Die neue Friedensordnung
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Die neue Friedensordnung
Sobald es Deutschland gelingt, sich von den kriegstreiberischen
Fremdeinflüssen aus Übersee zu emanzipieren, kann es auf einen Frieden
mit Russland und ganz Europa hinarbeiten.
von
Karolin Ahrens
Der Westen zeigt mit ausgestrecktem Finger auf Russland. Dabei
übersieht er die restlichen drei Finger der Hand, die auf ihn selber
zeigen. Bekanntlich solle derjenige, der ohne Sünde sei, den ersten
Stein werfen. Demnach müsste der Wertewesten — allen voran Deutschland —
augenblicklich die Steine niederlegen. Abgesehen davon, dass die Steine
Russland gar nicht treffen, sondern eher auf den Werfer zurückprallen,
kann es sich der Westen nicht erlauben, mit derartiger Überheblichkeit
Russland zu verurteilen. Zu massiv sind die eigenen Verfehlungen in
Sachen der Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und Wahrung der
Menschenrechte. In Moskau werden die europäischen Staaten indes als
wenig souverän, als unter der Knute Washington stehend betrachtet.
Besonders negativ sticht hierbei Deutschland und dessen Status der
Souveränität hervor. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag — der dem
wiedervereinigten Deutschland seine Souveränität zubilligen sollte — ist
an einigen Stellen mit Fragezeichen zu versehen. Sich diesen
ungeklärten Punkten zu widmen, könnte die Grundlage für eine neue
Friedensordnung in Europa darstellen.
Das schönste Andenken, das wir seinerzeit von unserer
Russlandreise mitbringen konnten, war eine handbemalte
Matrjoschka.
Die Matrjoschka-Puppen stehen sinnbildlich für die Werte Familie,
Mütterlichkeit, Tradition und Zusammenhalt. Die ineinander gesetzten
Puppen stehen ganz gegenständlich für Frauen, die Kinder auf die Welt
bringen und für die nächste Generation sorgen. Dabei sind die Ahnen und
ihre Vorgängerinnen elementarer Bestandteil ihres Seins. Damit stehen
die Matrjoschka-Puppen auch für Geborgensein, Sicherheit und
Beständigkeit. Dafür, dass es immer weiter geht und man nicht allein
ist.
Unsere politisch Verantwortlichen führen indes einen (Wirtschafts)krieg gegen Russland, mit dem im Ergebnis nur dem eigenen Land geschadet wird.
Begleitet von Medien, die auch bei dem Ukraine-Krieg ihr Unvermögen zur
objektiven Berichterstattung zur Schau stellen und sich eher als
Propagandasprachrohr als als neutraler Berichterstatter präsentieren. Es
scheint sich hier bedauerlicherweise nicht wirklich etwas zum Positiven
verändert zu haben — unsere Medien dienen insbesondere weiterhin der Kriegstreiberei. Inwieweit sind auch Zugehörigkeiten zu sogenannten transatlantischen Bündnissen, in denen sich eine Vielzahl von Journalisten befinden, überhaupt mit der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung vereinbar? Ebenda sogenannte „Young leaders Programme von Atlantik-Brücke und Weltwirtschaftsforum“?
Die These — dass sich zumindest ein Teil der Medienlandschaft und der
politisch Verantwortlichen — nicht der freiheitlichen, demokratischen
Grundordnung verpflichtet sehen, lässt sich gut an der
Medienberichterstattung zur veröffentlichten Rede Putins unter anderem am 30. September 2022 verdeutlichen. Es finden sich erfreulicherweise auch auszugsweise Übersetzungen.
Je nach „Haltung“, politischer Motivation und Ideologie werden dem
Leser weit überwiegend jedoch nur entsprechend persönlich eingefärbte
Pamphlete präsentiert. Ein an der Objektivität interessierter Leser ist
mithin gehalten, die Rede selbst übersetzen zu lassen. Auch, weil das
Vertrauen in die Medien spätestens nach Corona nachhaltig erschüttert
ist.
