hunderte Verletzte bei Revolte gegen Janukowitsch
Straßenschlachten in Kiew


Straßenschlachten vor dem Büro des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch (Quelle: AFP)
Rund 200.000 Menschen haben in Kiew gegen die Politik von Präsident Janukowitsch demonstriert. Eine radikale Gruppe griff die Präsidialverwaltung mit einem Bagger an. Der Staatschef ist abgetaucht und könnte zum zweiten Mal über einen Aufstand stürzen.

Kiew rebelliert. Die Hauptstadt der Ukraine lehnt sich auf gegen Präsident Wiktor Janukowitsch. Gegen den Staatschef, den sie hier im Zentrum des Landes nie so recht als das legitime Staatsoberhaupt sehen mochten, eher schon als den Vertreter einer Besatzungsmacht aus dem Osten. Der Aufstand trifft Janukowitsch mit unerwarteter Wucht.

Von einer halben Millionen Demonstranten auf den Straßen von Kiew spricht die Opposition, unabhängige Schätzungen gehen immerhin noch von mindestens 200.000 Teilnehmern aus. Kolonnen von Janukowitsch-Gegnern marschieren durch Kiew, über ihren Köpfen flattern in Blau und Gelb die Fahnen der Ukraine und der Europäischen Union.

Janukowitschs Weigerung, ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen, hat die Proteste ausgelöst. Sie gehen nun in die zweite Woche. Am Sonntag erfassen die Demonstrationen das gesamte Zentrum von Kiew.

Die proeuropäische Opposition hat die Reihen geschlossen und ruft zum Generalstreik auf. Vitali Klitschko, der Box-Weltmeister, der auch Chef der Partei Udar ist, hat Janukowitsch zum Rücktritt aufgefordert. Der Staatschef verübe "Verbrechen gegen sein eigenes Volk".

Der Präsident wiederum wendet sich mit einem bizarr anmutenden Grußwort an das Volk. Janukowitsch, der in den Augen der Demonstranten gerade sein Land an Russland verkauft hat, gratuliert darin den Bürgern zur vor zwei Jahrzehnten erlangten Unabhängigkeit von Moskau. Und er verspricht, alles in seiner Macht Stehende für eine Annäherung an die EU zu tun.

Die Demonstranten schieben die Absperrungen beiseite

Am Sonntag überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst am Platz der Unabhängigkeit, dem legendären Maidan. 2004 zelteten hier im Zentrum von Kiew die Anhänger der "Revolution in Orange". Der Maidan ist das Herz der ukrainischen Demokratie, die leidenschaftlich sein kann und furchtbar chaotisch.

In der Nacht zum Samstag haben Polizisten der Spezialeinheit "Berkut", übersetzt "Steinadler", den Platz geräumt und ein versprengtes Häuflein Protestler gewaltsam vertrieben. Am Sonntag kehren die Bürger zurück, zahlreich, aber friedlich. Ein Gericht wollte ihnen das Demonstrieren in Kiew verbieten, für eine ganze Woche. Sie strömen dennoch zu Tausenden zum Maidan - die Absperrungen schieben sie beiseite. Die Demonstranten feiern einen friedlichen Triumph. Die Polizei greift nicht ein, denn sie hat genug mit der Verteidigung von Janukowitschs Machtzentrale zu tun. Keinen Kilometer vom Maidan entfernt eskaliert die Lage.

Die Polizisten der "Steinadler"-Einheit ziehen in der Bankowa-Straße auf, wo die Präsidialkanzlei liegt. Dorthin strömten gewaltbereite Demonstranten, viele von ihnen mit Masken. Am Nachmittag gehen sie zum Sturm über: Sie wollen die Polizeiabsperrungen mit einem gekaperten Bagger durchbrechen. Steine und Feuerwerkskörper fliegen, die Polizei setzt Tränengas ein und Blendgranaten. Die Straßenschlacht zieht sich über Stunden hin.

Kiews Stadtverwaltung fällt am Ende in die Hand von Demonstranten. Rund hundert Polizisten wurden verletzt, heißt es aus dem Innenministerium. Auch etliche Demonstranten werden verwundet.

