Den Schulterschluss mit uns allen vollzieht Bill direkt: „2021 war
ein unglaublich hartes Jahr für viele Menschen, mich eingeschlossen.“ Na gut, der eine oder andere von uns wird das vielleicht als übergriffig empfinden, schließlich ist Bill nicht wegen seines zwei Jahre geschlossenen Schmalzkuchenstandes insolvent, aber vielleicht sind wir ja doch alle nur Menschen und lesen das gern, dieses mitschwingende „Wir sitzen doch alle in einer Jacht“.
Jedenfalls war Bill, wie wir, auch sehr bekümmert, wie er schreibt.
Wegen Melinda. Und weil die Kinder alle ausgezogen sind, zum Studieren,
und er jetzt ganz allein ist in seinem Reihenhaus. Und weil er so oft
nur telekonferieren konnte. Außer bei seinen dauernden Ausflügen mit dem
Privatjet, nach Glasgow und so. Aber Flugbenzin ist auch teurer
geworden, das geht ja nicht spurlos an einem vorbei. Wer kennt den
nicht, diesen Kummer, diesen 2021er Katzenjammer. „Unglaublich hart.“
Für Bill, für uns. Und doch, wir dürfen hoffen, mit ihm,
„zuversichtlich, dass 2022 besser sein wird“.
Au ja. Wieso denn? Na, vor allem, weil die Pandemie 2022 vorbei ist:
„Ich bin aber guter Hoffnung, dass das Ende endlich in Sicht ist.
Es mag töricht sein, eine weitere Vorhersage zu treffen, aber ich
denke, dass die akute Phase der Pandemie irgendwann im Jahr 2022 zu Ende
gehen wird.“
Na, Gott sei Dank! Eine klitzekleine Einschränkung folgt allerdings:
„In ein paar Jahren, so hoffe ich, werden Sie nur noch bei der
allgemeinen COVID- und Grippeimpfung im Herbst wirklich an das Virus
denken müssen.“
„Sie“ muss man hier im „Allgemeinen“ also durchaus kleingeschrieben
lesen, denn das gilt ja offenkundig nur für sie, nicht für die, also die
anderen, die sich der allgemeinen Behandlung, vulgo Pflichtimpfung
nicht anschließen möchten. Aber gut, für „sie“, die Abonnenten, ist ab
2022 alles in bester Butter, einmal im Jahr wird doppelgeimpft, bei
Bedarf auch öfter, und zwar ohne die noch 2021 bestehenden logistischen
Problemchen:
„Jetzt, da die mRNA gut etabliert ist, werden wir in Zukunft in
der Lage sein, sichere und wirksame Impfstoffe superschnell zu
entwickeln.“
Das hätten wir also geklärt. Update einmal pro Jahr, der User
registriert im Internet of Bodies (IoB), und schon ist die weitere
Teilhabe des Einzelnen an Bills Lizenzprogramm Leben gesichert.
Unregistrierte sind raus. Oder eben drin, in Quarantäne oder Lager.
Mission accomplished.
Darüber sollte der große Vorsitzende nun eigentlich jubeln, aber als
Macher ruht man sich ja nicht auf irgendwelchen Lorbeeren aus, sondern
betrachtet Triumphe bescheiden — und sieht überall
Verbesserungsmöglichkeiten. Angemessen ungeduldig:
„Die Verbesserung war nicht so dramatisch, wie ich gehofft hatte.
Im Jahr 2021 starben mehr Menschen an COVID als im Jahr 2020. (...) Ich
habe nicht vorhergesehen, dass eine so hochgradig übertragbare Variante
auftauchen würde, und ich habe unterschätzt, wie schwierig es sein
würde, die Menschen davon zu überzeugen, sich impfen zu lassen und
weiterhin Masken zu tragen.“
Hier besteht also noch großer Optimierungsbedarf:
„Beim nächsten Mal wird die Welt viel schneller bereit sein,
billige und einfache Mittel wie Masken einzusetzen, und die Regierungen
werden besser verstehen, wann und wie sie aufwändigere Strategien wie
Lockdowns einsetzen können, (...) Quarantäneverfahren und
Reisebeschränkungen.“
Richtig. Das hatten wir ja fast überlesen vor lauter Freude über die 2022 beendete Pandemie.
„Beim nächsten Mal.“ Denn nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Und
bei dieser haben wir nicht annähernd so entschlossen reagiert, wie wir
es hätten tun können, nein, müssen.