Putins Blickwinkel und westliche Propaganda
Denn für die sogenannten Mainstream-Medien und ihre entsprechenden
Plapperblasen ist klar, dass Russland einen Angriffskrieg führt. Putin
beruft sich hingegen auf die UN-Charta
und sieht seinen Einmarsch in die Ukraine als gerechtfertigt an. Klar
sein dürfte, dass die Sach- und Rechtslage derzeit kaum zutreffend
beurteilt werden kann, denn die Aufarbeitung des Sachverhalts ist
hierfür notwendige Bedingung. In diesem Kontext wäre eine objektive
Berichterstattung Kernaufgabe der Medien und sicher nicht juristische
völkerrechtliche Bewertungen. Mainstream-Medien berichteten vor einigen
Jahren selbst von ukrainischen Nazis, die die Ost-Ukraine säubern,
vom Aufmarsch der Rechtsextremisten. Verharmlosen also westliche Medien
tatsächlich die rechtsextremen Kräfte in der Ukraine, die Putin nach
eigenen Aussagen bekämpft?
Die Lage ist mithin einigermaßen komplex — umso wichtiger erscheint
es, die aufrichtige und objektive Aufarbeitung der Sach- und Rechtslage
abzuwarten.
Aus Putins Perspektive ist der Einmarsch in die Ukraine kein Bruch
des Völkerrechts (1). Aber auch hier muss gleichsam gefordert werden,
dass (Waffen)gewalt wohl nicht unserer Vorstellung von Friedensstiftung
entspricht. Schenkt man erfahrenen Journalisten Glauben, war Putin in
seiner ersten Amtszeit sogar eine Chance für Europa, Arroganz und Ignoranz des Westens Grund für ein Scheitern friedvoller Beziehungen.
Unsere derzeitig politisch Verantwortlichen haben sich jedenfalls zur
konstruktiven Politik mit dem Ziel der Interessen- und
Friedenssicherung in den vergangenen Monaten innerhalb ihrer erst kurzen
Amtszeit als gänzlich ungeeignet erwiesen.
Umso dringlicher kann der Appell des Souveräns daher nur formuliert
werden, die derzeitig politisch Verantwortlichen in keinster Weise mehr
zu legitimieren und ihnen das Vertrauen zu entziehen. Soweit dies nicht
schon längst geschehen ist. Denn der Wille des Souveräns sollte klar
sein: Kein Deutscher, Europäer, noch Russe fordert Krieg oder
beabsichtigt, dem jeweils anderen Schaden zufügen zu wollen.
In dem Moment, in dem nur ein einziger unschuldiger Mensch durch eine
gelieferte Waffe stirbt, ist ein „Sieg“ oder eine „Niederlage“ —
insbesondere unter Zugrundelegung des Werteverständnisses unseres
Grundgesetzes — ausgeschlossen: Jedes Leben ist als solches gleich
wertvoll und somit schützenswert. Die „Verteidigung westlicher Werte“
mit Waffengewalt ist in seinem Aussagewert nicht nur dümmlich, sogar
gemeingefährlich. Es stellt sich auch die Frage, wie viel von „unseren
westlichen Werten“ überhaupt noch vorhanden ist, hat doch die
Coronakrise gerade in menschlicher Hinsicht eine Bankrotterklärung offenbart.