Janukowitsch soll Kiew verlassen haben

Die Revolte von 2013 ist anders als der weitgehend friedliche Umsturz 2004. Das ganze Wochenende über kursierten auf sozialen Netzwerken Fotos von mit Knüppeln bewehrten Janukowitsch-Gegnern. Auf Twitter war der Hashtag #Janusescu populär - eine Anspielung auf den 1989 gestürzten und hingerichteten rumänischen Diktator Nicolae Ceausescu.

Die Angreifer der Präsidialkanzlei sollen radikale Nationalisten sein. Die Opposition spricht dagegen von einer Provokation. Die Staatsmacht habe die Randalierer engagiert, weil sie einen Vorwand für die Niederschlagung der Proteste brauche. Und Janukowitsch? Der schweigt am Sonntag, abgesehen von seinem vorbereiteten Grußwort.

Der Präsident soll die Hauptstadt verlassen haben, vermutlich in Richtung seiner luxuriösen Residenz Meschigorja. Er wird diese Woche zu einem Staatsbesuch in China erwartet; ob der Plan noch besteht, ist unklar. Am Sonntagabend stoppt die Polizei laut der Agentur Interfax etwa 300 Autos mit Regierungsgegnern auf dem Weg zur Residenz des Präsidenten. Mehrere Busse mit Angehörigen der Spezialeinheit "Berkut" hätten die Straße rund 20 Kilometer nördlich der Hauptstadt blockiert, meldete Interfax. Die Demonstranten wollten laut hupend an der Residenz vorbeifahren.

Janukowitsch will den Proteststurm offenbar aussitzen. Er hofft, dass Ruhe in Kiew einkehrt, wenn am Montag die neue Arbeitswoche beginnt. Die Demonstrationen können andererseits aber auch wieder aufflammen, spätestens über die Weihnachtsfeiertage. Schnee und Frost haben die Kiewer noch nie vom Demonstrieren abgehalten.

Kalt war es auch während der Orange Revolution zur Jahreswende 2004/2005. Damals protestierten Hunderttausende gegen Wahlmanipulationen, mit denen Janukowitsch an die Macht kommen wollte.

Sollte der Aufstand weitergehen, könnte Janukowitsch ein zweites Mal über eine Revolution stürzen. In Kiew fehlt ihm der Rückhalt. Seine Hochburgen liegen fern der Hauptstadt im Süden und im Osten, nahe seiner Heimat Donezk. Dort ist auch Janukowitschs Annäherung an Russland populär. Im Westen und in der Hauptstadt aber wollen 69 Prozent der Bürger laut einer Umfrage der Deutschen Welle lieber in die EU.

Präsidentschaft auf der Kippe

Knapp vier Jahre nach seiner Wahl 2010 steht Janukowitschs Präsidentschaft auf der Kippe. Selbst wenn es ihm gelingt, die Protestwelle auszusitzen: Die Wirtschaft stagniert seit zwei Jahren, seine Umfragewerte sind miserabel. Nur 16,7 Prozent der Wahlberechtigten würden im ersten Wahlgang für ihn stimmen. In einer Stichwahl würde er Vitali Klitschko derzeit unterliegen. Die Präsidentschaftswahl 2015 droht Janukowitsch so zu verlieren.

Aus Russland könnte Hilfe in Form von Milliardenhilfen und Unterstützung im Wahlkampf kommen. Durch den Stopp des Abkommens mit der EU ist Janukowitsch extrem abhängig von Moskau. Oder wie es Schwedens Außenminister Carl Bildt formuliert: Janukowitsch drifte ab: "Ich weiß nur nicht in welche Richtung, entweder nach Osten oder in den Abgrund."
01.12.2013, 19:15 Uhr | Von Benjamin Bidder, Moskau, Spiegel Online

...und wie immer öfter in letzter Zeit bei t-online:
Liebe Leserin, lieber Leser,

wegen zahlreicher menschenverachtender Kommentare mussten wir uns dazu entschließen, das Kommentartool aus diesem Beitrag zu entfernen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre t-online.de-Nachrichtenredaktion



Kommentare

» der Kommentar des Blogschreibers «
Man kann nur jedem Land abraten, der EU beizutreten.
Warum? Was erwartet ein Beitrittsland?
Zuerst bekommt es Kredite von der EU.
Dann, wenn es diese Kredite nicht zurückzahlen kann, erscheint eine Troika und zwingt es, Staatseigentum zu privatisieren und parallel dazu werden die Bürger enteignet.

