Sonntag, 31. August 2014

DWN: Moskau erteilt Washington eine Lektion

Thema: Geopolitik
Obama fürchtet Putin:
Die Russen beherrschen den modernen Krieg perfekt


Westliche Geheimdienst-Kreise sind besorgt. Russland ist in der modernen Kriegsführung erfolgreicher als der Westen. Dieser Krieg beruht auf Desinformation, Täuschung und auf dem Einsatz von geheimen Armeen. Der britische Finanz-Club Chatham House fordert eine „neue Form der Abschreckung“ gegen Russland. Doch auch das ist ein traditioneller Reflex, der in einem asymmetrischen Krieg nicht mehr funktioniert.

Russland setzt auf unkonventionelle Strategien bei der Auseinandersetzung mit dem Westen. Die Nato hingegen tut sich schwer, diesen Strategien etwas entgegen zu halten. Die Strategien des transatlantischen Bündnisses beruhen auf der konventionellen Kriegsführung. Das klägliche Scheitern von Obama in Syrien und der entsprechende Triumph Putins sind für viele Beobachter ein Beweis für eine taktische Unterlegenheit des Westens. Die Kehrtwende Obamas in Richtung Assad wirkt hilflos. Und auch verbal ist der Präsident nicht gerade überzeugend. Am Freitag sagte Obama, die USA haben noch keinen Plan für das weitere Vorgehen gegen die IS-Terroristen. Im Kreml dürfte man sich über dieses Eingeständnis die Hände gerieben haben.

Putin führt derzeit einen fast perfekten Hybrid-Krieg. Diese Art des Krieges setzt sich aus einer Kombination von konventioneller und verdeckter Kriegsführung, Cyber-Angriffen, energiepolitischem und wirtschaftlichem Druck sowie Desinformation zusammen. Russland beherrscht den Hybrid-Krieg besser als die Nato. Die USA und ihre Partner befürchten, dass Moskau diese Strategie auch in Europa massiv einsetzen könnte. Besondere Sorge bereitet der Nato das Baltikum und Osteuropa.

Im März verhängte Russland einen Einfuhrstopp für alle litauischen Lebensmittel, die über den Hafen von Klaipeda verschifft werden. Die Russen haben in den vergangenen Monaten den sozialen und politischen Druck auf Estland, Lettland und Litauen massiv hochgeschraubt. „Sie schaffen psychologische Enklaven im Baltikum“, zitiert die FT den Direktor des Royal United Services Institute in London, Jonathan Eyal. Hinzu kommt, dass etwa 25 Prozent der Bürger Estlands ethnische Russen sind. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Moskau sie wie die russische Bevölkerung auf der Krim aktivieren könnte.

In Bulgarien profitiert Russland von der Korruption. Hochrangige Staatsbeamte sind relativ leicht gefügig zu machen. Nach Angaben der EU-Kommission ist die bulgarische Regierung, die korrupteste Regierung in Europa. Der russische Energie-Riese Gazprom hat den Bulgaren kürzlich ein Energie-Gesetz regelrecht diktiert. Das Gesetz dient dem Bau der South Stream Erdgas-Pipeline. Im Juni wurde das Bauvorhaben von der EU ausgebremst. Doch Bulgarien möchte an dem Erdgasprojekt festhalten. Gazprom hat einen großen Einfluss in Sofia.

Der ehemalige Beamte des britischen Militärgeheimdiensts, Chris Donnelly, sagte der FT:
    „Geld ist entscheidend. Sie kaufen Politiker und geben ihnen Berater-Posten. Sie kaufen Unternehmen und bieten Bänkern Arbeitsplätze in Moskau an. Russland nutzt das organisierte Verbrechen als ein Werkzeug, um seine Ziele zu erreichen.“
Im Zuge des Hybrid-Kriegs habe Russland zahlreiche EU-Institutionen schon längst durchdrungen. Dieser Form des Kriegs liegt ein klares Konzept zugrunde.