Vor der eigenen Haustür kehren
„Kehre jeder vor seiner Tür“, lautet ein deutsches Sprichwort. Aber
auch in den benannten Reden Putins erlaubt sich dieser, unsere
angeblichen Probleme zu reflektieren. Ungeachtet dessen zeichnet sich
ein demokratischer Geist gerade dadurch aus, dass er in der Lage ist,
das Argument vom Sprecher trennen zu können (2). So wirft Putin dem
Westen — mithin auch Deutschland — vor:
„Die westlichen Länder behaupten seit Jahrhunderten, dass sie
anderen Nationen Freiheit und Demokratie bringen. Nichts könnte weiter
von der Wahrheit entfernt sein. Anstatt Demokratie zu bringen, haben sie
unterdrückt und ausgebeutet, und anstatt Freiheit zu bringen, haben sie
versklavt und unterdrückt. Die unipolare Welt ist von Natur aus
antidemokratisch und unfrei; sie ist durch und durch falsch und
heuchlerisch. (…) Es sind ihre zerstörerische Politik, ihre Kriege und
ihre Ausplünderung, die die heutige massive Migrantenwelle ausgelöst
haben. Millionen von Menschen erleiden Entbehrungen und Demütigungen
oder sterben zu Tausenden bei dem Versuch, Europa zu erreichen.
Washington fordert immer mehr Sanktionen gegen Russland, und die
Mehrheit der europäischen Politiker macht gehorsam mit. Ihnen ist klar,
dass die USA, indem sie die EU drängen, auf russische Energie und andere
Ressourcen vollständig zu verzichten, Europa praktisch in die
Deindustrialisierung treiben, um sich den gesamten europäischen Markt
anzueignen. Diese europäischen Eliten verstehen das alles — das tun sie,
aber sie ziehen es vor, den Interessen der anderen zu dienen. Das ist
keine Unterwürfigkeit mehr, sondern direkter Verrat an ihren eigenen
Völkern(...).
Europa und der Westen gedeihen auf einer Kultur der Pädophilie und des Satanismus.”, so Putin.
Wie viel Wahrheitsgehalt in Gänze und im Detail an diesen und
weiteren Aussagen steckt, sollte aufrichtigen investigativen
Journalisten überlassen werden. Ungeachtet dessen findet der Wahrheit
suchende Leser tatsächlich bei der Recherche erhebliche unverständliche
Missstände, etwa:
Aus welchem Grund ermitteln offenkundig die
Strafverfolgungsbehörden nicht, wenn vermeintliche Opfer von
Kindesmisshandlungen, öffentlich über diese Verbrechen — etwa Kinderjagden — glaubhaft berichten?
Der Jurist Dr. Marcel Polte arbeitet seit Jahren rituelle, sogenannte satanistische Gewalt an Kindern — auch in Deutschland — auf. Aus welchem Grund informieren Mainstream-Medien hier nicht die breite Masse und gehen diesen Hinweisen nach?
Dass Deutschland und die darin lebenden Bürger durch Privatisierung
ausgebeutet werden, lässt sich nachweisen. Ebenso, dass auch in
Deutschland täglich Menschenrechtsverbrechen begangen werden.
Bedauerlicherweise insbesondere, wenn sich Menschen in der Gewalt des Staates
befinden. Auch hier fehlt es an medialer Aufklärung, besonders
dringlich hinsichtlich des Coronageschehens, richtigerweise wohl
Verbrechens.
Die deutsche Regierung praktiziert — das muss leider so deutlich
formuliert werden — Formen von Staatsterrorismus gegen die eigene
Bevölkerung, etwa Strategien, um Menschen in Ängste zu treiben und steuern zu können, und schreckt auch vor Kindern nicht zurück.
Sie hat in der Vergangenheit Terrorakte inszeniert,
um so die Bevölkerung wissentlich und willentlich hinters Licht zu
führen, nicht oder nicht in dieser Intensität bestehende Gefahren oder
Täterschaften vorzutäuschen und Menschen gegeneinander aufzubringen.
Passiert dies auch heute noch? In welchem Umfang wird der
Verfassungsschutz zur Durchsetzung politischer Interessen missbraucht
und eingesetzt? (3)
Völkerrecht und Souveränitätshindernisse
Zu dem weiteren Vorwurf der Einflussnahme der USA und fehlenden
Souveränität Deutschlands lässt sich wohl indes feststellen, dass die
Frage, ob das in der Charta der Vereinten Nationen und anderen
internationalen Verträgen garantierte Selbstbestimmungsrecht der Völker
auch einen Rechtsanspruch auf Autonomie gewährt oder bloß Leitlinie ist,
streitig ist. Jedenfalls dürfte festzustellen sein, dass der Wandel des
„klassischen zum modernen Völkerrechts“ die Souveränität von Staaten
nicht mehr absolut auslegt, sondern als absolute „Gleichheit der
Staaten“. Das bedeutet, dass die Staaten in ihren internen und externen
Entscheidungen nur dem Völkerrecht untergeordnet sind (4).
