Thema: Ukraine
tagesschau.de
Günstlingswirtschaft in der Ukraine -
Stand: 18.12.2014
Dubiose Firmenübernahmen, fragwürdige Karrieren, fehlende Reformen in wichtigen Bereichen: Die Zustände in der Ukraine sind auch unter der neuen Regierung weit entfernt vom Idealzustand. Und Nutznießer sind meist die Oligarchen.
Von Jan Pallokat, ARD-Hörfunkstudio Warschau
Die Ukraine hätte neue Finanzhilfen aus dem Westen "schon gestern" gebraucht, sagte Premierminister Arseni Jazenjuk dieser Tage. In der EU aber wachsen die Zweifel daran, ob die bereits gezahlten Hilfen überhaupt dort ankommen, wo sie hingehören.
Eine begründete Furcht, sagt die Kiewer Politologin Viktoria Podgornaja: "Der Westen sieht, dass sich bei uns nichts ändert. Unsere Gesellschaft sieht die Dinge auch kritisch. Wir haben ein sehr spezifisches ökonomisch-politisches System hier. Der Begriff ist allgemein bekannt: Kleptokratie. Früher nannte man Staaten wie Nigeria oder Kongo so, heute unser Land. Das ist sehr traurig – weil es stimmt."
Das Ausmaß an Korruption und Vetternwirtschaft lässt sich naturgemäß schwer abschätzen, aber es gibt starke Indizien, dass beide nicht aus der Ukraine verschwunden sind. Einige spektakuläre Fälle, etwa die vermutliche Unterschlagung eigentlich fürs Militär bestimmter Gelder, machten ukrainische Journalisten publik; fragwürdige Karrieren, Günstlinge aus dem persönlichen Umfeld der neuen Machthaber, sind ebenfalls wieder erkennbar.
Vor allem aber erlebt die Ukraine derzeit eine ganze Kette höchst dubioser Firmenübernahmen, die ohne Korruption kaum möglich wären. Traditionell läuft das über eine käufliche Justiz und korrupte Behördenleiter, die verkaufsunwillige Unternehmer drangsalieren. Darüber hinaus kommen aber jetzt auch die Privatbataillone der Oligarchen zum Einsatz, die eigentlich für den Krieg im Osten gebildet wurden, sagt Andri Semiritschko vom Verein "Geschäftsleute gegen räuberische Übernahmen". Oligarchen rissen sich derzeit um die Überbleibsel aus dem Firmenimperium rund um den nach Russland geflohenen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch und verklärten ihre Raubzüge als Fortführung der Revolution. "Das ist jetzt ganz modern, von Patriotismus zu reden", sagt Semiritschko, "und revolutionäre Losungen zu verkünden wie 'Wir holen nur zurück, was diese Verbrecher gestohlen haben.'"
Ein Name taucht bei diesen Vorgängen immer wieder auf, der des Dnjepopetrowsker Oligarchen Igor Kolomojski. Milliardär Kolomojski ist als Hauptfinanzier des Kriegs im Osten und wichtigster Verbündeter der neuen Regierung außerhalb Kiews. Viele unterstellen den pro-westlichen Parteien im Kiewer Parlament, selbst Vehikel von Oligarchen wie Kolomojski zu sein wie auch die einzige Oppositionspartei "Block der Oppositon".
Politologin Podgornaja glaubt, nur jeder zehnte Abgeordnete sei wirklich ausschließlich seinem Gewissen verpflichtet. Und: "Auch unser Präsident gehört zur oligarchischen Klasse. Diese Leute wollen keine Änderungen." Auch westliche Experten kommen zu interessanten Schlussfolgerungen. Dass nämlich echte Reformen gerade dort nicht stattfinden, wo sie die Oligarchen betreffen. Im Bereich Energie, bei den Steuern - die großen Konzerne zahlen keine.
Überall da, wo die Großaktionäre bereit stehen, die Oligarchen, finden Änderungen nicht statt. Auf Staatspräsident und Milliardär Poroschenko wird derweil die Gründung des neuen Informationsministeriums zurückgeführt, das angeblich gegen russische Propaganda vorgehen soll, selbst von Wohlmeinenden hingegen als potenzielle Zensurbehörde kritisiert wird. Dabei kontrollieren Poroschenko und seine Oligarchen-Kollegen schon jetzt alle wesentlichen ukrainischen Medienkanäle, was auch dazu führt, dass eine kritische Diskussion der hier beschriebenen Zustände im Land selbst kaum noch stattfindet.
Quelle und weitere Kommentare tagesschau.de
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Günstlingswirtschaft in der Ukraine -
Die Macht der Oligarchen
Stand: 18.12.2014
Dubiose Firmenübernahmen, fragwürdige Karrieren, fehlende Reformen in wichtigen Bereichen: Die Zustände in der Ukraine sind auch unter der neuen Regierung weit entfernt vom Idealzustand. Und Nutznießer sind meist die Oligarchen.
