Thema:
Afghanistan
Trotz kritischer Sicherheitslage
Bundesregierung will afghanische Flüchtlinge abschieben
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Asylbewerber wurden bisher nur in sichere Herkunftsländer abgeschoben. Jetzt will die Koalition auch afghanische Flüchtlinge abschieben - trotz kritischer Sicherheitslage. Die ist so kritisch, dass Verteidigungsministerin von der Leyen über einen längeren Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr nachdenkt.
Auf der Website des Auswärtigen Amtes findet sich nach wie vor eine Reisewarnung für Afghanistan. Der Aufenthalt in weiten Teilen des Landes bleibe gefährlich, daher werde vor Reisen nach Afghanistan "dringend gewarnt", heißt es dort.
Keine stabile Sicherheitslage
Erst kürzlich hatten die Taliban den ehemaligen Bundeswehrstandort Kundus, der eigentlich als weitgehend befriedet galt, erobert. Zwar gelang es dem afghanischen Militär mit Unterstützung der USA, die Taliban zurückzudrängen, doch einmal mehr zeigte sich: Von einer stabilen Sicherheitslage ist Afghanistan weit entfernt.
Deshalb forderte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), eine Beendigung des Afghanistan-Engagements noch einmal zu überdenken. Das Land sei noch nicht stabil genug - die dortigen Sicherheitskräfte bräuchten noch Unterstützung.
Abschiebung in "sichere Gebiete"
Umso erstaunlicher ist es jetzt, dass die Bundesregierung im Rahmen ihres Asylpakets beschlossen hat, Flüchtlinge aus Afghanistan künftig in ihre Heimat zurückzuführen, wenn auch nur in "sichere Gebiete". Damit ist der faktische Abschiebestopp, der bislang für afghanische Flüchtlinge galt, aufgehoben. Die "Entscheidungsgrundlagen" des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für die Gruppe soll überarbeitet und angepasst werden, so will es die Große Koalition.
Hintergrund der Entscheidung ist die hohe Zahl an Flüchtlingen aus Afghanistan. Während im vergangenen Jahr etwa 9.000 Flüchtlinge aus Afghanistan nach Deutschland kamen, sind es in diesem Jahr bereits 67.000, davon laut Angaben des Innenministeriums allein 31.000 im Oktober. Damit sind die Afghanen nach den Syrern die zweitgrößte Gruppe unter den Asylbewerbern.
Grüne halten Pläne für "absolut zynisch"
Die Pläne der Bundesregierung seien "absolut zynisch" und hätten "mit der Realität in Afghanistan nichts zu tun", sagt Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth im ZDF. Es gehe der Koalition nur darum, "die Zahl der Flüchtlinge nach Deutschland zu reduzieren", deshalb werde jetzt umdefiniert. Aber "kein vernünftiger Mensch würde Afghanistan als sicher bezeichnen", so die Grünen-Politikerin weiter.
Auch Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik warnt: "Es mag einzelne Gebiete geben, die sicher erscheinen, aber das kann sich sehr schnell ändern." Das habe das Beispiel Kundus gezeigt. "Die Momentaufnahme, es wäre sicher, ist eben nur eine Momentaufnahme", sagt Kaim.
Afghanistan ist unsicheres Herkunftsland
In der Vergangenheit war es gängige Praxis, Flüchtlinge nur in so genannte "sichere Herkunftsstaaten" abzuschieben. Auf Afghanistan trifft das nicht zu, wie auch die Bundesregierung einräumt - die generelle Einstufung des Landes als unsicher bleibe weiterhin bestehen. Doch warum will die Koalition Flüchtlinge trotzdem nach Afghanistan abschieben?
Es sollen innerstaatliche Fluchtalternativen für Afghanen geschaffen werden, heißt es offiziell. Doch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) brachte vergangene Woche noch einen anderen Aspekt in die Diskussion ein: "Es sind viele Summen Entwicklungshilfe nach Afghanistan geflossen." Nun könne man erwarten, "dass die Afghanen in ihrem Land bleiben".
Opferzahlen steigen stetig
Unterstützung erhält der Innenminister vom deutschen Nato-Kommandeur Hans-Lothar Domröse. Dieser fordert die Afghanen im ZDF-Interview auf, ihr Land wieder aufzubauen, statt zu flüchten. Keine leichte Aufgabe, zumal die Terrormiliz IS sowie die Taliban in weiten Teilen des Landes Angst und Schrecken verbreiten. Die Zahl der Opfer, insbesondere in der Zivilbevölkerung, steigt stetig. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth warnt: Insgesamt habe sich die Situation in Afghanistan „dramatisch verschlechtert“.08.11.2015
Quelle: ZDF
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