Mit dem am 12. September 1990 unterzeichneten
„Zwei-Plus-Vier-Vertrag“ habe die Bundesrepublik Deutschland 1990 die
volle Souveränität erlangt. So jedenfalls wohl die herrschende Meinung
in Wissenschaft und Politik. In Artikel 7 Absatz 2 heißt es im Vertrag
hierzu:
„Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.“
Am 27. und 28. September 1990 wurde jedoch zusätzlich eine
Vereinbarung mit den drei Mächten sowie der „Vertrag zur Regelung aus
Krieg und Besatzung entstandenen Fragen“ geschlossen. Hiermit wurden zum
einen der Deutschlandvertrag (5) vollständig, der Überleitungsvertrag
zum größten Teil außer Kraft gesetzt. Ausnahme blieb der Artikel 1
Absatz 1 des Überleitungsvertrages, mit dem die Organe der
Bundesrepublik und der Länder das Recht erhielten, von den
Besatzungsbehörden erlassene Rechtsvorschriften aufzuheben und zu
ändern. Hiervon machte die Bundesrepublik Gebrauch (6), es dauerte aber
weitere 17 Jahre, bis die BRD das „Zweite Gesetz über die Bereinigung vom Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz“ erließ, um das Besatzungsrecht vollständig aufzuheben.
Von Bedeutung ist allerdings, dass Art 4, § 2 mit Verweis auf den
Artikel 2 I 1 des Überleitungsvertrages zu den Folgen des
Besatzungsrechts festlegt:
„Alle Rechte und Verpflichtungen, die durch gesetzgeberische,
gerichtliche oder Verwaltungsmaßnahmen der Besatzungsbehörden oder auf
Grund solcher Maßnahmen begründet oder festgestellt worden sind, und
bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht in Kraft, ohne Rücksicht
darauf, ob sie in Übereinstimmung mit anderen Rechtsvorschriften
begründet oder festgestellt worden sind…“
Der Regelungsinhalt des Überleitungsvertrages und des
„Bereinigungsgesetzes“ zu der Aufhebungsbefugnis dürfte gleich sein —
mit Ausnahme des Zusatzes „sind und bleiben in jeder Hinsicht nach
deutschem Recht in Kraft“.
Im Ergebnis könnte man diese Erklärungen daher dahingehend auslegen,
dass seit dem 30. November 2007 gesetzmäßig das Besatzungsrecht
aufgehoben wurde, durch die oben genannte Rechtsumsetzung jedoch etwaige
Rechtsfolgen des Besatzungsrechts anerkannt und zu eigenem Recht
gemacht worden sind. Auch, wenn Gerichte und die herrschende Meinung
diesen sich in Artikel 139 Grundgesetz
widerspiegelnden Gedanken für gegenstandslos erachten, bestehen an der
tatsächlichen Souveränität Deutschlands auch weitere Zweifel.
So geht die herrschende Meinung zwar davon aus, dass es wegen des
„Zwei-plus-Vier-Vertrages“ keines Friedensvertrages mehr bedarf oder
dieser sogar ein solcher darstellt. Jedoch sieht der Vertrag in der
Präambel und Artikel 2 nur eine einseitige Verpflichtung zum Frieden
vor. Ein rechtwirksamer Vertrag setzt jedoch voraus, dass sich sämtliche
Vertragsstaaten, zwischen denen sich der angestrebte Frieden entfalten
soll, verpflichten.