Der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, Waleri Gerassimow, hat im Februar im russischen Militärjournal VPK einen Artikel veröffentlicht. Demnach seien weitgehende „politische, ökonomische, informationelle, humanitäre und weitere nicht-militärische Maßnahmen“ als „Konflikt-Methoden“ zu nutzen. All diese Methoden seien durch die Aktivierung der „lokalen Bevölkerung“ unter Einsatz „verdeckter Streitkräfte“ anzuwenden. In diesem Zusammenhang zitierte Gerassimow den sowjetischen Militär-Historiker Georgii Isserson. Isserson sagt, dass die Mobilisierung nicht nach Ausbruch eines Kriegs stattfindet. Sie verlaufe „unbemerkt“ vor Ausbruch eines Kriegs. So ist offenbar auch die Annektierung der Halbinsel Krim verlaufen.

Westliche Geheimdienst-Kreise sind überzeugt davon, dass Russland schon lange vor Ausbruch der Ukraine-Krise alle Maßnahmen getroffen hatte. Ab 2010 wurden zahlreiche Computer-Systeme ukrainischer Behörden mit dem Snake-Virus infiziert. Dieser Virus verschaffte Moskau einen ungehinderten Zugang zu Geheiminformationen der Kiewer Regierung. Seit 2008 spielt Russland auch die Erdgas-Karte gegen die Ukraine aus.

Die meisten der Methoden des Hybrid-Kriegs sind nicht neu. „Die Hälfte der weltweiten Kriegsgeschichte beruht auf derartigen Methoden“, sagt Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington D.C.

Doch Cordesman und anderen westlichen Geheimdienst-Analysten fällt auf, dass Russland erfolgreicher als der Westen agiert. Moskau betreibe eine massive „Desinformations-Kampagne“ im In- und Ausland. Die staatliche Kontrolle der russischen Medien habe seit Beginn der Ukraine-Krise einen Höhepunkt erreicht. Der Westen tut sich in dieser Hinsicht viel schwerer: Offenkundig schwache Beweise wie die von der Nato vorgelegten Satellitenbilder von einem angeblichen russischen Einmarsch in der Ukraine können von der freien Presse entlarvt werden.

Für den Chef der britischen Denkfabrik Chatham House, Robin Niblett, bietet sich ein klares Bild. Es gebe nur ein Mittel gegen Russland. „Wir brauchen eine neue Form der Abschreckung“, sagt er.

Mit freundlicher Genehmigung von DEUTSCHE WIRTSCHAFTS NACHRICHTEN


» der Kommentar des Blogschreibers «
Wenn Russland in der modernen Kriegsführung erfolgreicher ist als der Westen, dann kann die USA zumindest darauf verweisen, dass sie im konventionellen Krieg der Zerstörung nahezu unerreicht sind. Länder wie Vietnam, Irak, Afghanistan, Libyen u.s.w. können davon Zeugnis ablegen. Nicht zu vergessen Serbien, Bosnien u.a.m. mit ihren radioaktivverseuchten Böden wegen der Uranmunition.

Kommentare

joseph sagt:
Obama and Co. have lost the plot. Die ganze Verlogenheit hat offensichtlich immer kürzere Beine. Man ist nicht mal mehr richtig in der Lage Russland all die eigenen Absichten zu unterstellen.
Punkto Desinformation: da gibt es doch dieses Video von einer einer Sendung “Die Anstalt” in der die “transatlantischen” Netzwerke von Journalisten aufgezeigt wurden und die ja jetzt offen so agieren. https://www.youtube.com/watch?v=VvTWo5ZGcNA

Sapperlot sagt:

Grundsätzlich muss man sich immer erst noch einmal die Frage stellen, wie dieser Konflikt entstanden ist und wer die eigentlichen Nutznießer sind.

