Thema:
Kanzlerin
Mehrheit gegen Merkels Böhmermann-Entscheidung:
Beliebtheit der Kanzlerin sinkt rapide
Der zur Staatsaffäre aufgeblähte Satire-Streit um Jan Böhmermann und den türkischen Präsidenten Recep Erdogan beschäftigte auch am Wochenende das Land. Während die Mehrheit der Deutschen Merkels Entscheidung, die Strafverfolgung nach Paragraph 103 zuzulassen, ablehnt, hat ein Videobeitrag des Satirikers Oliver Kalkofe das Potential die Debatte endlich zum Abschluss zu bringen. Die Satiriker der Titanic kündigen jedoch bereits den nächsten Coup an.
Nur wenige Stimmen waren es, die Angela Merkels Entscheidung, dem Strafverfolgungs-Gesuch des türkischen Präsidenten nachzugehen, als richtig werteten. Doch lange nicht nur rechtskonservative Kreise gaben Merkel zunächst Beistand.
Auch in den linken Tageszeitungen Neues Deutschland oder der Frankfurter Rundschau wurde die Merkel-Ermächtigung für korrekt befunden und gelobt. Merkel habe den „Rechtsstaat gestärkt“ und ein klares Signal für Gewaltenteilung gesetzt, indem sie den Fall „der Justiz übergeben habe“, so die Anhänger der Kanzlerin.
Für andere Kommentatoren ist dies jedoch eine Nebelkerze. Zum einen wäre der Fall nach Präsident Erdogans zusätzlicher Anzeige nach Paragraph 185 ohnehin von der Justiz übernommen worden, des Weiteren sieht der „Majestätsbeleidigungs“-Paragraph 103 ja gerade vor, dass die Regierung eine Entscheidung trifft. Natürlich kann diese in beide Richtungen ausfallen. Merkel und ihre Apologeten verdrehten die Tatsachen allerdings dahingehend, dass sie den Sachverhalt so darstellten, als sei lediglich die Ermächtigung zu den Ermittlungen rechts- und gewaltenteilungskonform.
Dass dieses Scheinargument nicht wirklich überzeugte, war schnell klar. Noch am Wochenende häuften sich die Beiträge, die genau jenen Sachverhalt richtig stellten. Sehr deutliche Worte fand hierfür auch der SPD-Politiker und Jurist Johannes Kahrs im Deutschlandfunk-Interview. Kahrs kritisiert offen, dass Merkel politisches Kalkül vor die Meinungsfreiheit gestellt hat:
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"Ich gehe davon aus, dass sie hier, sagen wir es mal ganz freundlich, politische Erwägungen über die Meinungsfreiheit in Deutschland stellt."
[...]
"Hier ist es nicht so, dass die Bundesregierung es der Justiz erst ermöglicht, gegen Herrn Böhmermann zu verhandeln, sondern hier wird nur noch das Strafmaß um das Drei- und Vierfache nach oben geschoben."
Zudem scheint die Merkel-Entscheidung im Fall Böhmermann direkte negative Auswirkungen auf die Beliebtheit der Kanzlerin zu haben. Während zu Beginn des Monats noch 56 Prozent der Deutschen mit Merkels Arbeit zufrieden waren, sank dieser Wert nun rapide auf 45 Prozent.
Juristisch wird sich der Fall Erdogan vs. Böhmermann nun wohl eine Weile hinziehen. Beobachter sprechen von fünf bis zehn Jahren, die der Gang durch die Instanzen in Anspruch nehmen kann. Der Philosoph Dr. Daniel-Pascal Zorn kritisiert im Verfassungsblog die riskante Verschiebetaktik der Kanzlerin:
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„Wird Böhmermann jedoch verurteilt – dann verliert nicht nur er, sondern verliert auch die Schutzfunktion der Grundrechte als fundamentale international anerkannte Abwehrrechte subjektiv an Glaubwürdigkeit. Es verliert aber auch und vor allem die Regierung, der man spätestens dann politisch vorwerfen kann, dass sie aus Machtkalkül und rechtspositivistischer Ideologie heraus das Signal an die Despoten der ganzen Welt gegeben hat, dass die hochgelobte westliche Form der Demokratie beginnt, an ihrer eigenen bürokratischen Selbstauslegung zu ersticken.“
Auch wenn der Böhmermann-Erdogan-Streit damit wohl nun langsam ein mediales Ende findet, scheint der generelle Diskurs um Satire und deren Freiheit längst nicht beigelegt. Ebenso wenig die Frage nach der Abhängigkeit Deutschlands von der Türkei und der persönlichen Erpressbarkeit von Angela Merkel. Diese Diskussionen beginnen gerade erst.
Dass es mit scharfzüngiger Satire in Deutschland bergab geht, ist indes nicht zu erwarten. Nachdem Jan Böhmermann zeitweise zum einflussreichsten Satiriker des Landes aufgestiegen ist, fühlt man sich bei den Platzhirschen offenbar herausgefordert. Schon am Freitag legte die Titanic-Redaktion nach und kündigte an: „Jetzt beleidigen wir alle“.
Im Interview mit der Schweizer „Blick“ führt Tim Wolff, der Chefredakteur der Titanic, aus:
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„Zur letzten Ehrenrunde von Paragraf 103 werden wir sämtliche Präsidenten der Welt aufs Übelste beleidigen. Damit sich Erdogan nicht als etwas Besonderes fühlt.“
Vielleicht sollten künftige Bundesregierungen bei der Auswahl ihrer internationalen Partner auch einmal solche Faktoren berücksichtigen.
Auf die angekündigte Fernsehpause von Jan Böhmermann reagiert das Netz indes auf seine ihm eigene Art:
Quelle: RT-Deutsch
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