Dazu schreibt die Anne Will Redaktion:
"Diese Wirtschaft tötet" - mit der Kritik an der wachsenden sozialen Ungerechtigkeit und dem Kapitalismus fordert Papst Franziskus in seinem jüngsten apostolischen Schreiben dazu auf, mehr für die Armen zu tun. Hat Franziskus mit seiner Reichtums- und Kapitalismuskritik Recht?
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In Deutschland belegen die Zahlen des Datenreports 2013 wachsende Armut trotz wachsender Beschäftigung. Und: Wer arm ist, stirbt früher. Die Große Koalition aber entscheidet sich in ihrem Regierungsvertrag gegen eine Umverteilung per Steuererhöhung. Ist das der richtige Weg oder muss auch Deutschland bei der Umverteilung umdenken?
Mehr über die Gäste (hier)
Die "Regierungserklärung" des Papstes
Mit seinem Reformkurs geht Franziskus auf Konfrontationskurs - mehr Informationen auf tagesschau.de
zur Sendung:
Wie die FAZ anmerkt, ist Fussball anscheinend wichtiger als der Pabst und deswegen begann die Sendung erst gegen Mitternacht.
Wirklich begeistern konnte mich nur mit ihren Aussagen Frau Anke Domscheit-Berg.
So schreibt auch die FAZ:
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[...] Macht als politische Kategorie
Da hilft es wenig, wenn Frau Domscheit-Berg die „Finanzindustrie für die Wurzel allen Übels“ hält, oder sogar in einer Nebenbemerkung „das Zinssystem“ verantwortlich macht. Sie setzt auf Transparenz - und das Internet, um das Problem der Macht im heutigen Kapitalismus aufzubrechen. Dabei droht das Netz in diesen „Moloch“ von Machtstrukturen zu verfallen, den man mit technischen Eingriffen „nicht mehr in den Griff bekäme“, so Lafontaine. Er sehe wie die Kirche, und er meint damit den Papst, nur noch einen Ansatz „auf der Ebene der Wertorientierung.“ Macht ist eine politische Kategorie. Technologie gibt darauf keine Antworten, sondern liefert nur das Instrumentarium zur Machtausübung. Es kommt halt darauf an, wie man sie verwendet. Das bis heute nicht verstanden zu haben, ist einer der Gründe für den Niedergang der Piraten.
In gleicher Weise muss jedes Wirtschaftssystem zwei Fragen beantworten: Wie finanziert es Investitionen und wie organisiert es die Verteilung des erwirtschafteten Sozialprodukts? Am Ende geht es darum, ob man in den vergangenen Jahrzehnten jene Milliarden für den Küstenschutz finanzieren konnte, der heute im Laufe des Tages hoffentlich seine Wirksamkeit beweist. Darauf geben weder die Idealisten in der Uckermark eine Antwort, noch die netten Ideen vom 3-D-Drucker auf dem Wohnzimmertisch, den Frau Domscheit-Berg erwähnte.
zu den Blogbeitägen:
269 Marie:
Endlich mal ein politischer Talk mit Niveau, Kompliment. Die Dame von den Piraten und Herr Lafontaine waren hervorragend und dazu noch eine souveräne Moderation, was will man mehr. Auch wenn ich keine Freundin der Kirche bin, wo er Recht hat, hat er Recht, der Papst. Dieses Wirtschaftssystem tötet. Den Menschen, die Umwelt, die Flora und die Fauna. Dieses Wirtschaftssystem gehört abgeschafft, es ist 5 vor 12, sonst schafft der Kapitalismus die Menschheit ab.
