Donnerstag, 19. Juli 2012

„Europa greift nach unserm Geld“...

... lautete am 01.07.2012 die Schlagzeile bei „WELT ONLINE“

Jetzt berichtet Werner Vontobel bei  „freitag.de“
14.07.2012 | 09:00 26

Kauft euch glücklich
Grundkurs Viele Deutsche glauben, dass die Euro-Schuldenländer unser Geld wollen. Aber es ist genau umgekehrt. Eine Richtigstellung

Die Meinung in Deutschland steht fest: Die Euro-Südländer schaffen es nicht, ihren Staatshaushalt auszugleichen. Sie machen Schulden und wollen diese auf Deutschland abwälzen. Auf eine Schlagzeile verkürzt, lautet die Botschaft: „Geisel des Südens“ (Spiegel) oder „Europa will an unser Geld“ (Welt am Sonntag). Aus dieser Diagnose folgt logisch die Therapie: Die Südländer müssen ihre Schulden selber in den Griff kriegen, erst danach kann Hilfe von außen kommen. „Eine Voraussetzung für Solidarität ist Solidität“, sagt Jörg Asmussen, deutsches Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Doch leider ist diese Analyse und Therapie falsch. Sie ist die üble Frucht eines aus allen Zusammenhängen gerissenen Denkens und der Ignoranz der einfachsten volkswirtschaftlichen Grundregeln. Aus diesem Kuddelmuddel entstehen in Deutschland dann Schlagzeilen wie diese: „Europa greift nach unserem Geld.“
[…]
Wer greift da zu?
So gesehen, wird also tatsächlich nach „unserem Geld“ gegriffen. Doch wer genau greift zu? Die Schuldnerländer oder die Inhaber der wertlos gewordenen Forderungen? Reden wir zunächst von diesen: Gemäß dem Wealth Report der Credit-Suisse sind die Vermögen der deutschen Privatpersonen seit 2001 um 6.100 Milliarden Euro gestiegen. Davon entfallen nicht einmal drei Prozent auf die ärmere Hälfte, aber mehr als ein Viertel auf das reichste Prozent der Haushalte. Teil dieser 6.100 Milliarden sind auch die – inzwischen faul gewordenen – Forderungen gegenüber dem Ausland.
Das „Modell Exportweltmeister“ hat die Geldelite aber nicht nur auf Kosten des Auslands bereichert. Auch der deutsche Normalbürger wurde zur Kasse gebeten. Zwischen 1999 und 2009 (neuere Daten liegen nicht vor) ist sein Einkommen um 13 Prozent gesunken. Vom Exportboom profitiert hat nur das reichste Zehntel. Diese Umverteilung von unten nach oben ist zweifellos eine Folge der Lohnpolitik. Deren Zweck war es – zunächst mit „Lohnzurückhaltung“, dann mit der Schaffung eines Niedriglohnsektors –, Kostenvorteile im Export zu erringen. Die sinkenden Lohnstückkosten und steigenden Exportüberschüsse zeigen, dass diese Politik erfolgreich war. Dass jetzt die Verluste aus den faulen Auslandsguthaben auf die Steuerzahler abgewälzt werden sollen, ist die Krönung dieser Umverteilung.

Bitte lesen Sie den kompletten Artikel bei „freitag.de“, auch die Kommentare wie diesen:

„Cui bono?
Endlich ein Artikel, der die Interpretation der Finanzkrise vom Kopf auf die Füße stellt! Selbst die Kommentare in der BILD zum Thema zeigen eine kritische und empörte Leserschaft. Aber wem nutzt das alles? Wie ist die zunehmende Ausbeutung vieler zugunsten weniger zu verhindern? Das neoliberale System hat sich in den wichtigsten Wirtschaftsländern etabliert und das Geschwafel vom "selbstregulierenden Markt", vom "ständigen Wachstum" und der "wettbewerbsfördernden Privatisierung" dient lediglich dazu, dieses Ungleichgewicht weiter zu konsolidieren. Konnte man früher noch mit seiner Stimme bei Wahlen etwas bewegen, gehen heute viele erst gar nicht mehr hin. Egal ob CDU oder FDP oder SPD oder Grüne - alle Parteien dienen dem Finanzkapital, weil sie durch dieses finanziert werden. Und den echten Linken (Kommunisten) wurde über Jahrzehnte ein Image verpasst - auch von den Medien - dass es den deutschen Kleinbürger schon durch den Gedanken an sie wollüstig schaudert. 
So lange ihn die Reichen an den Trögen naschen lassen und ihm einmal im Jahr Mallorca gestatten, so lange ist's der deutsche Michel zufrieden. Mutter hat ihre Wellnesskur, Vater fährt seinen BMW - alles ist in Ordnung. Und die Armen da unten oder die Hungernden in Afrika oder die Toten in Syrien sind uns ja so fern und selber schuld.
Und ich kann an dieser Stelle meinem Herzen Luft machen - bloß wem nutzt es? Und was ändert es? Erst wenn es uns so schlecht geht wie den Menschen in der Sahelzone, besinnen wir uns vielleicht, aber dann fehlt uns die Kraft zur Veränderung. Auch der Alkoholiker braucht oft erst seinen Tiefpunkt, um über Veränderungen nachzudenken, allerdings kann es dann schon zu spät sein.
Literaturempfehlung: David Harvey. Kleine Geschichte des Neoliberalismus. Rotpunktverlag“. 

Sollen wir deshalb verzweifeln?
Auf gar keinen Fall! Nicht solange in diesem Trauerspiel unsere Regierung von diesen ferngesteuerten Marionetten gespielt wird und jeder von denen, der eine Sprechrolle ergattert hat, auch nocht meint ein Kabarettist zu sein.
Das betrifft nicht nur schwarz/gelb, rot/grün ist keinen Deut besser!


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