Thema:
Bargeldverbot
Indiens Feldzug gegen das Bargeld
Die USA ziehen die Fäden
Die Abschaffung der am weitesten verbreiteten indischen Banknoten im November traf vor allem die Armen im Land. Nun zeigt sich: Hinter dem Schock-Experiment stehen einflussreiche Strippenzieher aus Washington, die dem Bargeld weltweit den Kampf angesagt haben.
Die Einrichtung ökonomischer Versuchslabore hat in der US-Politik eine lange Tradition. Als der Neoliberalismus, entwickelt von Milton Friedman und seinen Chicago Boys, auch in der Praxis getestet werden sollte, wurde dem lateinamerikanischen Land Chile die zweifelhafte Ehre zuteil, als Versuchskaninchen für jenes Modell zu dienen, das später zur global dominierenden Wirtschaftsideologie werden sollte.
Mit dem zuvor gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende wäre das Experiment allerdings nicht durchsetzbar gewesen. Heute ist belegt, wie die CIA den Putsch gegen den Sozialisten orchestrierte und den Militär Augusto Pinochet an die Macht brachte. Pinochet war offen für den Umbau der chilenischen Gesellschaft nach neoliberalem Muster: Privatisierungen, Einstampfen der Sozialsysteme, Senkung der Löhne und weniger Steuern für Reiche. Dass Pinochet nebenbei auch noch zahlreiche politische Gegner foltern und ermorden ließ, nahm Washington dabei bewusst in Kauf.
Heute muss die neoliberale Ideologie nicht mehr getestet werden, kaum noch ein Land kann sich der Agenda der Marktkonformität entziehen. Doch längst wurde zudem ein neues ökonomisches Gesellschaftsexperiment ersonnen, für das jüngst eine groß angelegte Pilotstudie anlief. Das Projekt lautet Abschaffung des Bargelds und die Rolle, die Chile in den 1970ern innehatte, hat heute Indien unternommen. Anders als im Falle Allendes geht Indiens Premierminister Narendra Modi bei der Durchführung des Versuchs jedoch gerne zur Hand und muss nicht erst weggeputscht werden. Am 8. November 2016 verkündete der Regierungschef im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht die Abschaffung der wichtigsten Banknoten im Land und versetzte der indischen Wirtschaft damit einen Schock.
Einiges wurde bereits geschrieben über Indiens "Feldzug gegen die Korruption", wie vor allem Mainstreammedien den Schritt gerne bezeichnen. Doch wie der Finanzjournalist Norbert Häring recherchiert hat, kommt die Idee eher aus Washington als aus Neu Delhi. Denn nur knapp vier Wochen vor Modis Verlautbarung, dass rund 85 Prozent des in Indien zirkulierenden Geldes fortan wertlos sein werden und dieses nur noch für begrenzte Zeit bei Banken eingezahlt oder getauscht werden kann, verkündete die US-Entwicklungshilfeorganisation USAID in einer Pressemitteilung die Gründung einer Partnerschaft mit Indien, um genau jenes Anliegen umzusetzen. Getauft wurde das Projekt auf den wohlklingenden Namen Catalyst. Schon in der Überschrift der Pressemitteilung heißt es:
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USAID startet Catalyst, um das bargeldlose Bezahlen in Indien voranzubringen.
Wie Häring weiter herausgefunden hat, taucht die verräterische Pressemitteilung zur Gründung von Catalyst jedoch nicht – oder nicht mehr – auf der Übersichtsseite von USAID auf. Nur wer gezielt nach der Meldung sucht, kann sie finden. Bereits Anfang 2016 stellte USAid zudem die Studie "Beyond Cash" vor. Auch hier drehte sich alles um Wege zur Bargeldabschaffung. Nicht besonders erfreut heißt es in der Analyse:
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Händler und Konsumenten sind in einem Cash-Ökosystem gefangen, das ihr Interesse [an bargeldlosen Verfahren] hemmt.