Die Watsch‘n haben wir uns daher redlich verdient:
„Die Welt hatte die Chance, in Instrumente und Systeme zu
investieren, die die COVID-19-Pandemie hätten verhindern können, und wir
haben sie nicht genutzt. Jetzt ist es an der Zeit, aus unseren Fehlern
zu lernen und Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass sich diese
schreckliche Erfahrung jemals wiederholt.
Die gute Nachricht ist, dass die Welt nicht mehr davon überzeugt
werden muss, dass die Verhinderung einer Pandemie wichtig ist. Ich bin
zuversichtlich, dass wir breite Unterstützung für die Pandemievorsorge
erhalten werden, und ich werde viel Zeit damit verbringen, mich dafür
einzusetzen. Das ist die größte und wichtigste Aufgabe, an der ich im
Jahr 2022 arbeiten werde. Ich schreibe derzeit an einem Buch, das
irgendwann im nächsten Jahr erscheinen wird und in dem ich meinen Plan
darlege, wie ich sicherstellen kann, dass COVID-19 die letzte Pandemie
ist.“
„Ich“ meinen Plan darlege, wie „ich“ sicherstellen kann? Nicht mal
mehr „wir“, wie noch im April 2020, diesem „wir werden 7 Milliarden
Menschen impfen?“. Jetzt also „ich“ im Sinne von du, Bill?
Ja, wer denn sonst?
„Nach dem, was ich in den letzten Jahren gesehen habe, bin ich
besorgter denn je betreffend die Fähigkeit von Regierungen, große Dinge
zu bewirken.“
Prima. Da sind du und wir, wenn wir uns unsere neue Regierung so
anschauen, natürlich ganz einer Meinung, aber Bill meint es dann doch
noch ein bisschen anders. Denn unsere Regierungen haben nicht nur bei
der Pandemiebekämpfung und der Pandemievorsorge (Pandemic Preparedness)
weitgehend versagt, sondern auch bei der Bekämpfung von Desinformation
(Zensur), denn Desinformationen zum Beispiel über nur vorläufig
zugelassene Gentherapien sind verheerend für die reibungslose
Planetensicherheit:
„Wie ich bereits erwähnt habe, dachte ich, dass die Nachfrage
nach Impfstoffen viel höher sein würde, als sie es in Ländern wie den
Vereinigten Staaten war.
Es ist klar, dass Desinformation (einschließlich
Verschwörungstheorien, in die leider auch ich verwickelt bin) (sic)
einen erheblichen Einfluss auf die Bereitschaft der Menschen hat, sich
impfen zu lassen. Dies ist Teil eines größeren Trends zum Misstrauen
gegenüber Institutionen, und es ist eines der Themen, die mir auf dem
Weg ins Jahr 2022 am meisten Sorgen bereiten. (...)
Die sozialen Medien haben eine große Rolle bei der Verbreitung
von Fehlinformationen gespielt, die die Menschen misstrauisch gegenüber
ihren Regierungen machen. (…) Ich meine, dass die Regierungen regeln
müssen, wofür man soziale Medien nutzen kann und wofür nicht.“
Moment, einen im Sinn: Regierungen traut Bill ja nicht mehr zu, große
Dinge zu bewirken, und so sind seine Vorschläge zu verstehen als
solche, die man nicht ablehnen kann:
„Warum könnte unsere Regierung also nicht neue Regeln aufstellen,
um sie vor den greifbarsten Schäden zu schützen, die durch soziale
Medien entstehen? (…) Es ist machbar und wirklich wichtig, dass dies
geschieht. Ein Video, in dem fälschlicherweise behauptet wird, dass der
COVID-19-Impfstoff unfruchtbar macht, sollte nicht unter dem Deckmantel
der Aktualität weit verbreitet werden dürfen.“
Beim Schutz der Menschen vor Informationen kann es keine roten Linien
geben. Zensur ist ein Grundrecht. Es geht schließlich um alles.
Aber Bill hat sich für 2022 nicht nur auf die Fahne geschrieben, im
Alleingang die Welt von allem Seuchenunheil zu befreien („wie ich
sicherstellen kann, dass COVID-19 die letzte Pandemie ist“), sondern
auch für geeignete Rahmenbedingungen zu sorgen. Wozu er, wie er ja
bereits im Vorjahr ankündigte, das Weltklima umbauen und retten wird.