Zu den Krieg führenden Staaten im Zweiten Weltkrieg
zählten eine Vielzahl von Ländern, die mit Deutschland in kriegerische
Handlungen verwickelt waren. Den vier Siegermächten waren lediglich
Vorbehaltsrechte übertragen worden. Hinzu kommt, dass nach Artikel 3 der „Vertrag
über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik
Deutschland von 1954 “ mit Abschluss einer friedensvertraglichen
Regelung außer Kraft treten sollte. In Artikel 8 i.V.m. der Anlage des Einigungsvertrages
ist der Aufenthaltsvertrag in den alten Bundesländern aber ausdrücklich
als weiterhin wirksam benannt worden und wurde auch mit dem
„Zwei-Punkt-Vier-Vertrag“ ausdrücklich nicht aufgehoben.
Ebenso besteht die „Feindstaatenklausel“
weiter, die berechtigt, Zwangsmaßnahmen gegen Deutschland durch die
Unterzeichnerstaaten, ohne Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates, auch
militärischer Art, durchzuführen. Zwar wurde sie für „obsolet“ erklärt,
sorgt aber dennoch durch ihre Existenz für eine Rechtsunsicherheit.
Möchte man dem Gesetz der Resonanz Glauben schenken, ergibt sich mithin die drängende Frage:
Wie souverän ist Deutschland als Staat, wenn es innerlich aufgrund
der unter anderem vorstehend aufgezeigten Aspekte so unfrei und erodiert
ist? Wie soll sich Gleichheit aller Staaten bei einer gleichzeitigen
inneren Zerrissenheit überhaupt entfalten können, fordert es nicht
vielmehr zunächst die Herstellung tatsächlicher staatlicher Autonomie
und menschlicher Freiheit?
Unsere (zukünftige) Verfassung als historische Chance
„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit
Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine
Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von
dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“,
heißt es in Artikel 146 des Grundgesetzes. Die herrschende Meinung hält
diesen Artikel aufgrund der Wiedervereinigung von West- und
Ostdeutschland ebenso für „obsolet“. Aber auch hier lassen sich gute
Gegenargumente finden:
Erstens fordern die 4-Stufen zum Inkrafttreten des Grundgesetzes
ein ordnungsgemäßes Verfahren durch den parlamentarischen Rat. Wovon
aufgrund des seinerzeitigen Fehlens von Abgeordneten aus der
Sowjetischen Zone und unter Besatzungsrecht nicht auszugehen ist und
auch vom Parlamentarischen Rat seinerzeit selbst als „Provisorium“
bezeichnet wurde (7). Eine spätere Legitimation durch die Bundestagswahl
am 14. August 1949 kann denklogisch nicht erfolgt sein, wenn das
Grundgesetz als Verfassung selbst nie in freier Selbstbestimmung
konstituiert wurde.
Zweitens lässt sich mit Hilfe des Artikel 23 Grundgesetz a.F., Artikel 146 des Grundgesetzes,
des „Zwei-plus-Vier-Vertrages“ und des „Einigungsvertrages“ die
folgende Intention der Beteiligten ermitteln: Das Grundgesetz als
Provisorium sollte zunächst für die sogenannten „alten“ Bundesländer und
nach Wiedervereinigung auch für die „neuen“ Bundesländer gelten. Nach
Vollendung der Einheit und Freiheit sollte das Grundgesetz für das
gesamte deutsche Volk gelten und dann seine Gültigkeit an dem Tage
verlieren, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem Deutschen
Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Artikel 23 des Grundgesetz a.F. dürfte daher nicht als Alternative
zur gesetzgebenden Versammlung nach Artikel 146 Grundgesetz zu sehen
sein, sondern vielmehr die Beschreibung und Regelung eines zeitlichen
Moments. Hierfür spricht auch Artikel 5 des Einigungsvertrages, der für
den Zeitraum von zwei Jahren nach Wiedervereinigung vorsieht, dass die
Regierung sich „…mit der Frage des Artikel 146 des Grundgesetzes und in
deren Rahmen einer Volksabstimmung…“ auseinandersetzt. Auch in Artikel 1
Absatz 4 des „Zwei-plus-Vier-Vertrages“ kommt der Wille zu einer vom
Volk bestimmten Verfassung zum Ausdruck:
„… Die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR
werden sicherstellen, dass die Verfassung des vereinten Deutschlands
keinerlei Bestimmungen enthalten, die mit diesen Prinzipien unvereinbar
sind. Dies gilt dementsprechend für die Bestimmungen, die in der
Präambel und in den Artikeln 23 Satz 2 und 146 des Grundgesetzes für die
Bundesrepublik Deutschland niedergelegt sind.“
Doch die interessantesten, zukunftsgerichteten Fragestellungen zuletzt:
Würde ein Friedenvertrag den „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ ersetzen, mit
der Folge, dass Deutschland über sich hinauswachsen und der Frieden
durch eine Einbindung und auf Grundlage der freien Entscheidung der auf
dem Staatsgebiet lebenden Bürger — als Souverän — ermöglicht werden
würde?
