Mit Israel wird die Doppelmoral auf die Spitze getrieben
Mit Israel wird die Doppelmoral auf die Spitze getrieben
Von Peter Haisenko
Kanzler Scholz: Israel sei ein Land, "das sich den Menschenrechten, das sich dem Völkerrecht verpflichtet fühlt und auch so handelt." Bei mittlerweile 15.000 Toten Zivilisten in Gasa muss es sich um eine völlig neuartige Interpretation des Völkerrechts handeln.
1938 hatten die USA und England einem Beschluss des Völkerbunds zugestimmt, der ausdrücklich das vorsätzliche Bombardement von Zivilpersonen verbot. Nur ein Jahr später, am 4. September 1939, hat England mit der Bombardierung der Stadt Wilhelmshafen gezeigt, was es von solchen Abmachungen hält. England hat damit angefangen, Zivilisten zu bombardieren und die USA haben später mitgemacht. Hunderte deutsche Städte sind zerstört worden mit einer Unzahl an toten Zivilisten. Nach wie vor gilt durchgängig im Völkerrecht, dass Zivilisten nicht bombardiert werden dürfen. Ich erinnere an Nordkorea, Vietnam, Libyen und den Irak. Und jetzt eben Gasa, das zwar von Israel bombardiert wird, aber auch Israel dafür nicht angeklagt wird. Nur die UNO selbst spricht zaghaft Mahnungen aus. Kanzler Scholz hingegen attestiert Israel völkerrechtliches Handeln.
Darf man da davon ausgehen, dass für Deutsche und Palästinenser in den Augen der westlichen Führungsmächte der Schutz des Völkerrechts nicht gilt? Ebenso wenig, wie für Russischsprachige im Osten der Ukraine? Von denen im Verlauf der letzten neun Jahre mindestens 14.000 Zivilsten im Raum Donezk durch den Beschuss der Kiewer Mörder umgekommen sind? Dieselbe Zahl an toten Palästinensern war schon nach wenigen Wochen in Gasa übertroffen und Kanzler Scholz sagt dazu nur: "Und deshalb sind die Vorwürfe, die gegen Israel da erhoben werden, absurd. Und daran kann es gar keinen Zweifel geben." Scholz bezog sich auf den türkischen Präsident Erdogan, der Israel "Faschismus-Vorwürfe" gemacht hatte. Scholz sagte das anlässlich einer Pressekonferenz mit dem griechischen Ministerpräsident Mitsotakis am 14.11.2023.
Rache sieht das Völkerrecht nicht vor
Wären das nicht schon genügend Beweise für die Doppelmoral des Westens, wird es noch deutlicher, wenn wir Israel mit der Ukraine vergleichen. Seit Jahrzehnten wirft Israel Bomben auf Gasa ab. Das wird immer mit Vergeltung für Angriffe der Palästinenser begründet. Aber müsste es nicht korrekterweise "Rache" genannt werden und die erlaubt das Völkerrecht auch nicht. Nicht einmal Vergeltung, wenn sie auf unschuldige Zivilisten gerichtet ist.
Aktuell rechtfertigt sich Israel mit der Behauptung, in jedem der tausenden getroffenen Objekte würden sich Hamas-Kämpfer aufhalten. Das wird vom Wertewesten nicht angezweifelt und so bleiben massiver Protest oder gar Sanktionen aus. Mittlerweile gibt es kein funktionsfähiges Krankenhaus mehr in Gasa. Ach ja, auch in Krankenhäusern befinden sich Hamas-Kämpfer. Aber wie war es da mit der einzigen Universität in Gasa? Die wurde pulverisiert. Wasser und Strom? Nur, wenn es die Herren in Israel gnädig und tröpfchenweise genehmigen. Die UN bezeichnet auch das als Völkerrechtswidrig, Scholz nicht. Der Spiegel hat bereits 1989 darüber berichtet, dass Israel Palästinensern den Schulbesuch verboten hatte. Palästinensern wird also Bildung systematisch schwer gemacht, verweigert. Völkerrecht?
