Dienstag, 18. August 2020

Rubikon - Gefährlicher Protest

Die Demonstration vom 1. August 2020 ist weiter im Visier der Herrschenden — wir kennen diese Abwehrreaktion bereits.
von Hans Springstein

Bis heute wird über die große Demonstration am 1. August dieses Jahres in Berlin diskutiert. Schon bevor sie begann, wurde gegen sie und jene, die sie organisierten und an ihr teilnahmen, gehetzt, gelogen und mit verschiedenen Mitteln vorgegangen. Das hält an, auch wenn sich die Belege dafür häufen, dass es keine Rechtsextremen und auch keine „Staatsfeinde“ waren, die da demonstrierten. Die Hetze gegen die Demonstration und die vielen Menschen, die dabei waren, ist ein Angriff auf jene Demokratie, auf die sich die Verleumder pro forma berufen. Das ist verlogen und doppelzüngig — auch wenn es nicht neu ist. Der Umgang mit der Demonstration vom 1. August bedeutet aber eine neue Qualität des Umgangs mit Widerstand und Protest. Diese gelten den Herrschenden und Mächtigen anscheinend als zu gefährlich.


„Friedlich, bunt und lustig“ — so hat Kerstin Wolf aus Berlin die
Demonstration am 1. August in Berlin erlebt, über die weiterhin gestritten wird. Die Berliner Ärztin für Allgemeinmedizin und Naturheilkunde gehörte zu den vielen tausenden Menschen aus der gesamten Bundesrepublik, die an der seit Jahrzehnten größten regierungskritischen Demonstration in der Hauptstadt teilnahmen. Unter ihnen seien nur einige wenige erkennbar Rechte gewesen, so einige „Reichsbürger“, berichtete die Medizinerin im Gespräch.

Sie sei etwa viereinhalb Stunden bei der Demonstration mitgelaufen, bei der Gruppe der „Ärzte für individuelle Impfentscheidung“. Die Ärztin ist nach ihren Worten gegen Zwangsimpfungen, „egal ob Masern oder Corona“. Nach den viereinhalb Stunden und wegen des heißen Sommerwetters sei sie nach Hause gegangen. Für die Abschlusskundgebung auf der Straße des 17. Juni habe ihre Kraft dann leider nicht mehr gereicht.

Wolf meint, dass nach ihrem Eindruck insgesamt deutlich mehr als die von der Berliner Polizei offiziell verkündeten 20.000 Menschen an der Demo und an der Kundgebung zum Schluss teilgenommen haben. Dazu hatte die Stuttgarter Initiative „Querdenken 711“ unter dem Motto „Tag der Freiheit — das Ende der Pandemie“ in die Hauptstadt eingeladen. Dem waren so viele Menschen gefolgt, dass die Veranstalter am Ende des Tages von 1,3 Millionen Teilnehmenden sprachen. Gerechnet hatten sie mit etwa 500.000, wie es vorher hieß.

Darüber, wie viele tatsächlich dabei waren und wer da die Zahlen hoch- oder runtergerechnet hat, begann gleich nach der von der Polizei gegen 16.45 Uhr abgebrochenen Kundgebung zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule eine Debatte. Dabei versuchen Sympathisanten und Gegner mit verschiedensten Methoden und Modellen nachzuweisen, dass entweder mindestens einige hunderttausend Menschen teilnahmen oder nur die polizeilich gemeldeten 20.000.
Zahlenspiele
An der Debatte kann und will ich mich nicht beteiligen, nicht nur, weil ich leider selbst nicht dabei sein konnte. Nur so viel dazu: Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass auch der eigene Augenschein trügen kann, wenn es um die Frage geht, wie viele Menschen an solch einem Ereignis teilgenommen haben. Wie schwierig es ist, die genauen Zahlen zu ermitteln, hat Dieter Rucht vom Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung (IPB) 2016 im Zusammenhang mit den damaligen bundesweiten Protesten gegen das Freihandelsabkommen TTIP beschrieben.

