Sonntag, 7. Juli 2013

Anne Will – 03.07.2013 - Deutschland bespitzeln, Snowden verfolgen - sind diese Amerikaner noch unsere Freunde?

Der Lauschangriff der Amerikaner sorgt weiter für Empörung. Obama verspricht zwar Aufklärung, doch die Stimmung zwischen Deutschland und den USA bleibt unterkühlt. Die Bundeskanzlerin lässt erklären, dass das Abhören von Freunden inakzeptabel sei. Wie belastet ist das Verhältnis zwischen Berlin und Washington? Hat die Kanzlerin von der Spähaktion wirklich nichts gewusst? Und was passiert jetzt mit Edward Snowden? Sollte Deutschland ihm Asyl gewähren?

Fotos: Bildschirmfotos
Gäste der Sendung:
  • Sigmar Gabriel SPD-Parteivorsitzender
  • Michael Grosse-Brömer Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  • Renate Künast Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen
  • Constanze Kurz Sprecherin des Chaos Computer Clubs
  • Michael Stürmer Historiker
  • Andrew B. Denison Politikberater

Das Handelsblatt schrieb am 04.07.2013 in der
„TV-Kritik Anne Will“

„Industriespionage in riesengroßem Ausmaß

Erstaunlich vielseitig wurde bei Anne Will über Edward Snowden und Spionage, über Gefahren für die deutsch-amerikanische Freundschaft und beunruhigend offene Fragen diskutiert.“
[…]
Die Sendung unter dem Titel „Deutschland bespitzeln, Snowden verfolgen - sind diese Amerikaner noch unsere Freunde?“ begann am späten Mittwochabend straff. Ein Einspielfilm ordnete den tagesaktuellen Eklat um die erzwungene Landung des bolivianischen Präsidenten-Flugzeugs in Wien in den Zusammenhang ein. Auch Bradley Manning, Edward Snowdens Vorgänger unter den Top-Whistleblowern, dem ein amerikanisches Militärgericht gerade den Prozess macht, kam vor.
[…]
Anschließend legte der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel in Wahlkampfform los. Die „Hybridüberwachung gigantischer Datensammlungsmaschinen in der Privatwirtschaft“ gemeinsam mit staatlichen Stellen sei der Kern des Problems, oder, wie er später formulierte, das „Verschneiden von Daten bei Google, Facebook, Amazon“ mit denen der Geheimdienste. So drohe in der Tat eine Zerstörung des „Wertefundaments“, das die USA und Deutschland bislang verband.
[…]
Schon während Gabriels Beitrag zoomte die Kamera immer wieder auf das faszinierend reglose Pokerface des amerikanischen Studiogastes. Politikberater Andrew B. Denison verteidigte das seiner Meinung nach „legale Handeln“ der NSA ohne Abstriche. Gerade würde manches unangemessen übersetzt, etwa der vielzitierte Begriff „Partner dritter Klasse“, meinte er zwar. Doch schien auch bei einigen seiner Sätze unklar, ob der englischsprachige Originalgedanke genauso bedrohlich klingen würde wie Aussagen auf deutsch à la „Die NSA ist dazu da, die Gesetze anderer Staaten zu brechen“, und sie sei so etwas wie eine „Virenschutzorganisation für Amerika“. Unmissverständlich sagte er nicht nur, es sei schon vor Snowden allgemein bekannt gewesen, dass „alle Daten, die durch Amerika gehen“, abgehört würden. Sondern das bliebe auch so: „Amerika wird heute und in Zukunft alle Datenströme, die über seine Grenzen fließen, vollständig speichern“.

Fazit des Handelsblattes:

Kurz: Eine trotz einzelnen Ausreißern insgesamt so konzise und vielseitige Debatte über die hoch komplexe Sphäre des digitalen Wandels und der Fülle der damit verbundenen Chancen und Risiken hat man in deutschen Talkshows nicht oft gehört.

… und der
Köllner Stadtanzeiger:
TV-Kritik „Anne Will“

Offensiver Schlagabtausch zu Prism

Anne Will fragte am Mittwochabend: „Sind diese Amerikaner noch unsere Freunde?“ Renate Künast und Sigmar Gabriel sparten nicht mit Kritik am Spionageverhalten der Amerikaner. Regierungsvertreter Grosse-Brömer stand auf verlorenem Posten.