Link zu einem Beitrag vom 09.07.1989, 13.00 Uhr • aus DER SPIEGEL 28/1989 Thema: PALÄSTINA Strafe für Schule
Nun stelle man sich vor, Russland würde die größte Universität in Kiew pulverisieren. Oder Krankenhäuser. Israel behauptet immer, Hamas-Kämpfer würden sich hinter Zivilisten verstecken und deswegen darf man auch diese Zivilisten angreifen. Der Westen nickt und schweigt. Was war das aber für ein Gezeter, als Russland ein Hotel mit Café gesprengt hat? Ein Hotel, in dem sich nachweislich Söldner und andere Militärs labten? Ach nein, das geht ja gar nicht! Bewiesenermaßen hat sich das Kiewer Militär mit seinen schweren Waffen in Wohngebieten und neben Krankenhäusern und Kindergärten versteckt, verschanzt. Gab das Russland das Recht, gezielt dorthin zu schießen? Ach nein, das geht ja gar nicht! Dass sich Hamas-Kämpfer hinter Zivilisten verstecken, behauptet Israel. Ob das auch stimmt, wird nicht überprüft. Dass sich aber die Kiew-Soldaten in Wohngebieten verschanz haben, ist belegt durch unzählige Videos, wird aber einfach abgeleugnet.
Kiew und Israel handeln immer moralisch integer
Erinnert sich noch jemand an die abscheulichen Videos, als Kiews Soldaten hilflosen, gefesselten und verletzten gefangenen Russen in die Knie schossen, sie folterten und ermordeten? Wo war der Aufschrei? Ach nein, das waren ja nur Russen. So, wie es auch nur Russen sind, russische Zivilisten, die immer noch täglich durch den ukrainischen Beschuss in Donezk ihr Leben oder zumindest ihre Gesundheit verlieren. Was für ein Gezeter aber, wenn weniger als zehn ukrainische Zivilisten durch zumeist fehlgeleiteten Raketenbeschuss von militärischen Objekten ums Leben kommen. Ganz schlimm, wenn ein Kind dabei ist. Und in Gasa?
Die offiziellen Zahlen der UN sagen folgendes: Im Durchschnitt sind in Gasa jeden einzelnenTag 130 tote Kinder zu beklagen, in der Ukraine weniger als eines. Unklar ist dabei, ob die UN da die toten Kinder einrechnen, die durch den Beschuss der Kiew-Soldaten auf Zivilisten in Donezk verursacht werden. In Gasa sind 38 Journalisten getötet worden und mittlerweile mehr als 100 UN-Mitarbeiter. Auf der Pressekonferenz der Bundesregierung wollte sich die Sprecherin dazu nicht äußern, verweist aber darauf, dass Russland einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine führt. Zumindest der Norden des Gasa-Streifens ist mittlerweile in die Unbewohnbarkeit bombardiert worden. In wenigen Wochen haben 15.000 Zivilisten ihr Leben verloren, darunter 4.000 Kinder, und das ist kein Vernichtungskrieg? Jedenfalls, wenn man dem Narrativ unserer Regierung folgen möchte. Ach ja, Israel hat ja das Recht auf Selbstverteidigung.
Akzeptable und inakzeptable Drohungen mit Atombomben
Erinnern wir uns noch, wie Putin persönlich vorgeworfen wurde, er würde mit dem Einsatz von Atombomben drohen? Obwohl er das nie getan hat, der böse Putin. Vor einigen Tagen hat Netanjahu die Hisbollah gewarnt, dass jede Ausweitung des Krieges zu einer militärischen Reaktion führen würde, die "unvorstellbar" sei. Diese Formulierung kann nur eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen bedeuten. Solch verrücktes Gerede über den Einsatz von Atomwaffen wurde während eines Radiointerviews von Amihai Eliyahu, einem der Kabinettsminister von Netanjahu, offen geäußert. Später tadelte Netanjahu seinen Minister dafür, aber die Zurechtweisung schien nur der Scheinwahrung gegenüber der Öffentlichkeit gedient zu haben. Gab es gegenüber Netanjahu oder seinem Minister ähnlich scharfe Töne wie gegenüber Putin? Ach ja, Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung. Offensichtlich beinhaltet dieses Recht auch das Recht zum Völkermord an Palästinensern. Und nein, diese Formulierung "Völkermord" stammt nicht von mir, sondern wurde in Kreisen der UN so ausgesprochen.
Israel hat bekanntgegeben, dass es die totale Kontrolle über Gasa einnehmen wird. Nach der vollständigen Vernichtung aller Hamas-Kämpfer. Aus dem Westen gibt es dazu keine kritischen Kommentare. Nicht einmal die Frage, wie festgestellt werden soll, dass alle Hamas-Kämpfer eliminiert sind. Das würde nämlich definieren, wann die Kampfhandlungen gegen Gasa eingestellt werden. Und was ist mit der Autonomie Gasas? Wenn aber Russland als Ziel angibt, die mörderischen Asow-Brigaden, die nazistischen Banderisten, ausschalten zu wollen, dann gibt es dafür kein Verständnis, um es vorsichtig zu formulieren. Die Asow-Brigaden, die nachweislich zum Beispiel in Mariupol hunderte Zivilisten einfach ermordet haben. Die aus der Stadt flüchtende erschossen haben.
