Sonntag, 30. März 2014

Rückschau: Staatsgeheimnis Staatsschulden?

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Bereits am 01.12.2009 gab es in der ARD-Sendung Plus-Minus einen Beitrag über die Staatsverschuldung. Da er aber immer noch aktuell ist, rufe ich ihn nochmal ins Gedächtnis. Beurteilen Sie selbst, was sich seitdem getan hat.

clip_image001 Konjunkturpakete und den Rettungsschirm für Banken leiht sich der Staat selbst bei verschiedenen Banken. Die Steuerzahler müssen für diese Rekordschulden gerade stehen. Doch wenn sie wissen wollen, bei wem der Staat tatsächlich in der Kreide steht, gibt sich die Politik schweigsam.

Wo hat der Staat eigentlich all seine Schulden?

Diese Frage stellen wir der Bundesbank zunächst telefonisch. Nach einer ersten Verblüffung gibt es ein bisschen Rumgedruckse und dann heißt es: Es gebe da so eine Liste... man werde sich wieder melden. Der Rückruf bleibt jedoch aus. Auch weitere Anrufe ergeben keine eindeutige Antwort. Erst auf eine schriftliche Anfrage per Mail bekommen wir eine spärliche Auskunft. Aber dazu später.

Die Gläubiger des Staates: die Bürger

Das zögerliche Verhalten der Bundesbanker erstaunt unsere Redaktion. Denn eigentlich ist die Sache ganz simpel: Bund und Länder verschulden sich in erster Linie, indem sie Anleihen verkaufen. Deshalb heißen diese Schuldverschreibungen auch „Staatsanleihen“. Gekauft werden können sie von Bürgern oder Unternehmen aus dem In- und Ausland. Manche kaufen die Anleihen direkt beim Staat, meistens sind aber Banken dazwischengeschaltet. Die Bürger leihen dem Staat also Geld – und erhalten als Belohnung Zinsen. Und auch die Banken verdienen an diesen Geschäften mit.

Können wir das noch bezahlen?

Wir von Plusminus wollen es jedoch genauer wissen: Können wir die Schulden überhaupt noch jemals tilgen? Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger erklärt uns dazu: Staaten bauten in der Regel ihren Schuldenstand nicht ab, „(...)weil sie, wenn die Kredite fällig werden, wieder neue aufnehmen.“ Das heißt: Wenn ein Staat ein gutes Bruttoinlandsprodukt vorweisen und dieses auch noch steigern kann, dann kann er seinen Verpflichtungen gut nachkommen und die Gläubiger gehen nicht leer aus. Man könnte auch sagen: Die Bonität des Staates ist in einem solchen Fall positiv, und daher kann er sich weiter verschulden. Deutschland ist im Vergleich zu anderen europäischen Staaten tatsächlich noch relativ gering verschuldet.

Haben Schulden auch Vorteile?

Aber warum müssen Schulden – noch dazu Staatsschulden – überhaupt sein? Darauf hat Heiner Flassbeck, Makroökonom bei der UNO in Genf, eine Antwort. Er erklärt den ökonomischen Zusammenhang folgendermaßen: „Solange die Bürger sparen, muss sich auch jemand verschulden.“ Das heißt: Wer mit seinem Ersparten Geld, das heißt Zinsen verdienen will, braucht auf der anderen Seite auch jemanden, der sich für diese Zinsen das Geld leiht. Das könne im Idealfall ein privater Investor wie eine Bank oder ein Unternehmen sein, der das Geld produktiv anlege. Es könne aber auch der Staat sein. Und wenn private Investoren sich zurückhielten – wie gegenwärtig – dann müsse in der Tat der Staat die Guthaben und das Ersparte der Bürger aufnehmen und es produktiv anlegen – sich also verschulden, sagt Flassbeck.

Zins und Zinseszins

Doch diese Schulden bedeuten auch, dass auf der Gegenseite – also bei den Geldgebern – das Guthaben wächst. Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Bernd Senf betrachtet das System aus Zins und Zinseszins jedoch ganz anders als die meisten seiner Fachkollegen. Seine feste Überzeugung ist: Das System müsse zwangsläufig immer wieder zusammenbrechen: „Die Geldvermögen, gesamtwirtschaftlich betrachtet, die können über Zins und Zinseszins nur dann exponentiell wachsen, wenn irgendwo anders im Gesamtsystem die Verschuldung auch exponentiell wächst.“

Wer sind die Gewinner?

Sind wir am Ende selbst Schuld an der hohen Staatsverschuldung, weil wir sichere Zinsen auf unsere Guthaben haben wollen? Aber Steuern zahlen wir ja auch, an den Staat, damit der seine Schulden begleichen kann. Das hebt den Gewinn durch die Zinsen auf die Spargroschen wieder auf – im besten Falle ein Nullsummenspiel also? Nein, sagt Prof. Senf. 85 bis 90 Prozent der Bürger zahlten netto drauf, ohne dass ihnen das bewusst sei oder dies politisch öffentlich zum Thema gemacht werde.

Aber es gebe auch Gewinner.„Ungefähr zehn Prozent der Einkommensbezieher haben auf Grund ihrer großen Geldvermögen auch so hohe Zinserträge, dass diese ihre unsichtbaren Zinslasten in den Steuern mehr oder weniger weit übersteigen“, sagt Senf.

Was verdienen die Banken?

Und die Banken? Was haben sie von der Verschuldung des Staates? Sie profitieren zum Teil sogar von der Krise, die sie selbst mit verursacht haben. „Die Banken werden auf der einen Seite vom Staat – den Zentralbanken – hoch subventioniert. Sie bekommen liquide Mittel von den Zentralbanken zu niedrigen Zinsen – in Europa zur Zeit für ein Prozent – und damit kaufen sie Staatsanleihen und mit denen erzielen sie vier Prozent“, sagt Chefvolkswirt Heiner Flassbeck. Das sei ein schönes Geschäft für die Banken.

„Rekapitalisierung“ nennen Banker dieses Prinzip. Aber die Banken gingen mit dem so gewonnen Geld „(...) in die Casinos. Das ist im Moment das große Problem. Wir haben wieder neue spekulative Blasen an den Aktienmärkten, an den Rohstoffmärkten, an den Währungsmärkten und das zeigt, dass der Staat in Sachen Regulierung der Finanzmärkte noch nicht weit gekommen ist“, kritisiert Flassbeck.

Staatsgeheimnis Staatsschulden

In der Plusminus-Redaktion liegt inzwischen die schriftliche Antwort der Bundesbank vor: ein Verweis auf eine Tabelle, die wir bereits kennen. Was nicht drin steht: bei welchen Banken oder Unternehmen wir konkret als Staat in der Kreide stehen. Ein letzter Anruf bei den Bundesbankern ergibt: das sei Geschäftsgeheimnis und dürfe nicht veröffentlicht werden. Selbst der Wirtschaftsweise Bofinger kennt keine Namen:„Wir können zwar bei einzelnen Banken sehen, dass sie Wertpapiere halten, auch öffentliche Wertpapiere, aber man kann nicht differenzieren, ob das Anleihen des Bundes sind oder Anleihen bei Frankreich oder Griechenland oder anderen Ländern.“

Fazit

Eines ist sicher: Für die Schulden gerade stehen, das tun letztlich wir Bürger. Solange wir über genügend Vermögen verfügen und ein ordentliches Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften, bleibt der Staat kreditwürdig. Und kann so weitere Schulden aufnehmen.


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