Dabei kommt er gut voran, er hat „die Programme ‚Breakthrough Energy
Catalyst‘ und ‚Fellows‘ ins Leben gerufen, um die Finanzierung, die
Produktion und den Kauf neuer sauberer Energietechnologien zu
unterstützen“; mit dem Ziel, wie in seinem jüngsten Buch (4) ausgeführt:
Zero 2050, also Nullemissionen, Unmengen neuer kleiner Atomkraftwerke
in jedem Vorgarten (Betaversionen gehen immer), Global Dimming mittels
Schwefelinjektionen in die Stratosphäre — das macht Bill alles vor dem
Frühstück:
„Der Grund dafür, dass ich mich zuversichtlich genug fühlte,
unsere Bemühungen so stark auszuweiten, waren die unglaublichen
Fortschritte, die ich bei Breakthrough Energy Ventures gesehen habe, wo
wir jetzt über 70 erstaunliche Unternehmen unterstützen.“
Das Erfolgsrezept des Philantrokapitalimus findet hier fröhlich
eskalierend fortgesetzte Anwendung: Man gründe Stiftungen, entziehe
mittels Spenden Milliarden andernfalls fälliger Zahlungen (in Form von
Steuern) der Gemeinschaftskasse, unterstütze mit dem Spendengeld eigene
NGOs und Firmen und vermehre die der Gemeinschaft entzogenen Milliarden
so abermals in die eigenen Taschen. Konsequent, denn von Regierungen ist
ja eh nichts Großes mehr zu erwarten, das erste „P“ in „Public Private
Partnership“ diene übergangsweise noch als Feigenblättchen, kann dann
aber demnächst auch weg.
Bei seiner Rettung der Welt im Alleingang vor Viren und allem
Kohlenstoff übersieht Bill, stets weitsichtig und verantwortungsvoll,
natürlich nicht, dass insbesondere das Zurückfahren der Weltwirtschaft
auch in seinem Lieblingslabor Afrika gravierende Folgen haben wird und
erkennt:
„Das wird den Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem
Einkommen große Probleme bereiten, wenn wir nicht jetzt Maßnahmen
ergreifen, um ihnen zu helfen.“
Stimmt. Am besten, indem man sie wirtschaftlich unabhängig macht,
ihnen ihre Rohstoffe angemessen bezahlt und ihnen vor allem die
Zinszahlungen erlässt, die dafür sorgen, dass unsere gesammelte
jährliche Entwicklungshilfe binnen 14 Tagen wieder in unseren eigenen
Kassen landet? (5)
Nein.
„Zum Beispiel durch die Entwicklung neuer Kulturpflanzen, die produktiver sind und Wetterveränderungen standhalten können.“
Exzellent. Monsanto/Bayer lässt grüßen (6). Denn wir hatten ja bei
unserem dauernden „Thank you for your leadership“ in allen Pandemie- und
Klimafragen fast vergessen, wofür des weltgrößten Landwirtes (7) Bills
Stiftung den gigantischen Löwenanteil ihre Budgets investiert. In
Bildungsprogramme, ja, auch, erst recht aber in Projekte zur Entwicklung
der Landwirtschaft: Seit dem Gründungsjahr 2000 belaufen sich die
Investitionen der Stiftung hierfür auf gigantische 53,8 Milliarden
Dollar (8), schließlich ist der Schlüssel zur Weltherrschaft nicht die
Kontrolle über Gesundheit und Klimaausstoß jedes Einzelnen, sondern die
Kontrolle seiner Versorgung mit Lebensmitteln.
Vor der Geninjektion mag der Einzelne sich noch verstecken können und
auf einem abgelegenen Acker Reis aus selbstgewonnenem Saatgut züchten.
Aber mit Bills patentierten Kulturpflanzen endet auch dies. Ohne Update
keine Ernte. Ohne Ernte kein Leben.
Der Anwendung des Microsoft-Geschäftsmodells auf alle Bereiche des
Lebens sind offenkundig keine Grenzen gesetzt. Ohne Office-Abo kann
keine Behörde mehr existieren, ohne Gentherapie-Abo kein Bürger, ohne
Saatgut-Abo kein Mensch.
Dass zur endgültigen Kontrolle allen Lebens die totale
Digitalisierung weiter vorangetrieben werden muss, versteht sich dabei
von selbst und ist auf Bills „To-Do-Liste“ für 2022 nur mehr verlockend
am Rande erwähnt. Der hochtourige Umbau des Bildungssystems in die
No-Touch-Future kommt gut voran, tatsächliche Begegnungen von Schülern
und Lehrern entfallen, und die totale Kontrolle des Lernverhaltens und
Lernstandes der jungen Schützlinge durch den Algorithmus ergibt sich en
passant. Wer während des Unterrichtes mal austreten muss, hatte ja
früher auch seinen Lehrer um Erlaubnis zu bitten, ab morgen bittet er
halt sein ihn permanent im elektronischen Auge behaltendes iPad auf dem
Schreibtisch daheim.