Die Abweichungen der Teilnehmerzahlen „wären nur dadurch aufzulösen, dass die jeweiligen Schätz- und Zählverfahren offengelegt“ oder „in Gänze per Video dokumentiert und damit nachprüfbar werden“, so Rucht. „Ein anderes Verfahren bestünde in einer Auszählung bzw. Hochrechnung auf der Basis von Luftbildern, wie es inzwischen bei Großdemonstrationen in den USA, vereinzelt auch in Deutschland praktiziert wird.“ Das dürfte auch im aktuellen Fall gelten.

Das Online-Magazin Nachdenkseiten hatte bei der Berliner Polizei zu den Zahlen vom 1. August noch einmal nachgefragt und folgende Antwort bekommen:

„Die Einschätzung von ungefähr 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bleibt auch nach Prüfung im Nachhinein bestehen. Dazu wurde die vorhergegangene, ermittelte Teilnehmerzahl durch die Auswertung öffentlich zugänglicher Luft- und Übersichtsaufnahmen vom Einsatztag nochmals überprüft. Lediglich eine mögliche Varianz von mehreren tausend Personen in der Spitze über dem genannten Ergebnis konnte als Veränderung ermittelt werden.“

Etwas unklar bleibt aus meiner Sicht, ob die Zahl sich nur auf die Abschlusskundgebung auf der Straße des 17. Juni oder die zuvor mehr als vier Stunden dauernde Demonstration durch die Mitte der Hauptstadt bezieht. Teilnehmerin Kerstin Wolf berichtete von Informationen, dass die Polizei irgendwann den Zugang zur Abschlusskundgebung sperrte, weil sich bereits zu viele Menschen auf dem Platz befänden. Bei den Nachdenkseiten ist zu lesen, dass die zahlreichen Fotos und Videos von Demo-Teilnehmenden den Eindruck vermitteln, dass die Zahlen der Polizei deutlich zu niedrig seien.

Paul Schreyer von Onlinemagazin Multipolar hat sich ebenfalls in einem Beitrag mit den Zahlen beschäftigt. In einem Zusatz schreibt er:

„Der Journalist Robert Fleischer hat die bislang gründlichste Recherche zur Frage der Teilnehmerzahl veröffentlicht. Er präsentiert neben dem Busunternehmer Thomas Kaden einen weiteren Zeugen vor der Kamera — den Versammlungsleiter des Umzugs durch die Stadt, Nils Wehner —, der ebenfalls berichtet (…), am frühen Nachmittag von dem für ihn zuständigen Verbindungsmann der Polizei erfahren zu haben, der Umzug hätte Luftbildern der Polizei zufolge geschätzt 800.000 Teilnehmer. Offenbar hatte der größte Teil der Demonstranten des Umzugs es gar nicht bis auf die Straße des 17. Juni geschafft.“

Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Polizei mit den gemeldeten 20.000 Teilnehmenden nur jene von der Abschlusskundgebung meint. Aber wichtiger als die Frage nach den genauen Zahlen der vielen Menschen, die das Anliegen der Veranstalter teilen, sind aus meiner Sicht zwei Fragen: Zum einen, welche Rolle offensichtlich rechte und rechtsextreme Gruppen bei der Demo spielten. Zum anderen eben die nach den Inhalten. Zumindest letztere Frage gerät bei der Zahlen-Debatte aus dem Blickfeld — was vor allem jene freuen dürfte, gegen die am 1. August demonstriert wurde.
Verleumdungen
Zu der ersten Frage gab es gleich am 1. August zum Teil hanebüchene Aussagen: So sprach Jörg Reichel, Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU) in der Gewerkschaft ver.di Berlin-Brandenburg, von einer „rechtsoffenen bis teilweise rechtsextremen Demonstration“. Schon zwei Tage zuvor hatte Reichel die Organisatoren als „rechtsextrem“ diffamiert, ohne das weiter zu begründen.
Dass die tonangebenden öffentlich-rechtlichen und privaten Medien die Demonstration von Beginn an in ein schlechtes Licht stellten, ist nicht verwunderlich. Das ist journalistisch hochgradig unprofessionell, aber vorhersehbar, stützen doch diese Medien den Kurs der Regierenden und der etablierten Politik in der Corona-Krise samt Angst- und Panikmache.
Dass Gewerkschafter und vermeintlich linke Kräfte dabei mitmachen, ist mehr als bedauerlich. Besonders ärgerlich finde ich, dass vermeintlich alternative Medien wie das Online-Magazin Telepolis sich fortgesetzt an der Diffamierung beteiligen, so Telepolis-Chefredakteur Florian Rötzer am 7. August wieder. Einen Beitrag zum Thema, wie viele am 1. August in Berlin demonstrierten und wie groß eine „kritische Masse an Systemverweigerern“ sein könnte, bebilderte er mit einem entsprechenden Foto: Das zeigt ausgerechnet die wenigen Rechten und Rechtsextremen mit „Reichsbürger“-Fahnen im Demonstrationszug aus vielen tausenden Menschen.