Nehmen wir jetzt zunächst einmal an, dass Russland Folgendes ist:
  1. Ein riesengroßes Land mit unermesslichen Bodenschätzen
  2. Ein Land mit einer Bevölkerung von fast 143 Millionen
  3. Eine atomare Supermacht mit entsprechender Militärtechnik und ingenieurstechnischen Know-how
  4. Ein Land, mit einer stolzen Bevölkerung, welche sich seiner langen teilweise sehr leidvollen und wechselhaften Geschichte und Tradition sehr bewusst ist.
  5. Ein Land welches zwar in die internationale Gemeinschaft eingebunden ist, aber sehr selbstständig und unabhängig agiert
  6. Ein Land welches sich schon immer verteidigend Okkupationskräften entgegenstellen musste.
Dieses Land wird mit folgenden Interessen konfrontiert:
  1. Sein Reichtum an Bodenschätzen soll dem Weltmarkt unter dem Diktat des Dollars und der Wall Street zur Verfügung stehen
  2. Es soll nicht mehr als eigenständige Supermacht die Möglichkeit haben, geopolitisch im eigenen Interesse zu agieren bzw. intervenieren.
  3. Es soll keine gleichrangige Position mit den USA in der Weltpolitik einnehmen bzw. hier als Konkurrenz auftreten
  4. Es soll sich den Vorstellungen der BIZ, des IWF bzw. den dahinter stehenden Kartellen beugen
  5. Es soll seinen Einfluss auf seine Nachbarstaaten, die auch als geopolitische Pufferzone betrachtet werden können, einbüßen
  6. Die Zusammenarbeit Russlands mit den europäischen Nationalstaaten bzw. der EU soll verhindert werden, da dies zum einen die EU unabhängiger von den USA machen, und zum zweiten Russland stärken würde.
  7. Zudem muss eine EU, die nicht absolut und total in die USA/NATO eingebunden ist verhindert werden, da diese sowohl wirtschaftspolitisch, währungstechnisch als auch geopolitisch eine Gefahr für die Vorherrschaft der USA bedeuten würde.
Deshalb sieht sich dieses Land mit folgenden Aktionen konfrontiert:
  1. Einflussnahme auf die Innenpolitik durch westlich organisierte und finanzierte NGO und Geheimdienste
  2. Destabilisierung seiner Nachbarstaaten, um diese Sicherheits- bzw.. Pufferzone an seinen Landesgrenzen zu reduzieren
  3. Sanktionen, um den wirtschaftlichen Spielraum zu verkleinern, da ein in Rubel gehandelter Energiereichtum den ölgedeckten Petrodollar und damit den Status der USA langfristig gefährden könnte. Wobei hier die Begründung für die Sanktionen nicht bewiesene Behauptungen und in erster Linie eine (dazu äußerst dilettantisch gemachten) Medienkampagne sind.
  4. Russland seiner möglichen, zukünftigen Schlüsselstellung für Europa im Bezug auf Energie, Rohstoffe und Handel mittels Isolation zu berauben
  5. Einkreisung seiner Landesgrenzen mit NATO-Basen und Raketenabwehrsystemen, die sogar angeblich eine nukleare Erstschlagkapazität ohne den darauf folgenden Vergeltungsschlag hinnehmen zu müssen.
So gesehen tut Russland jetzt genau das, was es im eigenen Interesse tun muss. Dass sich hier dann die Aktivitäten gegenseitig aufschaukeln muss auch klar sein. Die Frage aber ist, wer provoziert bzw. ist hier der Auslöser?

Ist es nicht mehr oder weniger eine Art gehobener Irrsinn, einer atomaren Supermacht dermaßen zuzusetzen?

Die Frage nach einer wie auch immer gearteten moralischen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Bewertung stellt sich hier eigentlich gar nicht.
Es geht nicht um die Frage, wer den weißen und wer den schwarzen Hut auf hat. Es geht darum friedlich zu koexistieren und die Welt vor einer Katastrophe zu bewahren

Sapperlot sagt:
Da in der internationalen Politik und Diplomatie die Wirklichkeit manchmal nur sehr schwer zu erkennen ist, sei hier noch einmal auf die Sechsunddreißig Strategeme (Chinesisch: 三十六計; Pinyin: sanshiliu ji), eine Sammlung von Strategemen, die dem chinesischen General Tan Daoji († 436) zugeschrieben werden, hingewiesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/36_Strategeme