Wäre eine „Vollendung der Einheit und Freiheit“ — die Artikel 146
Grundgesetz ausdrücklich fordert — im ursprünglichem (territorialem) Rahmen unter Geltung einer neuen, auf dem absolut geschützten Kernbereich des Grundgesetz basierenden Verfassung zukünftig möglich? (8)
In den Protokollen,
die seinerzeit während der Verhandlung zum „Zwei-Plus-Vier-Vertrag“
angefertigt wurden, geht aus dem Aufzeichnungen des Französischen
Beisitzers hervor, dass die folgende Passage nachträglich eingefügt
wurde:
„Die Bestätigung des endgültigen Charakters der Grenzen
Deutschlands ist ein wesentlicher Beitrag zur Friedensordnung in Europa.
(9)“
Genau diese Friedensordnung könnte Deutschland nun — etwa durch einen
Friedenvertrag und Entwicklung einer Verfassung i.S.d. Artikel 146
Grundgesetz „in Angriff nehmen“ — eine wohl historische Chance.
Denn die Feststellungen in der Präambel des
„Zwei-Plus-Vier-Vertrages“, 4 Absatz 2, „In Würdigung dessen, daß das
deutsche Volk in freier Ausübung des Selbstbestimmungsrechts seinen
Willen bekundet hat, die staatliche Einheit Deutschlands herzustellen,
um als gleichberechtigtes und souveränes Glied in einem vereinten Europa
dem Frieden der Welt zu dienen“, dürfte — bei aller darin sicher zu
unterstellenden guten Absicht — übergriffig gewesen sein, denn die
Bevölkerung wurde zu keinem Zeitpunkt tatsächlich zu ihrem freien Willen
befragt, etwa durch eine Volksabstimmung. Bietet dieser Denkansatz
daher nicht vielmehr eine historische Chance für Freiheit, Gleichheit
und Geschwisterlichkeit: Eine — unter Berücksichtigung
der kulturellen und staatlichen Besonderheiten und Souveränitäten —
zukünftige Verfassung Europas und hiermit die Möglichkeit für den Aufbau
und die Weiterentwicklung einer wahrhaften Demokratie in Europa?
