Samstag, 5. April 2014

Warum Nato auf neue Konfrontation mit Russland zusteuert

Thema: Ukraine

STIMME RUSSLANDS Neben der Krim-Krise hat die zunehmende Konfrontation der Nato mit Russland auch weitere Hintergründe. Sie sind laut Experten sowohl finanziell als auch geopolitisch: Die Nato-Führung will nicht begreifen, dass sich die globale Konstellation ändert.

© Collage: STIMME RUSSLANDS
Das Nordatlantische Bündnis setzt seine praktische Zusammenarbeit mit Russland im Zivil- und Militärbereich für drei Monate aus, wie die Nato-Außenminister in der laufenden Woche bekanntgaben. Alexander Lukaschewitsch, Sprecher des russischen Außenministeriums, sagte, niemand werde davon profizieren, und sprach von einem Déjà-vu-Effekt.

Tatsächlich ist diese Rhetorik der Nato nichts Neues. Nach Georgiens Überfall auf Südossetien im August 2008 und dem drauffolgenden russisch-georgischen Konflikt hat die Welt schon etwas Ähnliches gehört. Auch damals wurde die Nato-Kooperation mit Russland für drei Monate ausgesetzt, dann aber wiederaufgenommen. Diesmal gibt es aber eine Besonderheit, und zwar übermäßige Aktivitäten der faktisch US-geführten Nato in Osteuropa, dem GUS-Raum und Zentralasien. In Washington scheint man Russlands geopolitische Erfolge als persönliche Beleidigung und Verstoß gegen Amerikas globale Hegemonie zu betrachten.

Die Winterspiele in Sotschi, die Verhinderung eines Militäreinsatzes in Syrien, ein gewisser Durchbruch im Atomstreit mit dem Iran und die geplante Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion – all dies irritiert die Strategen im Westen. Sie wollen eine Revanche, die für alle lehrhaft wäre. Auslöser für eine aktive Phase der Konfrontation mit Moskau war die Krim-Krise, als Russland sein historisches Gebiet zurückbekam. Ein wichtiger (wenn auch verschleierter) Grund für die Konfrontation waren finanzielle Probleme der Nato. Der Präsident der russischen Non-Profit-Organisation New Eurasia Foundation, Andrej Kortunow, kommentiert:

„Die meisten Mitglieder erfüllen nicht ihre Verpflichtung, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandproduktes für Verteidigungszecke zur Verfügung zu stellen. Die Nato ist außerdem gewissermaßen demoralisiert, denn die letzten Jahre bestätigten ihre Ineffizienz in Afghanistan. Auch der Libyen-Einsatz war nicht so erfolgreich, wie die westlichen Strategen hofften. Darüber hinaus sollte man die panischen Stimmungen in Zentraleuropa berücksichtigen, die von rechtsgerichteten Kräften instrumentalisiert werden. Dort kursieren Spekulationen, wonach Russland demnächst eine Invasion in die baltischen Länder plan, weshalb man die Sicherheit dringend erhöhen müsse.“

Es gibt aber auch konkrete Projekte, die das Nordatlantische Bündnis plant oder bereits umsetzt. Armenien, Aserbaidschan und Moldawien sollen Nato-Waffen kaufen und ihr militärisches Potenzial erhöhen. Die Allianz will diese drei Länder dazu motivieren, ihre Armeen mit den Nato-Standards vereinbar zu machen. Armeniens Führung mit ihrer freundlichen Haltung zu Russland erklärte allerdings, sie wolle das Kooperations-Format mit der Nato nicht ausbauen.

Beim Nato-Gipfel in Brüssel wurde angesichts der Ukraine-Krise außerdem beschlossen, die Verteidigungsfähigkeit der Mitgliedsländer sowie die militärische Stärke der Ukraine zu erhöhen. Das Pentagon erwägt die Entsendung eines weiteren Kriegsschiffes ins Schwarze Meer und will die Zahl seiner Soldaten und Flugzeuge in Rumänien aufzustocken. Die Zahl der Jagdflugzeuge im Baltikum wurde bereits verdoppelt.

Doch die Spannungen, die nun geschürt werden, und die apokalyptischen Prognosen um Russland sind nur ein Deckmantel für die Versuche der Nato, ihre Kontrolle über ganze Regionen zu behalten oder sogar auszubauen. Der russische Experte Wladimir Schtol, Dr. habil. der Politikwissenschaften, hält eine Partnerschaft zwischen Russland und der Nato trotzdem für sehr wichtig, und zwar mit Blick auf die globale Terrorgefahr, den zunehmenden Radikalismus in Nordafrika und dem Nahen Osten sowie das Afghanistan-Problem:

„Das Kooperationsprogramm zwischen Russland und der Nato spielte immer eine der wichtigsten Rollen in Bezug auf die europäische und die internationale Sicherheit. Auch heute gibt es kein besseres Konzept. Andererseits muss man begreifen: Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich Russland geändert, das Land hat mittlerweile andere Ambitionen und Stimmungen. Offenbar gelingt es der Nato-Führung nicht, ihre Haltung zu korrigieren und zu begreifen, dass sich auch die geopolitische Situation weltweit ändert. Die Möglichkeiten der Nato und der USA nehmen dabei kaum zu, dafür gibt es neue Kraftzentren wie China und Russland.“

Früher oder später wird sich die Lage stabilisieren. Doch bevor das geschieht, sollte man keine unbedachten Schritte machen, die das fragile Gleichgewicht in der Welt beeinträchtigen könnten.

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