So etwas nennt man Moderatorinnenglück. Da hatte Anne Will sich für Ihre Talkrunde am Mittwochabend in der ARD den riesigen Geheimdienstskandal rund um den amerikanischen Dienst NSA und dessen offenbar praktisch schrankenlose Datensammel-Manie ausgesucht. Und in der Nacht vor der Sendung hat der Pilot der bolivianischen Präsidentenmaschine fast keine andere Wahl, als in Wien zwischenzulanden, weil das Gerücht aufkommt, Edward Snowden säße mit Evo Morales an Bord der Maschine. Was wiederum halb Westeuropa veranlasste, den Luftraum für Morales’ Jet zu sperren.

Wie gesagt: Moderatorinnenglück. Aber Anne Will macht auch was draus. Einen größeren Teil am Anfang ihrer 75-minütigen Sendung „Deutschland bespitzeln, Snowden verfolgen – Sind diese Amerikaner noch unsere Freunde?“ verwendet die Kölner TV-Journalistin auf die Ereignisse der Nacht zu Mittwoch am Flughafen Wien-Schwechat. Das hat für den Zuschauer den Vorteil, dass sich sofort ein munterer Schlagabtausch zwischen dem SPD-Chef Sigmar Gabriel und der Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast, auf der einen, und dem amerikanischen Politikberater Andrew Denison auf der anderen Seite entwickelt.
[…]
Regierungsvertreter in der Offensive
 
Der Vertreter des deutschen Regierungslagers, der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Union, Michael Grosse-Brömer, hatte es an diesem Abend der klaren deutsch-amerikanischen Front, schwer, noch mit eigenen Akzenten zu punkten. Das liegt nicht nur daran, dass Grosse-Brömer Gabriel und Künast rhetorisch unterlegen ist.
Der Parlamentarier vertrat einfach wenig phantasievoll Regierungshaltungen – kein Asyl für Snowden, die deutschen Geheimdienste halten sich an Recht und Gesetz und drang mit seinen Hinweisen, dass Erfolge deutscher Fahnder gegen terroristische Gruppen hierzulande auf der Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten fußen, nicht so recht durch.
Hilfe kam da auch nicht von dem konservativen Publizisten Michael Stürmer, denn selbst der findet die Datensammelei der Amerikaner „maßlos“ und sieht „eine beunruhigende Entwicklung, die wir bisher nicht in den Griff bekommen haben“.

Auch Spiegel-online schreibt

Prism-Talk bei Anne Will: Machtlos im "Universum von Cyber"

Die NSA überwacht uns, die USA jagen Edward Snowden - und endlich beschäftigt sich auch eine ARD-Talkshow mit den Themen Prism und Tempora. Doch Anne Wills Sendung mit Sigmar Gabriel und Renate Künast dokumentierte vor allem eines: Ignoranz.

Der stärkste Moment dieser so enorm überfälligen ARD-Talkrunde über die Überwachungsprogramme des US-Geheimdienstes NSA war dieser: Der amerikanische Politikberater Andrew Denison, eingeladen als Verteidiger der USA, versucht sich am Argument, das sei ja alles nichts Neues: Man müsse sich nur einmal den Film "J. Edgar" über den einstigen FBI-Chef Hoover ansehen, schon der hätte doch Akten über Menschen angelegt. Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, unterbrach Denison trocken. Das Beispiel sei gut gewählt, sagte sie, denn was habe Hoover getan? "Er hat Leute erpresst mit den Daten, die sein Geheimdienst gesammelt hat."
[…]
Bemerkenswert geriet jedoch vor allem der Auftritt des einzigen Vertreters der Regierungskoalition in der Runde. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, war mit zwei konkreten Botschaften gekommen: Der BND habe nichts gewusst, das sei den Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums erst am Mittwoch erneut versichert worden. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel habe selbstverständlich auch nichts gewusst. Außerdem wisse man ja eigentlich sowieso noch nicht so genau, ob das alles stimme, was der Whistleblower Edward Snowden da erzähle.

Die Originalbeiträge sind verlinkt. Bitte lesen Sie die, in diesem Fall allesamt sehr guten Beiträge, bei den jeweiligen Zeitungen. Klicken Sie dazu den in blau geschriebenen Namen der Zeitung an.

Fazit: Einer der Talkshow-Abende, bei dem man hinterher nicht bereut, nicht schon 75 Minuten früher schlafen gegangen zu sein.



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