Nicht nur Teilnehmerin Kerstin Wolf bezeugte, dass diese kleinen Gruppen aus ewig Gestrigen mit „Reichsbürger“- und anderen deutschnationalen Flaggen aus vergangenen Zeiten keine Rolle spielten. Auch die Dokumentarfilmerin Gaby Weber spricht in ihrem kurzen Film-Bericht von der Demo von einer „Handvoll“ offensichtlicher Anhänger der Rechtsextremen. Das ist inzwischen selbst bei Telepolis nachlesbar, scheint aber dessen Chefredakteur, der gern den großen Aufklärer gibt, nicht weiter zu beeindrucken.

Der Augenzeuge Lars Töpfer hat in einem kleinen Video aus eigenen Smartphone-Aufnahmen von der Abschlusskundgebung am 1. August Hinweise darauf gebracht, dass der Auftritt der ZDF-Journalistin Dunja Hayali vor Ort inszeniert gewesen sein kann — samt schwarz-weiß-roter Deutschland-Fahnen. Im medienkritischen Onlinemagazin Übermedien wurde Hayalis angeblicher Versuch, mit den Demo-Teilnehmenden ins Gespräch zu kommen, als „Walk of Häme“ bezeichnet.

Die Autorin Samira El Quassil erinnerte daran, dass Journalismus selbst auch immer Performance ist. Es ist eine alte und vielfach belegte Erkenntnis, dass Journalisten Ereignisse und Bilder schaffen, wenn die Realität sie ihnen nicht für ihre Berichte liefert. Die Liste entsprechender Beispiele ist auf jeden Fall länger als der Zug der Demonstranten am 1. August. Zudem ist es eine ebenso alte Erkenntnis, dass das Außergewöhnliche und die Kontroverse wichtige Nachrichtenfaktoren sind, die die Arbeit von Medien bestimmen.
Widerlegung
Gegen ihre fortgesetzte Diffamierung durch Politiker aller Lager sowie durch die tonangebenden Medien lieferte mit dem Verfassungsschutz eine Behörde Argumente, die sich offiziell dem selben Ziel wie die Kritiker der Anti-Corona-Politik verschieben hat: Dem Schutz des Grundgesetzes und seiner Werte. „Nach Einschätzung des Bundesverfassungsschutzes haben an der Corona-Demonstration am vergangenen Samstag in Berlin nur ‚einzelne Angehörige‘ aus dem rechtsextremen Spektrum teilgenommen“, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Sonntag, 9. August, auf Seite 1 unter der Überschrift „Keine Demo der Rechtsextremen“.

„Ein prägender Einfluss auf den Demonstrationszug oder die Gesamtkundgebung ging von diesen nicht aus“, habe die Behörde mitgeteilt, so das Blatt. Es zitierte die Verfassungsschützer weiter, dass „aus der Kundgebung für die traditionelle rechtsextreme Szene keine nennenswerte Anschlussfähigkeit an demokratische Kundgebungsteilnehmer“ resultiere. Ob sich jene, die den Kritikern der panik- und angstmachenden Politik von Beginn an vorwerfen, sie seien rechtsextrem, rassistisch und „Covidioten“, bei diesen für ihre Lügen und Diffamierungen entschuldigen, ist leider nicht zu erwarten.