Nicht nur dass das Land von der EU-Kommission bevormundet wird und seine Selbstständigkeit verliert, alles Privatisierte geht für Schnäppchenpreise an ausländische "Investoren".
Nebenbei sind die USA sehr daran interessiert, über die von ihnen gesponserten EU-Kommissare und mit dem schon im Hinterzimmer beschlossenen Freihandelsabkommen auf "befreundete Staaten", möglichst rund um Russland, wirtschaftlich und militärisch Zugriff zu erhalten.
Man kann jedem Land gratulieren, welches den Verlockungen der korrupten EU-Lobbyisten widersteht und auf Geschäftsbeziehungen mit US-Konzernen wie Monsanto, die nur die weltweite Kontrolle über Nahrungsmittel und Trinkwasser im Auge haben, verzichtet.
Jeder Regierungschef, der sein Land vor der Knechtschaft und Abhängigkeit von US-Banken bewahrt, ist zu beglückwünschen.

Wer Beweise für diese Behauptungen haben möchte, der schaue nach Griechenland, Zypern, Irland, Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, Deutschland usw. ...

Sollte tatsächlich jemand diesen primitiven Lügen glauben, dass das Alles geschehe nur zum Wohle der Völker und Kampf gegen Terrorismus, der glaubt auch dass es mit der mächtigsten Frau der Welt keine Maut in Deutschland geben wird und dass die NWO-Marionette mit Hosenanzug immer die Wahrheit sagt.


Kommentare bei t-online vom 30.11.2013:

Privatfischer
@hupsi um 17:46 Sie haben dies gut erkannt. Aber überraschend ist dies doch sicherlich nicht für Sie, oder? Das Kapital hat sich schon IMMER die besten Verwertungsbedingungen gesucht. Diese werden ganz schnell gefunden, realisiert und bei Bedarf ebenso schnell wieder liquidiert. Da geht es NUR um Profit. Der Mensch war und ist in diesem "Spiel" nur Objekt. Beliebig austauschbar.

Privatfischer
Hallo TO, es ist ja lobenswert, wenn sie über politische Ereignisse in Europa berichten. Warum aber so einseitig? Andere europäische Medien berichten, dass es auch Grossdemos FÜR Janukowitsch gibt.
Davon liest man aber hier nichts. Ist das gewollt? Oder eine bewusste Manipulation der User? Eine wichtige Frage noch. Die Ukraine hat durch sein Parlament und seine Regierung NEIN zu dem Abkommen mit Europa gesagt. Warum wollen unsere Volksvertreter dies nicht akzeptieren?

Faller
Ich schlage vor, dass in der Steuererklärung angekreuzt werden kann, ob man bereit ist für die "Pleitestaaten" und Banken zu zahlen. Wer ankreuzt erhält den EU und Bankensoli abgezogen, die anderen nicht!

Demokratiediktatur
Da werden wieder mal Unruhen herbeigeschmiert. Gehts nicht nach dem Willen der EU-Diktatur werden aus paar Demonstranten gleich Volksaufstände. Julia mischt über die westlichen Helfershelfer auch aus dem Knast mit. Muß ja echt schlimm sein in so einem Knast wo die sich täglich in der Presse melden kann.

Driver
Keiner will ein bescheuertes vereinigtes Europa ausser eine Handvoll sturer Politbetonköppe und natürlich klamme Staaten, Einwanderer aus Rumänien/Bulgarien bekommen mehr Hartz IV wie meine Mutter Rente erhalten hat für ein Lebenlang schuften. Wann endlich geht der dumme Michel auf die Strasse und zeigt es diesen Politgangstern!


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