Von Jan Pallokat, ARD-Hörfunkstudio Warschau
Die Ukraine hätte neue Finanzhilfen aus dem Westen "schon gestern" gebraucht, sagte Premierminister Arseni Jazenjuk dieser Tage. In der EU aber wachsen die Zweifel daran, ob die bereits gezahlten Hilfen überhaupt dort ankommen, wo sie hingehören.
Günstlinge aus dem persönlichen Umfeld
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Das Ausmaß an Korruption und Vetternwirtschaft lässt sich naturgemäß schwer abschätzen, aber es gibt starke Indizien, dass beide nicht aus der Ukraine verschwunden sind. Einige spektakuläre Fälle, etwa die vermutliche Unterschlagung eigentlich fürs Militär bestimmter Gelder, machten ukrainische Journalisten publik; fragwürdige Karrieren, Günstlinge aus dem persönlichen Umfeld der neuen Machthaber, sind ebenfalls wieder erkennbar.
Ein Name taucht immer wieder auf
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Ein Name taucht bei diesen Vorgängen immer wieder auf, der des Dnjepopetrowsker Oligarchen Igor Kolomojski. Milliardär Kolomojski ist als Hauptfinanzier des Kriegs im Osten und wichtigster Verbündeter der neuen Regierung außerhalb Kiews. Viele unterstellen den pro-westlichen Parteien im Kiewer Parlament, selbst Vehikel von Oligarchen wie Kolomojski zu sein wie auch die einzige Oppositionspartei "Block der Oppositon".
"Auch unser Präsident gehört zur oligarchischen Klasse"
Politologin Podgornaja glaubt, nur jeder zehnte Abgeordnete sei wirklich ausschließlich seinem Gewissen verpflichtet. Und: "Auch unser Präsident gehört zur oligarchischen Klasse. Diese Leute wollen keine Änderungen." Auch westliche Experten kommen zu interessanten Schlussfolgerungen. Dass nämlich echte Reformen gerade dort nicht stattfinden, wo sie die Oligarchen betreffen. Im Bereich Energie, bei den Steuern - die großen Konzerne zahlen keine.
Überall da, wo die Großaktionäre bereit stehen, die Oligarchen, finden Änderungen nicht statt. Auf Staatspräsident und Milliardär Poroschenko wird derweil die Gründung des neuen Informationsministeriums zurückgeführt, das angeblich gegen russische Propaganda vorgehen soll, selbst von Wohlmeinenden hingegen als potenzielle Zensurbehörde kritisiert wird. Dabei kontrollieren Poroschenko und seine Oligarchen-Kollegen schon jetzt alle wesentlichen ukrainischen Medienkanäle, was auch dazu führt, dass eine kritische Diskussion der hier beschriebenen Zustände im Land selbst kaum noch stattfindet.
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Kommentare
Am 18. Dezember 2014 um 09:43 von spom
Endlich! Ein wichtiger Bericht. Aber erst jetzt, nachdem die EU schon Milliarden nach Kiew gezahlt hat,nachdem wir für Kredite bürgen. Jetzt, nachdem wir einen Wirtschaftskrieg mit Russland begonnen haben. Übrigens gerade heute streiken in Kiew die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe weil sie schon seit September keine Löhne mehr erhalten haben.
Am 18. Dezember 2014 um 09:45 von Wollux
Ich hatte es ja vermutet ... ..., freue mich aber trotzdem nicht, dass ich recht hatte! Vielleicht bringt es unsere Regierung jetzt endlich mal fertig, diese fragwürdige Regierung in Bezug auf Reformen unter Druck zu setzen! Die Duldsamkeit gegenüber diesen Leuten hatte ja schon etwas unterwürfiges - und entsprechend dreist sind die ja auch aufgetreten, wenn sie als Handpuppen der USA den Europäern quasi Anweisungen geben wollten, wo es denn lang zu gehen habe. Gut, dass die mittelosteuropäuschen Staaten nun auch Reformen verlangen und Waffenlieferungen verweigern!
Am 18. Dezember 2014 um 09:48 von Royal Palm Estate
Das deckt sich mit eigenen Erfahrungen in der Ukraine Wer in der Aufzählung fehlt ist Chan Achmetow. Was ist aus ihm geworden, seit der getürkten Propaganda-Show, wo man uns das volle Stadion von Schachtjor Donetsk gezeigt hat, in dem aber nur ein paar hundert seiner Angestellten saßen, die geschickt für die Kameras positioniert waren? Ich war selbst bis 2008 öfter in der Ukraine und habe schon damals die alltägliche Korruption zu spüren bekommen. Wie ist das zum Beispiel, wenn man eine Routine-Operation in Dollars bezahlt und vorher schnell auch noch der Anästhesist abkassiert, damit man wieder aufwacht? Alltag bis heute, wie meine Bekannten in der Ukraine versichern. Was die Oligarchen und ihren politischen Einfluss angeht und die organisierte Kriminalität wie zum Beispiel die Nefta Mafia in Odessa, da müssen sich nicht wenige Oligarchen sagen lassen, das da ein Zusammenhang besteht, denn deren legale Geschäfte fungieren als Geld-Waschmaschinen. Ich denke, die EU hat keine Ahnung, was in der Ukraine wirklich läuft.
