Thema:
Talkshow
TV-Kritik zu "Anne Will"
"Islam österreichischer Prägung"
Referendum in Ungarn, Integration in Österreich, Hass auf Muslime in Deutschland: Anne Will konnte mit ihrem aktuellen Talkshowdampfer die Donau flussaufwärts schippern. An Deck saß mehr Einigkeit, als die Besatzung hätte vermuten lassen.
Die Gäste
- Peter Györkös, ungarischer Botschafter
- Sebastian Kurz (ÖVP), österreichischer Außenminister
- Lamya Kaddor, islamische Religionslehrerin
- Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen
- Cathrin Kahlweit, Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Wien
Will formulierte die Ausgangsfrage: "Wird Islamfeindlichkeit in Europa salonfähig?" Zwar sei Viktor Orbáns Referendum an der Wahlbeteiligung gescheitert, die Volksabstimmung ungültig. Dennoch halte der ungarische Premier Kurs. Man wolle keine Fremden, keine Männer die "unsere Frauen vergewaltigen". So beschrieb Will die aktuelle Stimmung in Ungarn. Ein Bild, das Kahlweit bestätigte. Sie bezeichnete Orbáns Pläne als "eine Kampagne, die das Land abschotten soll". Wills Frage, ob Ungarn fremdenfeindlich sei, beantwortete sie mit einem klaren "Ja". Die Fährte für die Diskussion war gelegt.
Die Fronten
Györkös wollte das Bild vom ungarischen Fremdenfeind nicht stehen lassen. Er betonte, es gehe nicht um die Frage, ob Flüchtlinge aufgenommen werden sollten, sondern wer über die Aufnahme entscheide. Die EU oder Budapest. Kahlweit konterte, zum Referendum seien viele Ungarn nicht gegangen, weil die EU-Zwangsverteilung ohnehin vom Tisch sei. Beunruhigend fand sie, dass 98,2% von denen, die abstimmten Orbáns Plan von ungarischer Selbstbestimmung teilten. Es sei nicht seriös, dass der ungarische Premier sich populistisch "zwischen den Wahlen" der Zustimmung "seiner Bevölkerung rückversichern" wolle, so Özdemir. Viele seien "nicht glücklich mit der EU-Politik", sagte dagegen Kurz. Das sei eine gefährliche Situation. Kaddor betonte, es bedürfe verstärkter Aufklärung vor Ort. Es müssten die Beweggründe für Flucht analysiert werden.
Aufreger des Abends
Wenn in Europa "nicht langsam verständnisvoller miteinander umgegangen" werde, dann "wird das europäische Projekt scheitern", so Kurz. Der junge Politiker lief von Anfang an auf hohem Takt, versuchte energisch zu überzeugen. "Ich bin ganz bei ihnen", sagte Özdemir. "Echt? Das hätte ich nicht gedacht", ließ Will fallen. Gelächter im Studio. Die Herausforderungen in Europa könnten nicht "mit dem Nationalstaat" beantwortet werden, so der Grüne. Die Diskussion wurde hitziger. "Darf ich darauf antworten?" forderte Györkös. Man unternehme viel. Zum Beispiel habe man in den ersten acht Monaten des Jahres 26.000 legale Asylanten aufgenommen. Wenn man am Grenzzaun Flüchtlinge niederknüpple vermittele das ein anderes Bild, so Kaddor.
Will-Moment
Warum der Islam nicht zu Ungarn passe, fragte Will den ungarischen Diplomaten immer wieder. Dieser betonte konstant, es gehe um komplexe Verteilungsmechanismen; nicht Abschottung, sondern Ordnung. Eingeblendete Zitate Orbáns zum Islam ließen Györkös kalt. Will wich auf Kahlweit aus: "Tun wir den Ungarn unrecht, Cathrin?" "Nein", antwortete die. Systematisch werde von Politikern in "Roadshows" die Kampagne gefahren, Muslime passten nicht nach Ungarn. Andererseits könnten Wohlbetuchte sich eine Aufenthaltsgenehmigung in Ungarn kaufen. Leider schafften es beide Journalistinnen nicht, Györkös mehr aus der Reserve zu locken.
Höhepunkt des Abends
Das war der emotionale Bericht von Kaddor über braune Hassbotschaften, Anfeindungen, Angst um ihre Schutzbefohlenen. "Wie soll ich so unterrichten?" fragte sie und es kamen ihr fast die Tränen. Hass, nur weil sie sagte, "die Deutschen" hätten "eine Bringschuld" in der Integration. Integration verlange Respekt von allen. Kurz stimmte dem zu. "Da gibt es mehr was wir tun müssen", sagte er. Er berichtete vom "Islam österreichischer Prägung", einem Islamgesetz, etwa mit verstärkter Kontrolle der Ausbildung von Islamlehrern in Österreich. Zuspruch kam vom Sitznachbarn: Özdemir betonte, wie wichtig es sei, radikale islamische Bildungsströmungen abzuschneiden.
Was bleibt
Was Europa ausmache, versuchte der Grüne zum Schluss auf den Punkt zu bringen: die Menschen, nicht "wo sie herkommen", sondern "wo sie hinwollen". Leitmotiv Europas sei die Aufklärung. Kurz daneben nickte. Statt schwarz-weiß zu malen, sollte sich Europa an die Bewältigung der Krisen machen, legale Wege nach Europa schaffen. So hole man auch die osteuropäischen Länder wieder ins Boot. Der bürgerlich-grüne Meinungsfluss im Studio sprudelte. Integration sei ein Geben und Fordern so Kurz. "D’accord" ließ Özdemir verlauten. Kahlweit versuchte zwar, Kurz und dessen österreichische Integrationspolitik in ein anderes Licht zu rücken. Das gelang ihr aber nicht. Auch klarere österreichische Kante gegen Ungarns Referendumspolitik konnte sie Kurz nicht abringen. Györkös konnte sich da schon entspannt zurücklegen. Eins tröstete: denen, die in der Runde saßen mochte man nicht unterstellen, sie wollten die europäische Idee in den Donauwellen ertrinken lassen.
... und wie immer wenn keine politisch korrekten Antworten erwartet werden:
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Quelle: t-online.de
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