257 Werner: 5. Dezember 2013 um 01:17 Uhr
mit Ausnahme des CDU- /Ablenkungs-/Desorientierungs Schwätzers Beise war es eine gute Sendung. Oskar hat das Wesen des Kapitalismus anschaulich erklärt. Was etwas zu kurz kam war, ist dass die laufende Umverteilung von arm (fleißig) zu reich (anstregungslos) durch das Konkurrenzprinzip erzwungen wird, also nicht von der individuellen Motivation der Akteure abhängig ist. Was wir z. Zt. erleben, ist der Untergang eines nicht mehr funktionierenden Systems, wie es Marx prophezeit hat. Der Kapitalismus schafft durch seine Wirtschaftsweise selbst die Voraussetzungen seines Untergangs. In den westlichen Industrieländern befinden wir uns allerdings nach Enzensberger in der Situation der Komplizenschaft mit den Herrschenden, was vermutlich Konsequenzen in diesem Prozess haben dürfte.
232 Thorsten Streiber: 5. Dezember 2013 um 00:51 Uhr
Es ist faszinierend, wie viel öffentliche Aufmerksamkeit so ein apostolisches Schreiben erlangt. Diese Sendung ist das beste Beispiel dafür. Würden wir nicht dem Grunde nach den Aussagen des Pontifex Maximus zustimmen, so, wär die Aufmerksamkeit sehr gering. Christ sein, bedeutet mehr als sich nur so zu nennen, es ist mit Verpflichtungen verbunden, z.B. “liebe deinen Nächsten wie dich selbst”, gerade wenn man viel
265 Der Querulant: 5. Dezember 2013 um 01:42 Uhr
Es war gut, daß die “Mildtätigkeit” der Reichen nur so kurz und wohl auch ironisch gestreift wurde, denn:
Spenden an Tafeln etc. sind steuerlich absetzbar, mildern also Verluste und steigern somit den Gewinn.
Spendengalas etc. sind doch meist reiner Zynismus. Sie dienen der Beruhigung des Gewissens der Spendenden, die sich ihrer moralischen Fragwürdigkeit durchaus bewußt sind.
Stiftungen dienen überwiegend der Vermögenssicherung, insbesondere mit Blick auf den Fiskus. Und über die Besetzung der Vorstände durch Familienmitglieder der Spendenden ist deren Einkommen dann auch dauerhaft gesichert. Daß Stiftungen mitunter etwas Positives leisten, ist ein Nebeneffekt, der in Wahrheit wohl eher zähneknirschend inkaufgenommen wird, auch wenn er, oberflächlich betrachtet, das Image fördert.
Und so hat letztlich alles zwei Seiten, die in dieser Diskussionsrunde endlich einmal treffend dargestellt wurden. Das Aufheulen der Neoliberalisten ist Bestätigung genug.
291 Selene: 5. Dezember 2013 um 10:55 Uhr
Der Papst hat allgemein gesprochen und die Deutschen fühlen sich ertappt! Wie ist die Reaktion in anderen Ländern? Die Weltpolitik ist in meinen Augen destruktiv und schafft nur noch Luftblasen hervor. War es Norbert Blüm der gesagt hat, dass uns der Tanz um das goldene Kalb noch den Hals brechen wird? Franziskus ist ein kluger und gebildeter Mensch und ein Lichtblick, denn er benutzt seine Autorität, Dinge in den Fokus zu rücken. Die Staatschefs schaffen das nicht. Sehr schade, dass die Pastorentochter auf ihrem Zickzackkurs außer Wachstum wenig Sinn hat.So fühlt es sich an, wenn eine Blinde viele Blinde führt. Ihre sozialen Anwandlungen sind nur Verziehrung, abgesehen davon hat sie keine Ahnung, wie es in der Holzklasse ist. Weil keine Politik für Bürger gemacht wird, drehen wir uns auch nur im Kreis, für mich ist das kein konstruktiver Prozeß s.o.. Ich habe es schon xmal gesagt, auf unserem Planeten ist alles vorhanden und wir könnten alle in Ruhe und Frieden leben, wenn die Menschheit umdenken würde.
302 Frau Wichmann: 5. Dezember 2013 um 12:07 Uhr
@277 JCB:
“Der Benediktiner ist auch ein Instrument dafür die Leute zu beruhigen und dumm zu halten. Tenor: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen und die Konsumenten sind schuldig, die wollen alles immer billiger haben!”