Am 18. Dezember 2014 um 09:53 von Zweifelnder
Bitte.... unbedingt weiter unterstützen und auf jeden Fall in die EU holen. Diese Leute haben das kapitalistische System wenigstens voll verstanden und eiern nicht irgendwie sozial herum. Das sind immerhin die Verteidiger unserer hochgelobten Werte !! (Ironie aus)
Am 18. Dezember 2014 um 09:56 von Gogolo
Endlich Endlich mal ein Bericht, der darstellt was wirklich in der Ukraine passiert! Und natürlich haben diese Oligarchen auch die Gebiete im Osten in ihrem Fokus und wollen auch dort absahnen. Jetzt wird endlich einmal deutlich, warum und für wen ein Krieg in der Ostukraine wirklich nützlich ist! Und der Westen ist so dumm und stellt dafür auch noch Geld und sonstige Unterstützung zur Verfügung! Dieser TS-Artikel sollte Pflichtlektüre für unsere Bundesmutti, Berufs- und Amateuraussenpolitiker und Hurrah-Schreiern in den Foren sein. Danke TS, für diese Offenheit, die ich schon lange vermisst habe.
Am 18. Dezember 2014 um 09:57 von No pasaran
Man sollte wissen... ... das die heftigste Zensur in der Ukraine jetzt schon stattfindet. Kritische Sender, vor allem aus Russland, werden einfach verboten. Die Firmen, die Zugang zu den andersdenkenden Medien anbieten, werden eingeschüchtert oder sogar verklagt und per Gerichtsverordnung geschlossen. Die unerwünschten Journalisten werden ständig attackiert und abgeschoben. Die Ukrainer werden sogar offiziell aufgerufen, keine Interviews den nicht-ukrainischen Medien zu geben, weil die dann für die feindliche Propaganda "missbraucht" werden könnten. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Von der ersehnten Redefreiheit ist das alles so ziemlich weit entfernt.
Am 18. Dezember 2014 um 09:57 von Kikaninchen
Weihnachten auf tagesschau.de Ich bin regelrecht platt über soviel Offenheit. Lebt die Vierte Gewalt im Staate etwa doch noch?
Am 18. Dezember 2014 um 09:58 von 4Buchstaben
Die blauen Bände sind wirklich kein Neuland. Diese Zustände prognostizierte bereits Karl Marx. Diese sind die logische Weiterentwicklung für eine Gruppe von Menschen die sich nach der Perestroika skrupellos am sogenannten Volksvermögen bedient haben. Es sind mafiöse Strukturen die auch noch aus Steuergeldern demokratischer Länder fianziert werden. Vielen Dank Frau Merkel.
Am 18. Dezember 2014 um 09:59 von Milena
Treffende Beschreibung "Oligarchen rissen sich derzeit um die Überbleibsel aus dem Firmenimperium rund um den nach Russland geflohenen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch und verklärten ihre Raubzüge als Fortführung der Revolution. "Das ist jetzt ganz modern, von Patriotismus zu reden", sagt Semiritschko, "und revolutionäre Losungen zu verkünden wie 'Wir holen nur zurück, was diese Verbrecher gestohlen haben.'" Die ganze Politikerriege, die in Kiew war und jetzt sitzt, ohne Ausnahme seit der Unabhängigkeit, waren und sind Mafiosi. Doch bezeichnenderweise gibt es ca. 40 Milliardäre in der Ukraine. Das heißt, dass die Ukraine kein armes Land ist, sondern es gibt sehr viel Geld dort. Es ist leider sehr ungleich verteilt, ähnlich wie jetzt in Deutschland. Laut Jazenjuk ist der ukrainische Staat bankrott. Ja, warum denn nur? Wenn jeder der Kiewer Politiker auch nur ein bisschen seines Reichtums, so 2 - 3 % abgäbe, wäre der ukrainische Staat absolut schuldenfrei, genauso das Gleiche in Griechenland.
Am 18. Dezember 2014 um 10:00 von Franz.Graumann
was soll man da noch zu schreiben.... die Ukraine ist in der EU angekommen, herzlichen Glückwunsch!
Dieser Beitrag entstand mit Hilfe von Klaus
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