Samstag, 14. März 2020

IS-Prozess in Düsseldorf

Carla S. nahm Sohn (7) zu Hinrichtungen mit
10. März 2020 20:49; Akt: 10.03.2020 21:36

Die Deutsche Carla S. reiste mit ihren Kindern 2015 nach Syrien, um sich dem IS anzuschliessen. Jetzt wird der 32-Jährigen der Prozess gemacht.

Die 32-jährige Carla S. aus Oberhausen steht seit dem 6. März 2020 in Düsseldorf vor Gericht. Ihre drei Kinder hatte sie hinter dem Rücken ihres Ehemannes mitgenommen.

Am Freitag hat in Düsseldorf der Prozess gegen die 32-jährige Carla S. aus Oberhausen begonnen. Es ist ein Staatsschutz-Prozess, der das normale Ausmass sprengt: Der Deutschen werden die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, gemeinschaftliche Körperverletzung ihres Sohnes, Begehung von Kriegsverbrechen und Verstösse gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen.

Carla S. war 2005 zum Islam konvertiert, zehn Jahre später zog sie mit ihren kleinen Kindern nach Syrien, um sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschliessen. Die Reise über Amsterdam in die Türkei bis nach Syrien hatte sie hinter dem Rücken ihres Ehemanns tunesischer Herkunft unternommen. «Ich wollte einfach abhauen», sagte die verschleierte Frau am ersten Prozesstag.

Kinderlied für IS-Kinder

In Syrien heiratete Carla S. wieder, angeblich einen somalischen IS-Kämpfer, wie «Focus» berichtet. Wenig später bekam sie ihr viertes Kind. Ihre deutschen Kinder zog sie streng religiös auf. Eine ihrer Töchter soll 2016 der Oma in Oberhausen eine Sprachnachricht geschickt haben, in der sie ein Lied vorsang, das sie von ihrer Mutter gelernt hatte: «La-li-lu, hab keine Angst, wenn die Bomben kommen, wird Allah euch beschützen und wenn ihr sterbt, dann kommt ihr ins Paradies und da könnt ihr alles spielen, was ihr wollt.»

Hinrichtungen besucht

Mit ihren Kindern besuchte Carla S. sogar Hinrichtungen. Der in Deutschland zurückgebliebene Vater bat seine Ex-Frau, den Kindern diese traumatischen Erfahrungen zu ersparen. Erfolglos. S. nahm ihren damals sechsjährigen Sohn mit, als einem Dieb die rechte Hand abgeschlagen wurde. Die Mutter erklärte dem Buben, dass die Strafe in Ordnung gehe, denn es stehe so in der Scharia geschrieben.

Sohn bei Religionspolizei angezeigt

Als der Sohn irgendwann im häuslichen Islamunterricht Lehren anzweifelte, liess seine Mutter dem Jungen durch die Religionspolizei Stockschläge auf den Rücken verabreichen. Sie selbst wurde laut Anklage Mitglied der Katiba Nusaiba, einer weiblichen Untereinheit des IS. Auch soll sie eine Handgranate gehabt haben und an der Kalaschnikow ausgebildet worden sein.

Training an Waffen

Im Frühling 2016 schickte Carla S. ihren Sohn in ein IS-Ausbildungslager für Kindersoldaten. Laut dem Bundeskriminalamt wurde der Bub in jener Zeit unter anderem für die Mitwirkung bei Selbstmordanschlägen und die Ausführung von Hinrichtungen missbraucht. Der Junge wurde militärisch gedrillt und lernte, mit Waffen umzugehen. Seinem Vater in Deutschland erzählte er vom Leben in der Kinder-Kampftruppe, seiner Grossmutter schickte er ein Foto, das ihn mit einem Gewehr in der Hand zeigte.

Als die Luftangriffe auf Rakka im Mai 2017 zunahmen, floh die Mutter mit den vier Kindern von einer IS-Enklave zur nächsten. Bei einem Angriff kam ihr zweiter Mann ums Leben. Carla S. flehte zu Hause in Oberhausen dringend um finanzielle Unterstützung.

Sohn als Märtyrer gefeiert

2017 heiratete die junge Witwe erneut: Mit ihrem ägyptischen Ehemann zog sie nach Hajin. Am 7. Dezember schlugen Raketen in das Haus ein, der Sohn starb. Auf Facebook nahm sie von ihm Abschied: «So oft wurde in seiner Nähe gebombt … er hatte nicht einen Kratzer. An diesem Freitag hat Allah geschrieben, dass der Todesengel Hamzas Seele nimmt und zu unserem Herrn führt …» Von Trauer kann aber nicht die Rede sein: Im Kalender ihres Handys machte Carla S. an jenem Tag folgenden Eintrag: «Hamza ist shahid (Märtyrer) geworden inschallah.» Und einer Kollegin schrieb sie: «Ist nicht schlimm.»

Gescheiterte Flucht

Im Januar 2019 versuchte S., mithilfe von Schleusern aus Syrien zu fliehen, doch schon an der Grenze wurde sie zusammen mit den drei Töchtern von der türkischen Armee festgenommen. Die Deutsche und ihre Mädchen kamen in ein Lager im syrischen Azaz. Im Februar bat Carla S. das Auswärtige Amt in Berlin um Hilfe. Zwei Monate später wurde sie nach Deutschland zurückgebracht, eingestuft als islamistische Gefährderin. Seither sitzt sie in Untersuchungshaft, die Kinder nahm der Ex-Mann in Obhut.

Syrien-Reise war ein Fehler

Im Prozess bezeichnete S. ihre Reise nach Syrien als «den grössten Fehler, den ich machen konnte. Jetzt denke ich auch, wie dumm ich war.» Sie habe nicht gewusst, dass es dort gefährlich sei. «Man hat schon mitbekommen, dass bombardiert wird. Das war der erste Schockmoment für mich.»

Als der Richter sie fragte, warum sie mit den Kindern etwa Hinrichtungen beigewohnt habe, sagte S., sie sei nach einem Arztbesuch zufällig daran vorbeigekommen. Sie habe erstmals flüchten wollen, als der IS plante, ihre Kinder zum Kampf auszubilden. «Ich möchte nicht, dass meine Kinder Menschen töten», so die Mutter.

Ihr Fluchtversuch scheiterte aber. Als Strafe wurde sie mit einem Stock geschlagen und mit heissem Wasser aus einem Teekessel übergossen. Der Bundesanwaltschaft zufolge finden sich für diese Aussagen keine Anhaltspunkte.

Zehn weitere Verhandlungstermine sind im Prozess anberaumt. Weiter geht es am 25. März. Im Falle einer Verurteilung droht Carla S. eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren. (kle)

Mit freundlicher Genehmigung von 20min.ch


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