Dokumentarfilmerin Gaby Weber hofft darauf, dass die verschiedenen Seiten wieder miteinander ins Gespräch kommen, wie sie in ihrem Demo-Filmbericht sagt:

„Am Straßenrand zu stehen und ‚Nazis raus‘ zu rufen, oder bei schönstem Wetter mit Maske auf dem Fahrrad ‚Masken an‘ zu brüllen, bringt da wenig und verhindert jede Diskussion“, stellt sie fest. Die Augenzeugin beschreibt zwei Tendenzen unter den Demonstranten, die sie beobachtet hat:

„Da ist die Mehrheit, die einmal aus dem grünen Spektrum kam und sich heute als politisch heimatlos betrachtet und nach radikal demokratischen Lösungen sucht. Die Grünen waren ja mal eine Anti-System-Partei, die direkte Demokratie propagiert hat. Also links-offen und explizit nicht rechts.

In der zweiten Gruppe sind viele, die reale Existenzängste auf die Straße getrieben hat, Freiberufler, Arbeitslose — Leute, die nicht an jedem Ersten des Monats automatisch ihr Geld bekommen. Sie fühlen sich nicht gehört und belogen. Sie bezeichnen sich selbst als ‚unpolitisch‘ und sind offen für die AfD oder für linke Vorschläge — falls diese denn mal kommen würden.“

Das belegen auch die zehn Interviews in dem kurzen Film von Gaby Weber mit Frauen und Männern, die am 1. August in Berlin dabei waren. Darunter ist eine Frau, die nach eigener Aussage einst die Alternative Liste in West-Berlin mitgegründet hat. „Wo sind die Grünen?“, fragt sie enttäuscht in die Kamera. Auch die Ostberliner Ärztin Kerstin Wolf hat bei vielen Wahlen in den letzten Jahren grün gewählt. Das könne sie nun nicht mehr angesichts der Politik der Partei in der Corona-Krise. Wen sie nun wählen könne, wisse sie nicht mehr, sagte sie im Gespräch.
Aufstandsbekämpfung
Am Ende zeigt sich unter anderem an den Reaktionen aus der Politik und denen aus den tonangebenden privaten und öffentlich-rechtlichen Medien: Dieser Protest wie am 1. August ist nicht erwünscht, schon gar nicht in dieser Größenordnung. Dagegen werden viele Mittel in Anschlag gebracht, vom Strom- und Netzausfall und der Polizei, die sich nicht an Absprachen mit den Veranstaltern hält, bis hin zur Diffamierung und der Unterstellung, die Demonstranten seien „eine Gefahr, die eingedämmt werden muss“. Zu dieser Drohung verstieg sich einen Tag später Reinhard Müller, Redakteur der FAZ, in seinem Blatt.

Das Vorgehen gegen jene, die nicht einverstanden sind mit der Politik der Regierenden in der Corona-Krise und die vor deren Folgen warnen, zeigt zum einen die Verlogenheit der etablierten Politik. Wenn im chinesischen Hongkong Menschen auf die Straße gehen und aus verschiedenen Motiven gegen die dortige Politik protestieren, werden diese Demonstranten als „Freiheitskämpfer“ gefeiert. Bundesaußenminister Heiko Maas traf sich mit „Demokratie-Aktivist“ Joshua Wong aus der chinesischen Stadt, der hierzulande hofiert wird. Gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit sagte dieser bei seinem Deutschland-Aufenthalt 2019, Hongkong sei „das neue Berlin“:

„Und gerade weil die Deutschen besonders in Berlin für die Freiheit gekämpft haben, bitte ich die Deutschen um Hilfe in unserem Kampf.“

Sicher waren die hierzulande Regierenden und Herrschenden froh, dass Joshua Wong das nur im Vergleich mit der Zeit des „Kalten Krieges“ bis 1989 gemeint hat.
Während der eine, der sich im fernen Hongkong nach eigener Aussage für Demokratie und Freiheit einsetzt, hofiert und unterstützt wird, werden jene, die das im eigenen Land tun, mit vielen Mitteln bekämpft.
Dabei wird auch in die Kiste der Mittel und Methoden der Aufstandsbekämpfung gegriffen. Zu deren drei Kernstrategien gehört erstens die totale Informiertheit über die eigene Bevölkerung durch Überwachung und zweitens die Vernichtung der identifizierten gefährlichen Minderheit. Diese müsse „von der allgemeinen Bevölkerung separiert und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln eliminiert werden“. So beschreibt das der kritische US-amerikanische Rechtsanwalt Bernard E. Harcourt in seinem 2019 auf Deutsch erschienen Buch „Gegenrevolution — Der Kampf der Regierungen gegen die eigenen Bürger“. Die dritte Strategie ziele auf die Gefolgschaft der Gesamtbevölkerung:

„Es muss alles dafür getan werden, die Herzen und Hirne der passiven Mehrheit zu gewinnen. Deren Gefolgschaft und Loyalität — und letztlich ihre Passivität — sind das Allerwichtigste.“

Der Anwalt berichtet dabei anhand zahlreicher Beispiele nicht über China oder irgendein anderes Land, das im Westen als Diktatur bezeichnet wird, sondern über das vermeintliche „Mutterland der Demokratie“, die USA heute.
Verbindungen
Wer verstehen will, was um die Demonstration am 1. August in Berlin herum geschah und geschieht — vorher, während der Demo und danach — kommt nicht umhin, sich mit dem zu beschäftigen, was Harcourt beschreibt. Davon zeugt auch die Umfrage, die im Auftrag des Bertelsmann-Senders RTL ergeben haben soll, dass 91 Prozent der Bundesbürger kein Verständnis für die Demonstrationen gegen die Anti-Corona-Politik haben würden. Das ist zum einen sicher Folge der Angst- und Panikmache und zum anderen der Stimmungsmache gegen jene, die die auf dem Grundgesetz fußende bundesdeutsche Demokratie noch ernst nehmen, auf die sich ihre herrschenden Gegner in Sonntagsreden so gern berufen.

Es verweist zudem auf ganz andere Verbindungen im Hintergrund: RTL gehört zum Bertelsmann-Konzern, der im Besitz der Bertelsmann-Stiftung ist. Die wiederum meldet sich immer wieder mit Studien zu verschiedenen gesellschaftlichen Fragen zu Wort, auch zum Abbau der bundesdeutschen Krankenhausstrukturen.

Dem Stiftungsvorstand sitzt stellvertretend die Gründer-Witwe Liz Mohn vor, der wiederum nachgesagt wird, mit Kanzlerin Angela Merkel befreundet zu sein. 2009 bereits erklärte der damalige Vize-Regierungssprecher Thomas Steg laut Medienberichten, die Kanzlerin habe „eine sehr enge, vertrauensvolle Beziehung zur Familie Mohn“. Wer meint, das sei alles kein Zufall, läuft Gefahr, als „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert zu werden, wie es derzeit jenen geschieht, die die Anti-Corona-Politik von Merkel & Co. kritisieren.

Das führt mich nochmal zu den Protesten gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA in den Jahren 2015 und 2016: Damals lief die gleiche Kampagne gegen jene ab, die dieses Projekt von internationalen Großkonzernen und ihren politischen Helfershelfern kritisierten. Wer das tat, hatte mit Behauptungen wie denen zu kämpfen, dass der Protest gegen die Freihandelsabkommen Rechte und Linke vereine und antiamerikanisch, gar antisemitisch, fremdenfeindlich und nationalistisch sei. Das transportierten und verbreiteten vor allem Mainstream-Medien und deren Autoren, wie ich vor vier Jahren in einem Blogbeitrag schrieb.

Das Magazin Spiegel online veröffentlichte am 10. Oktober 2015 vor der Demonstration in Berlin einen „polemischen“ Kommentar von Spiegel-Hauptstadtreporter Alexander Neubacher. Darin wurde verleumdet und gehetzt, indem der Autor unter anderem behauptete, „bei den TTIP-Protesten sind die Rechten nicht Mitläufer, sondern heimliche Anführer“. Belege dafür gab es auch damals keine, aber diese verleumdenden und zielgerichtet gestreuten Vorwürfe an die Organisatoren des Protestes und die Protestierenden selber hielten sich weiter.