Dazu eine Ergänzung: Es wird immer so getan – ausgerechnet auch noch von einem Manager-Mönch! -, als ob man die Arbeitslosen und Tafel-Gänger zur Arbeit zwingen müsste. In der Regel ist es genau anders herum: Den Arbeitslosen wird menschenwürdige Arbeit verweigert! Sie erhalten trotz zahlloser Bemühungen keine Stelle, weil es die nötigen Stellen nicht gibt oder weil es keine Möglichkeit bzw. kein Geld für Weiterbildung etc. gibt. Alte sind i.d.R. ohnehin chancenlos, die Gesellschaft gibt arbeitslosen 50+ de facto einen Gnadenschuss, den niemand hört. Am wenigsten kümmern sich die Arbeitsagenturen – Horte der Inkompetenz und der Schikane. Die Medien sind rund um die Uhr mit Vertuschen und Ablenken beschäftigt.
Nach meiner Erfahrung wollen Arme und Arbeitslose keine Almosen und keine “Mildtätigkeit” – es sei denn, sie sind in ihren Rollen gewissermaßen “professionalisiert”. Auch Arme empfinden Stolz und wollen es aus eigener Kraft schaffen. Das ist ein Lebensprinzip, jeder will es doch aus eigener Kraft schaffen. Jedes Almosen ist dem Grunde nach eine Beleidigung und eine Erniedrigung. Auch deshalb weigern sich viele Menschen bis zuletzt, quasi auf Knien zu den Tafeln zu kriechen und um Essen zu betteln.
Schon merkwürdig, dass Oskar Lafontaine als einziger in dem Talk noch von Menschenwürde redet. Das ist ihm persönlich hoch anzurechnen. Als Linker kann er sich ideologisch jetzt auch auf den Papst berufen (wobei unklar ist, ob das der Sache seiner Partei wirklich dient). So profitiert “Die Linke” paradoxer Weise von der konservativen Kirche. Die Kirche wiederum will aus der Armut im Kapitalismus Kapital schlagen. Der solitäre Kreuzzug des Papstes dient ja primär der Missionierung und Verbreitung des Evangeliums (“Evangelisierung”). Wer glaubt, die Kirche wolle Veränderungen um der besseren Lebensverhältnisse willen, der irrt. Man darf gespannt sein: Konnten die Kirchenoberen aufgrund der Kampagne des Papstes schon einen spürbaren Mitgliederzuwachs verbuchen?
Auf diese Weise kocht jeder auf dem Rücken der Armen und Bedürftigen sein Süppchen. Wortreich werden Utopien entworfen. Unter dem Strich hat Geschwätzigkeit und Tratschsucht noch nie zu Veränderungen geführt. Die Meinungs- und Pressefreiheit dient im Kapitalismus ja auch ausschließlich dazu, dem System ein demokratisches Mäntelchen umzuhängen und die bestehenden Verhältnisse zu zementieren. Pressefreiheit und Armut sind zwei Seiten einer Medaille.
Ein letzter Punkt: Es war deutlich erkennbar, dass Leute wie Herr Beise an solchen Sozial-Diskussionen nur widerwillig teilnehmen. Im letzten Presseclub am Sonntag meinte eine Redakteurin der “Zeit” gar unumwunden, sie habe (sinngemäß) von den sozialen Diskussionen die Nase voll und könne den sozialromantischen Quatsch nicht mehr hören. Man soll solchen Medienvertretern wohl dafür danken, dass sie sich überhaupt noch mit den Menschen “ganz unten” in der Gesellschaft befassen. Denn wisse: Reden über Armut stiehlt den Wohlhabenden kostbare Zeit!
alle Blogbeiträge finden Sie hier:
http://annewill.blog.ndr.de/2013/12/03/kapitalismus/?cp=1#comments
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