Dass ein solcher Schritt ernsthafte Auswirkungen haben kann, mussten vor allem die Armen in Indien am eigenen Leibe erfahren. Viele einkommensschwache Menschen in Indien verfügen nicht einmal über ein Bankkonto. Die Notwendigkeiten des täglichen Lebens werden fast ausschließlich mit Bargeld bestritten. Besonders wichtig sind dabei der nun eingestampfte 1.000-Rupien-Schein, der in etwa einem Gegenwert von 13 Euro entspricht, und der 500- Rupien-Schein, der nun ebenfalls aus dem Verkehr gezogen wird.
Dass ein solcher Schritt ernsthafte Auswirkungen haben kann, mussten vor allem die Armen in Indien am eigenen Leibe erfahren. Viele einkommensschwache Menschen in Indien verfügen nicht einmal über ein Bankkonto. Die Notwendigkeiten des täglichen Lebens werden fast ausschließlich mit Bargeld bestritten. Besonders wichtig sind dabei der nun eingestampfte 1.000-Rupien-Schein, der in etwa einem Gegenwert von 13 Euro entspricht, und der 500- Rupien-Schein, der nun ebenfalls aus dem Verkehr gezogen wird.
Mit dem Entzug des wichtigsten Zahlungsmittels des Landes wurde auch den kleinen Händlern und Gewerbetreibenden ein schwerer Schlag versetzt. Lieferungen können nicht mehr bezahlt werden, überall kommt es zu Engpässen, das Land steht am Rande des Chaos. Hinzu kommen lange Schlangen und teils Tumulte vor den Bankfilialen, die vom Ansturm der vielen Menschen überfordert sind, die versuchen, ihr Geld in noch gültige Banknoten umzutauschen.
Begründet hat Indiens Premier Modi den Schritt im Übrigen mit denselben Argumenten, die hierzulande schon herhalten mussten, um die Abschaffung des 500-Euro-Scheins oder das Verbot von Barzahlungen jenseits der 5.000-Euro-Marke voranzutreiben. Es gehe natürlich nur um den Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung, so die Begründung. Dass im gleichen Atemzug einzelne Gemeinden jedoch bereits zum "bargeldlosen Dorf" erklärt wurden, sollte ebenso zu denken geben wie die Verstrickungen US-amerikanischer Anti-Bargeld-Initiativen in die Angelegenheit. Wenig Scham kennt Modi auch, wenn er kurz nach der Abschaffung der Scheine schicke Apps zum digitalen Bezahlen vorstellt. Kein Zweifel: Hier soll ein Geldsystem umgebaut und möglichst weitführend digitalisiert werden. Jedoch nicht zum Selbstzweck, sondern als großer Menschenversuch, bevor die Agenda im globalen Maßstab angewendet werden wird.
Der Besitz von Gold, welches neben Silber traditionell die Rolle als Krisenwährung einnimmt, wenn staatliche Systeme versagen, wurde kurz nach Modis Bargeldreform ebenfalls stark reglementiert. Zwischen 100 und 500 Gramm dürfen Inder künftig nur noch besitzen, zudem können Beamte leichter vermeintlich nicht versteuertes Edelmetall konfiszieren. Ein weiteres sicheres Zeichen dafür, dass der Zahlungsverkehr in Indien möglichst nur noch elektronisch vonstattengehen soll.
Für die zahlreichen Kritiker der Anti-Bargeld-Agenda ist die Frage nach Schein oder Bytes nicht bloß eine Geschmacksfrage. Mit dem Ausbau digitaler Bezahlsysteme geht auch der Ausbau weiterer Überwachungsmöglichkeiten seitens des Staates oder durch Unternehmen einher. Der Verbraucher wird zum gläsernen Kontosklaven, jede Transaktion wird bis in alle Ewigkeit gespeichert. Oppositionellen kann recht einfach der Saft abgedreht werden, die Schlinge der Totalüberwachung wird fester gezogen. Bargeld hingegen bedeutet immer auch ein Stück Freiheit, so die Verteidiger der Banknoten und Münzen. Eine Freiheit, die der indischen Bevölkerung genommen wurde, wobei gleichzeitig viel Leid angerichtet wurde. Da größere Gegenwehr in der Bevölkerung bislang jedoch ausgeblieben ist, kann das Experiment aus Sicht der Versuchsleiter wohl als Erfolg gewertet werden.
Quelle: RT-Deutsch
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