Thema:
Internetsicherheit
32C3:
Chaos Computer Club attackiert Bundesregierung
Auf dem Kongress des Chaos Computer Club griffen die Sprecher der Hackervereinigung, Frank Rieger und Constanze Kurz, Bundeskanzlerin Merkel mit scharfen Worten an. Im Umgang mit der Sicherheit von Daten begebe sich die Bundesregierung auf das Niveau von "Consultant-Spinnern", warf Rieger der Kanzlerin vor. Constanze Kurz bezeichnete den designierten Leiter des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm, als "Cyberclown".
Im Jahr 2010 in Berlin hatte die Veranstaltung 4000 Besucher. Heute kommen in Hamburg 12000 Hacker und Häxen zusammen.
Der jährliche Kongress des Chaos Computer Clubs bietet die Bühne für harte Kritik an der Bundesregierung. Zu der Veranstaltung, die in 2015 vom 27. bis 29. Dezember zum 32. Mal stattfand, versammelten sich in Hamburg über 12.000 Besucher. Auf ihrer Jahresbilanz griffen die Hacker die Bundesregierung mit scharfen Worten für ihre IT-Politik an.
Frank Rieger, seit vielen Jahren einer der bekanntesten Sprecher der Organisation, kritisiert, die deutsche Regierung setze sich nicht ausreichend für den Schutz von sensiblen Daten ein. Im Gegenteil erlebe man gegenwärtig, dass Regierungsvertreter die Begrifflichkeiten von "Consultant-Spinnern" übernehmen, wenn es um den Schutz großer Datenmengen geht. So habe Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr den Begriff "Datenreichtum" übernommen. Ursprünglich stammt das Wort vom Unternehmen für Wirtschaftsberatung KPMG.
Laut Frank Rieger besteht die konkrete Gefahr, dass auch im kommenden Jahr wieder große Mengen an sensiblen und sogar intimen Daten gestohlen werden. Er verwies auf dramatische Fälle im vergangenen Jahr, als etwa die kompletten Personaldateien der US-Bundesregierung, einschließlich der Ergebnisse von Tests mit Lügendetektoren, von Unbekannten entwendet wurden. Angesichts des aktuellen Stands in der Informationstechnik seien solche Fälle nicht zu verhindern, befürchtet Rieger.
Auch CCC-Sprecherin Constanze Kurz kritisiert, die Bundesregierung würde sich zunehmend weniger für den Schutz von kritischen Daten einsetzen. Stattdessen erlebe man immer häufiger verbale Angriffe auf Datenschützer, etwa bei der Rede von Angela Merkel vor dem Verband der deutschen Verleger. Die "Ideologie vom Datenreichtum" stehe eindeutig im Interesse der Industrie und vernachlässige das Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger. Auch andere Mitglieder des Kabinetts seien im vergangenen Jahr auf die "Linie der Industrie" eingeschwenkt. Konkret nannte Constanze Kurz hier Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Verkehrsminister Alexander Dobrindt.
Der CCC sieht eine "grundsätzlich neue Agenda" bei deutschen Regierungsvertretern. Während die "Menge und die Sensibilität der Daten steigt", vernachlässige die Bundesregierung jede Auseinandersetzung mit dem Thema. "Beim jetzigen Zustand der Informationstechnik", argumentierte Frank Rieger, sind große Datenverluste "unvermeidlich".
Im Jahr 2014 hatte der CCC zusammen mit anderen Organisationen eine Anzeige gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen geheimdienstlicher Massenüberwachung und Strafvereitelung im Amt gestellt. Dies bezog sich auf die fehlende Aktivität der Regierung gegen die massenhafte Überwachung durch den amerikanischen Geheimdienst NSA. Zwar habe man im Juli endlich eine Antwort vom damaligen Generalbundesanwalt erhalten. Diese habe jedoch keinerlei konkrete Auskunft über die erhobenen Vorwürfe enthalten, berichten die CCC-Sprecher nun auf dem Kongress.
In diesem Zusammenhang verwies der CCC auch auf die unklare Rolle des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Eigentlich bestehe die Aufgabe der Behörde darin, die Bürger vor unberechtigtem Zugriff auf ihre Daten zu schützen. CCC-Sprecherin Kurz verwies heute in Hamburg auf Veröffentlichungen des Online-Magazins Netzpolitik, die zeigen, dass das BSI zusammen mit dem Innenministerium an Software arbeitet, um die Bürger zu überwachen. Zwar behauptete das Amt öffentlich, es gebe "keine Zusammenarbeit" bei dem Staatstrojaner. Neue Dokumente zeigen jedoch, dass das BSI die Weisung erhalten hatte, eine solche Betätigung öffentlich geheimzuhalten.
Auf dem Podium griff Constanze Kurz nun ebenfalls Pläne der Bundesregierung an, Arne Schönbohm zum neuen Leiter des BSI zu ernennen. Bisher habe die Frage der technischen Qualifikation als Kriterium für die Anstellung "immerhin eine Rolle" gespielt, argumentierte die Informatikerin, die darauf verwies, dass es sich bei Schönbohm um einen Ökonomen handelt. Zudem sei dies der Sohn des prominenten CDU-Mitglieds und ehemaligen Brandenburger Innenministers, Jörg Schönbohm. "Da sollten Journalisten auch mal nachfragen", wünscht sich Constanze Kurz von den zahlreichen anwesenden Journalisten. Sie bezeichnete den designierten Leiter des BSI in diesem Zusammehang als "Cyberclown".
Constanze Kurz und Frank Rieger erneuerten auf dem Kongress ihren Aufruf zur "digitalen Selbstverteidigung". Aufgabe von Gesetzgebern und Programmierern müsse es sein, die Verschlüsselung und die Anonymität von digitaler Kommunikation zu gewährleisten. An diesem Punkt hebe sich Deutschland positiv von anderen Gesellschaften ab, gestanden die Hacker-Aktivisten zu. So habe es vonseiten der Industrie die "klare Ansage" gegeben, dass die End-zu-End-Verschlüsselung wichtig ist. Das Land sollte sich einen "weltweit führenden Status bei der Verschlüsselung" erarbeiten, empfiehlt Rieger. Leider sei dies in anderen Ländern nicht der Fall, wo "Staatsinteressen vor Wirtschaftsinteressen" stehen. Ausdrücklich kritiserte Rieger die USA, Frankreich und Großbritannien. Die sind "auf dem absteigenden Ast, was die Demokratie betrifft", so Frank Rieger.
Der 32. Kongress des Chaos Computer Club findet seit gestern in Hamburg statt. In Deutschland hat der Verein der ethischen Hacker mindestens 6000 Mitglieder. Die Veranstaltungen werden durchgängig dokumentiert. Die einzelnen Workshops sind größtenteils online abrufbar.
Quelle: RT-Deutsch
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