Des Schülers nebenan digitale Zettel sortierenden Eltern stehen Bill
zufolge erst recht sonnige Zeiten bevor, denn nicht nur dürfen sie
klimaschonend den Rest ihres Lebens im Home Office zubringen, sondern
telearbeiten hier mittels „Zweitscreen“ dennoch weiterhin unter den
Blicken all ihrer so geschätzten Großraumbürokollegen. Es geht doch
nichts über menschliche Nähe, und in der Abteilung „Petzen und
Denunzieren“ wird sich auch weiterhin jeder Algorithmus eine Scheibe von
Frau Müller abschneiden können. Zumal die sich ja so ein paar
Bonuspunkte verdienen kann, beim Social-Score-Bingo.
Aber schön wird‘s. Und bunt. Und 3D. Weiß Bill.
„Ich prophezeie, dass in den nächsten zwei oder drei Jahren die
meisten virtuellen Meetings von 2D-Kamerabildrastern — ich nenne es das
Modell der Hollywood Squares, auch wenn ich weiß, dass ich damit
wahrscheinlich veraltet bin — in das Metaversum, einen 3D-Raum mit
digitalen Avataren, übergehen werden.“
Dem Himmel sei Dank. Als Avatar ertragen wir dann ja sogar die Müller.
Zuletzt, auch hier hat Bill alles im Blick, bleibt die Fürsorge für
den krankgeschrieben nicht anwesenden Büro-Avatar, denn Gesundheit geht
ja weiterhin über alles. Zum Arzt muss der Kollege natürlich zukünftig
nicht mehr, allenfalls in die Apotheke nebenan: „Wie wäre es, wenn Sie
Ihr Blut an einem bequemen Ort in Ihrer Nähe testen lassen könnten —
vielleicht in Ihrer örtlichen Apotheke — und die Ergebnisse direkt an
Ihren Arzt geschickt würden?“ Das wäre: super. Und auch der Rest der
schönen neuen TeleHealth:
„Was wäre, wenn Sie ein Gerät zu Hause hätten, das Ihr Arzt aus
der Ferne steuern könnte, um Ihren Blutdruck zu messen? Was wäre, wenn
er oder sie die von Ihrer Smartwatch gesammelten Daten einsehen könnte,
um zu sehen, wie Sie schlafen und wie hoch Ihre aktive Herzfrequenz
ist?“
Phantastisch.
Da wollen wir abschließend nicht verschweigen, dass Bill in seinem
busy Kalender morgens zwischen circa 6 und 6.30 Uhr auch noch ein
HIV-Präventionsmittel hat entwickeln lassen (Islatavir), und förmlich
gleichzeitig auch noch den Sieg gegen Alzheimer auf den Weg bringt,
sprich:
„Es besteht eine gute Chance, dass der erste erschwingliche
Bluttest für die Alzheimer-Früherkennung im nächsten Jahr zugelassen
wird.“
Wohlgemerkt: Heilung ist da zwar ausdrücklich nicht zu erwarten, aber
sicher der frühe Einsatz von wunderbaren monoklonalen Antikörpern schon
lange vor jedem ersten Symptom der Erkrankung. Es geht doch nichts über
lebenslange Abonnements, vom Virus bis zum früh erkannten, in 70 Jahren
kommenden Dachschaden, von der Wiege bis zur Bahre.
Was bleibt? Der Eindruck, dass unser von allen Frauen, Kindern und
Geistern verlassene Leader uns weiter mit seinem aberwitzigen Fleiß
beglücken wird.
Nicht nur als Pandemiebekämpfer droht uns irreversibel
Lebensveränderndes durch Bill, seine Ambitionen gehen weit über diesen
Nebenschauplatz hinaus, denn die Pandemie, „eine der am wenigsten
tödlichen Pandemien, die die Welt in den letzten 2000 Jahren erlebt
hat“, so Klaus Schwab (9), da dürften Bill und Klaus sich einig sein,
stellt ja nur den Beginn einer neuen Zeitrechnung dar.
Was früher „nach C“ im Sinne von „Christi“ bedeutete, ist nun „nach
Corona“ (10). C ist also nur das Ende vom Anfang, denn: „Es steht außer
Frage, dass die Pandemie gewaltige, dauerhafte Veränderungen mit sich
bringen wird, die erst nach Jahren vollständig verstanden werden
können“, wozu Bill abschließend seinen guten Freund Yuval Harari („Homo
Deus“) zitierend bemüht: „Die Menschen haben normalerweise Angst vor
Veränderungen, weil sie das Unbekannte fürchten.“
Hier aber ist Bill abschließend, ganz bei uns, tatsächlich viel zu bescheiden. Denn er ist ja nun wahrhaftig kein Unbekannter.