Stattdessen stellten das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und das Institut für Protest- und Bewegungsforschung (IPB) in einer Befragung unter den Teilnehmenden der Anti-TTIP-Demo 2015 in Berlin fest, diese seien „weder Querfront, noch Querschnitt der Bevölkerung“. Sie seien stattdessen mehrheitlich „links von der Mitte“ und hätten unter anderem oftmals hohe Bildungsabschlüsse. Den Teilnehmenden an der Demonstration 2015 sei es vor allem um Kritik an den Verfahren von TTIP und CETA sowie an der Macht der Konzerne gegangen.
Die Protestierenden gegen die Freihandelsabkommen seien „kritisch, aber loyal zur liberalen Demokratie“. Die Grenze zwischen links und rechts würde nicht verschwimmen, stellte damals IPB-Wissenschaftler Simon Teune von der Technischen Universität (TU) Berlin klar.
Am Schluss der Studie zur Demonstration vom 2015 heißt es:

„Angesichts der Größe der Demonstration bemerkenswert ist es allerdings auch, wie wenige Spuren der Protest in der medialen Öffentlichkeit hinterlassen hat. Zwar haben alle größeren Zeitungen und Nachrichtensendungen über die Demonstration berichtet, aber über die abgesehen von ihrer Größe wenig spektakuläre, friedlich und ohne Zwischenfälle verlaufene Demonstration wurde in den überregionalen Medien nicht ausführlich auf der Titelseite, sondern nur im Innenteil der Zeitungen berichtet.“
Gemeinsamkeiten
Das mag einer der wenige Unterschiede zur Demonstration vom 1. August dieses Jahres sein. Aber es ist auch ein altes Prinzip, dass das, was nicht sein soll, verleumdet und diffamiert wird, wenn es schon nicht verschwiegen werden kann. Es gibt noch eine Gemeinsamkeit, die mir nicht unwichtig erscheint: Wer vor fünf Jahren gegen die Freihandelsabkommen protestierte, tat das für Demokratie und gegen die Macht der Konzerne. Dazu gehörte bereits damals die Macht der Pharma-Konzerne und ihrer Lobby, die sich stark für TTIP und CETA einsetzten. Es sind die gleichen Kräfte, die heute die Corona-Krise nutzen, um mit Unterstützung der etablierten Politik ihre angekündigten Impfstoffe einer verängstigten und in Panik versetzten Bevölkerung aufzwingen wollen — bis hin zur Drohung, erst dann sei die Rückkehr zur Normalität möglich.

Dagegen zu protestieren, ist das demokratische Recht jeder und jedes Einzelnen. Das geschieht „friedlich, bunt und lustig“, wie es die Ärztin Kerstin Wolf beschrieben hat und wie es auf vielen Videos von der Demo am 1. August im Internet zu sehen ist. Das tun jene, denen der Zustand der Gesellschaft, in der sie leben, und der Zustand der viel beschworenen Demokratie nicht egal sind. Darunter sind auch Einige, die sich im Herbst 1989 in der DDR aktiv gegen eine alles kontrollierende Staatsmacht, die sich auf das Volk berief, für demokratische Veränderungen einsetzten.

Wirklich gefährlich sind heute wie damals nur jene, die gegen diesen Protest hetzen und ihn mit den verschiedensten Mitteln unterdrücken wollen, am Ende auch mit Polizeigewalt. Heute wie damals setzen diese Kräfte gegen die Interessen derer, auf die sie sich berufen, ganz andere Interessen durch, koste es, was es wolle. Dabei spielen zu viele Medien und Journalisten erneut leider keine gute Rolle. Sie sollten eigentlich jene wie die kritische Ärztin Kerstin Wolf und alle anderen, die Fragen und Zweifel zur Anti-Corona-Politik der Regierenden haben und friedlich demonstrieren, unterstützen, indem sie diese zu Wort kommen lassen und Antworten einfordern.



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Hans Springstein Hans Springstein ,Hans Springstein ist ein deutscher Journalist. In derzeit unregelmäßigen Abständen betreibt er privat den Blog „Argumente & Fakten“.
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Der Artikel ist erschienen bei :Rubikon-News

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