Sapperlot sagt:
Hilfreiche Fragen könnt ihr zum Beispiel sein:
  • Wer hat ISIS ausgebildet und finanziert?
  • Wer liefert ISIS Waffen?
  • Wer profitiert von einer “Balkanisierung” des Nahen Ostens?
  • Was würde passieren, wenn Rohstoffe und Energieträger nicht mehr in Dollar gehandelt würden?
  • Wer hat einen Angriff auf Syrien verhindert? Wer oder was war die treibende Kraft?
  • Wer profitiert besonders von einem Konflikt vor der russischen Haustüre, so dass viele Kräfte und Ressourcen gebunden und abgelenkt wird?
  • Wem geht der Iran besonders auf den Geist?
  • Für wen ist es nützlich, wenn sich die unterschiedlichen islamistischen Gruppierungen gegenseitig eliminieren?
  • Wo gibt es ergiebige Erdgas und Ölfelder?
  • Wo sind die hierfür notwendigen Pipelines und Häfen?
  • Welche Ausländer sind in der Ukraine (Kiew) als Ausbilder und Kämpfer auch tätig?
  • Wer lenkt über Großbanken und Zentralbanken die internationalen Geldströme?
  • Wer manipuliert international Aktien-und Rohstoffhandel sowie Zinssätze?
  • Wer braucht einen besonders starken militärischen Schutz im Nahen Osten und wodurch wird dieser garantiert?
  • Wem würde eine antiislamische Volksstimmung besonders zupass kommen?
  • Wer profitiert besonders von dem Geschäft mit der Angst und dem Waffenhandel?
  • Wie ist Saudi-Arabien in jüngster Zeit positioniert?
  • Wer hat noch ein besonderes Interesse an den Energieträgern der Region?
  • Abseits der Sanktionen – wer macht momentan besonders und trotz “Sanktionen” gute Geschäfte mit den Russen?
  • Wem schaden diese Sanktionen am meisten und wer zieht seinen heimlichen bzw. unheimlichen Nutzen daraus?
  • Sind “Sanktionen” gleich “Sanktionen” oder gibt es geradezu wundersame Ausnahmen?
  • Wer profitiert von einem Auseinanderbrechen der EU und dem Scheitern des Euros am meisten?
  • Wer ist hier dann letzten Endes bei wem maximal verschuldet und was bedeutet das für die Zukunft der Demokratien?
  • Wer würde in seinem Einfluss auf die EU-Länder am meisten geschwächt, würde sich der Handel zwischen Europa und Russland intensivieren?
Und der gleichen Fragen mehr. Dann kann man die wie eine Zwiebelschale aufgebaute Wahrheit am ehesten erfassen, ohne sich aber letztendlich vollkommen sicher zu sein, ob man in gewisser Weise richtig oder auch falsch liegt.
Auch der logisch denkender Mensch kann mangels Wissen und widersprechender Informationen – wie sie auch gerade in Zeiten extremer Manipulation und Propaganda zwangsläufig in Erscheinung treten – irren.

Deshalb bleiben als Leitmotiv nur klare ethische Grundsätze, Wachsamkeit und Flexibilität als Handlungsmaxime übrig

Sapperlot sagt: Wer sich dafür interessiert, wie Medienberichte den richtigen “Spin” bekommen, kann auch einmal auf folgende Links klicken:
http://www.heise.de/newsticker/foren/S-Ukrainian-Crisis-Media-Center-UCMC/forum-281146/msg-25361272/read/
https://www.freitag.de/autoren/lapple08m214/zdf-skandal-berichte-im-auftrag-kiews
Was wiederum die Frage aufwirft, wer zum Beispiel solche “Informationszentren” aus welchem Grund finanziert.

Sapperlot sagt:
Zudem sollte man sich noch einmal vor Augen halten, wie er die beherrschende Truppe innerhalb der NeoCons in den Vereinigten Staaten ist, bzw. welche geostrategischen Ziele diese Truppe in Wahrheit verfolgt. Diese mögen sich in vielen Punkten mit den originären Interessen der USA überschneiden, sind aber keinesfalls deckungsgleich. Will heißen, die national gesinnten amerikanischen Patrioten werden in gewisser Weise instrumentalisiert. Wenn man sich dann klarmacht, wie entscheidende Beraterfunktionen und Netzwerker um den Präsidenten Obama herum installiert sind, kann man sehen, dass der Präsident und die Regierungspartei – vorsichtig gesprochen – auf jeden Fall nicht die alleinige maßgebenden Entscheider sind. Wenn man das Spiel um die Ukraine verstehen würde, so muss man sich den gesamten Globus anschauen: Finanzplätze, Energie, existierende und zukünftige Handels-und Transportwege sowie Militärpräsenzen.

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