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Kriegspräsident Obama und seine fünf größten Probleme
29.09.2014, 18:00 Uhr | Von Marco Mierke, dpa
Die Mehrheit der Amerikaner macht sich keine Illusion: Ihr Land ist wieder im Krieg. US-Präsident Barack Obama hat deshalb jetzt Probleme, die er eigentlich immer vermeiden wollte.
1. Die Angst vor der Eskalation
Bislang beschränken sich die USA auf Angriffe gegen Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit Flugzeugen und Raketen. Obama betont, es dabei zu belassen: "Keine Soldatenstiefel auf dem Boden", lautet sein Mantra. Doch die Zweifel wachsen: Nach einer Umfrage des TV-Senders NBC glauben 72 Prozent der Amerikaner, dass bald wieder US-Soldaten in den Krieg ziehen. Ohnehin sind Obamas Aussagen fragwürdig. "Es stimmt nicht, dass es keine Bodentruppen gibt", sagt sein Ex-Sprecher Jay Carney. Im Irak seien ja schon jetzt 1600 sogenannte Berater und Spezialisten im Einsatz.
Obamas Berater wie Generalstabschef Martin Dempsey wollen den Einsatz von Kampftruppen keinesfalls ausschließen. Und der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses hat die Tür dafür jüngst weit geöffnet: Das Ziel, den IS zu zerstören, "verlangt nach mehr als Luftangriffen", sagt Republikaner John Boehner. "Wir haben keine andere Wahl. Das sind Barbaren."
2. Die extrem hohen Kosten
Obama begründet seine Abneigung gegen Militäreinsätze stets mit den hohen Kosten. "Wir haben gewaltige Summen in Übersee ausgegeben, während wir zu Hause ein knappes Budget hatten", sagte er 2010, als er das Ende des Irak-Krieges ankündigte. Stattdessen sollte das Geld in die heimische Infrastruktur und den Defizitabbau fließen. Der Kampf gegen den IS macht ihm nun einen Strich durch die Rechnung.
Experten schätzen, dass der Einsatz im Irak und Syrien bereits fast eine Milliarde Dollar (790 Millionen Euro) gekostet habe. Bleibe es bei Luftangriffen, seien jährliche Ausgaben bis zu 6,8 Milliarden Dollar denkbar. Müssten bis zu 25.000 Soldaten in den Krieg ziehen, könnte die Summe auf 22 Milliarden Dollar pro Jahr ansteigen, so eine Studie des Center for Strategic und Budgetary Assessments in Washington.
3. Die zweifelhafte Rechtslage
Der einstige Verfassungsrecht-Professor Obama lässt Zweifel nicht zu: Sein Befehl für die Angriffe auf die IS-Miliz erfolgte "entsprechend meiner gesetzlichen Befugnis als Oberbefehlshaber". Daher fragt er den Kongress nicht um Genehmigung, obwohl in den USA nur dieser einen Krieg erklären kann. Rechtsexperten bezeichnen das als illegal.
Weder dürfe sich Obama auf ein Gesetz aus dem Jahr 2002 berufen, das seinem Vorgänger George W. Bush den Irak-Krieg erlaubte. Noch könne er die Genehmigung für Anti-Terror-Maßnahmen von 2001 heranziehen. Auch völkerrechtlich gebe es Bedenken: Bei den Vereinten Nationen begründet das Weiße Haus den Einsatz in Syrien mit dem Schutz des Iraks. Doch einen Beschluss des Sicherheitsrates strebt es nicht an.
4. Das Pulverfass Nahost
Obama machte jetzt ein haarsträubendes Geständnis: Die USA und ihr mächtiger Geheimdienstapparat haben die Sunnitenmiliz unterschätzt. Syrien sei so zum "Ground Zero für Dschihadisten aus aller Welt" geworden. Rund drei Jahre lang hatten Amerikas Falken wie der republikanische Senator John McCain einen Militäreinsatz in Syrien gefordert. Einerseits gegen das brutale Regime von Machthaber Baschar al-Assad, andererseits gegen die extremistischen Oppositionsgruppen.
Doch Obama wollte nicht im "Bürgerkrieg eines Anderen" mitmischen, zumal Syrien der engste Verbündete des Iran ist. Von der Gefahr einer "Explosion" in der Region war im Weißen Haus die Rede, mit schlimmen Folgen etwa für Israel, den Libanon oder Jordanien. Doch nun ist Obama mittendrin. Er baut dabei voll auf die Unterstützung von Ländern wie Saudi-Arabien, Bahrain oder Katar - doch wie viel die wirklich beitragen wollen, vermag niemand vorherzusagen.
5. Das zerstörte Bild in den Geschichtsbüchern
Obama ging als Anti-Kriegs-Präsident in den Wahlkampf. Er wollte - so die Eigenwerbung - das Völkerrecht nicht mit den Füßen treten wie sein Vorgänger Bush. Und wenn er das Militär in den Kampf gegen Terroristen schickte, dann so gezielt und verdeckt wie möglich. Obama pflegte sein Bild des gezügelten Oberkommandierenden.
Die Geschichtsschreibung dürfte anders urteilen. "Ob er es will oder nicht, Obama wird am Ende doch als Kriegspräsident erinnert werden", meint die "Los Angeles Times". Nach allen vorherigen Weigerungen "hat er aufgebend die Hände in die Luft geworfen und sich der Kriegspartei angeschlossen", schreibt der "New Yorker". Obama selbst warf seine stets vorsichtige Rhetorik über Bord: "Die einzige Sprache, die Killer wie diese verstehen, ist die Sprache der Gewalt", sagte er der UN-Vollversammlung. Er werde das "Netzwerk des Todes" zerlegen.
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