Und das Gas und das Öl
Aber worum geht es Israel eigentlich? So, wie es aussieht, soll auch Gasa vollständig von Palästinensern "gereinigt" werden. Aus Israel waren schon Töne zu hören, Deutschland sollte alle Palästinenser aufnehmen. Gut, das wäre eine Lösung für Israel, natürlich auf Kosten Deutschlands. Aber worum geht es wirklich? Da gibt es ein Gas- und Ölvorkommen vor Gasa. Angeblich das größte bekannte. Vor Tel Aviv ein kleineres. Nun stelle man sich vor, wie Gasa zu einem neuen Kuwait oder Dubai werden könnte, sobald dieses Gas gefördert wird. War schon Beirut mit seiner Schönheit (bis 1976) ein Dorn im Auge Israels, das zerstört werden musste, weil Tel Aviv da nie heranreichen kann, so kann Israel es nicht zulassen, dass es den Palästinensern in Gasa besser gehen könnte, als den Israelis selbst.
So wird in Palästina so gehandelt, wie wir es auch von Kiews Selenskij kennen. Und von England und den USA. Was wir nicht haben, nicht beherrschen können, wird zerstört. Siehe Dresden, das London nicht in seiner Schönheit Stalin überlassen wollte. Oder eben so, wie Kiew dafür sorgt, dass von den Städten, die sie den neuen Republiken überlassen müssen, nur Ruinen übrig bleiben sollen. Vom nördlichen Gasa ist jetzt schon kaum noch etwas übrig, außer einem Trümmerfeld inklusive der Universität. Die ehemaligen Einwohner sollen sich jetzt den sowieso schon knappen Wohnraum im Südteil mit den Menschen dort teilen, ohne Universität. Und immer unter dem Damoklesschwert leben, dass sie elementare Lebensbedürfnisse nur erhalten, wenn Israel es ihnen gnädigerweise zugesteht.
Vergessen wir nicht, Russland liefert immer noch vertragsgemäß Gas in die Ukraine, - und weiter nach Deutschland - weil Russland keinen Krieg gegen die ukrainische Bevölkerung führt. Schon gar nicht einen Vernichtungskrieg. Israel hingegen führt auch nach eigenen Angaben einen Krieg gegen die Bevölkerung des Gasa-Streifens, denen schon das Menschsein abgesprochen worden ist. Aber vielleicht liege ich da ja falsch, denn unser Kanzler muss es ja besser wissen: "Und deshalb sind die Vorwürfe, die gegen Israel da erhoben werden, absurd. Und daran kann es gar keinen Zweifel geben." Ach ja, die Vorgaben des RKI bezüglich Corona und "Impfung" durften auch nicht angezweifelt werden.
Noch ein Wort zum Recht auf Selbstverteidigung für Israel und allgemein
Vor dem "National Press Club of Australia" hat die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese klargestellt, was das "Recht auf Selbstverteidigung" aus völkerrechtlicher Sicht bedeutet - mit Israel und dem Gasastreifen als Beispiel:
"Artikel 51 der UN-Charta, auf den sich Israel beruft, ist nicht nur ein Recht auf Verteidigung.
Selbstverteidigung ist im Völkerrecht ein juristischer Begriff und bedeutet das Recht, einen Krieg zu führen - das Israel nicht hat!
Und das ist die gefestigte Rechtsprechung des höchsten Rechtsorgans der UNO.
Und mir ist klar, dass die Praxis davon abweichen kann - wie zum Beispiel die USA im Irak.
Aber das Gesetz bleibt das Gesetz, und das müssen wir befolgen.
Das Recht auf Selbstverteidigung kann also geltend gemacht werden, wenn ein Staat von einem anderen Staat bedroht wird, aber das ist hier nicht der Fall. Israel hat nicht behauptet, von einem anderen Staat bedroht zu werden!
Es wurde von einer bewaffneten Gruppe in besetztem Gebiet bedroht.
Und auch die Behauptung, dass der Krieg zwischen Gaza und Israel stattfindet, ist nicht korrekt, denn Gaza ist keine eigenständige Einheit, sondern Teil des besetzten Gebietes.
Israel kann sich nicht auf das Recht zur Selbstverteidigung gegen eine Bedrohung berufen, die von dem von ihm besetzten Gebiet ausgeht."
Dieser Beitrag erschien zuerst am 16. November 2023
bei
AnderweltOnline
und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Autors.