Zusammen wachsen
Nichtsdestoweniger sollten die Menschen mittlerweile einen
Bewusstseinszustand erreicht haben, dass es — auch im Hinblick auf den
Krieg in der Ukraine — niemals um die Erzeugung von personalisierten
Feindbildern und damit einhergehenden Geiselhaft eines ganzen Volkes
gehen kann. Ich jedenfalls habe Russland als wunderschönes Land, mit
einer gewachsenen Tradition, beeindruckender Architektur, einem starken
Werteverständnis und viel Herzlichkeit kennenlernen dürfen. Das Bild des
„blutrünstigen Diktators“ hat mir keiner der von mir befragten Russen
bestätigen können. Und darum kann es auch nicht gehen. Sondern um
Frieden, der in uns beginnen und sich verbinden muss. Senden wir also
ein friedvolles Lächeln in Richtung des Fensters zum Westen: Uns verbindet mehr, als uns trennt.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.rubikon.news/artikel/bei-genauerem-hinsehen
(2) das Zitat nimmt Ulrike Guérot für sich in Anspruch, Empfehlung auch https://nachhall.net/
(3) siehe auch: https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2022/verfassungsschutz-fakes/
(4) Kempen/Hillgruber, „Völkerrecht“, Seite 166
(5) Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und den drei Mächten vom 23. Oktober1954, umgesetzt durch das Gesetz
betreffend das Protokoll vom 23. Oktober 194 über die Beendigung des
Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland vom 24. April1955
(6) Das Erste Gesetz zur Aufhebung des Besatzungsrechts von 1956, es
folgten das Zweite 1956, Dritte 1958, Vierte 1960. Viele Regelungen des
Besatzungsrechts blieben zunächst erhalten.
(7) Maunz/Dürig, Grundgesetz, lose Blattsammlung, Art. 144, Rn.6 + 19
(8) Urteil des BVerfG vom 31. Juli 1973, Az. 2 BvF 1/73, unter III f.:
„Das Grundgesetz — nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der
Staatsrechtslehre! — geht davon aus, daß das Deutsche Reich den
Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch
durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten
Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der
Präambel, aus Art.16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht
auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der
der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266
(277); 3, 288 (319 f.); 5, 85 (126); 6, 309 (336, 363)), besitzt nach
wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels
Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst
nicht handlungsfähig. Im Grundgesetz ist auch die Auffassung vom
gesamtdeutschen Staatsvolk und von der gesamtdeutschen Staatsgewalt
„verankert“ (BVerfGE 2, 266 (277)). Verantwortung für „Deutschland als
Ganzes“ tragen - auch - die vier Mächte (BVerfGE 1, 351 (362 f., 367)).
Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer
westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu
organisiert.“ (vgl. Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen
Rates - StenBer. S. 70). Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht
„Rechtsnachfolger“ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch
mit dem Staat „Deutsches Reich“, - in Bezug auf seine räumliche
Ausdehnung allerdings „teilidentisch“, so daß insoweit die Identität
keine Ausschließlichkeit beansprucht(...).“
vgl. auch Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen Rates - StenBer. S. 70:
„Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein
neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu
organisiert.
Dieser Argumentation folgend müsste auch die Feststellung in der
Präambel des Grundgesetzes zur Definition „gesamte deutsche Volk“
kritisch überprüft und entsprechend gegebenenfalls korrigierend in Bezug
auf die Intension des Artikel 146 Grundgesetz ausgelegt werden.
(9) Es wurde sich konkret wohl auf die folgende Formulierung verständigt: Nr. 354A
Anlage 1 Pariser Text zu den Grenzfragen:
1. Das vereinte Deutschland wird die Gebiete der Bundesrepublik
Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und ganz Berlins
umfassen. Seine Außengrenzen werden definitiv die Grenzen der Deutschen
Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland am Tage des
Inkrafttretens der endgültigen Regelung sein.
Die Bestätigung des endgültigen Charakters der Grenzen Deutschlands ist ein wesentlicher Beitrag zur Friedensordnung in Europa.“
Nach der genetischen Auslegung — sprich Auslegung mit Hilfe der
Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist davon auszugehen, dass
offenkundig vorherrschender Wille der Besatzungsmächte war, dass
Deutschland auf das Bundesgebiete BRD, DDR und Berlin begrenzt bleibt.
Die nachträgliche Einfügung des letzten Satzes lässt jedoch auch die
Schlussfolgerung zu, dass das andere Beteiligte — etwa Vertreter
Frankreichs — anders beurteilt haben. Denn nach der herrschenden
Auslegung völkerrechtlicher Verträge haben nach demokratischem
Verständnis die auf dem Gebiete lebenden Bürger als Souverän hierüber zu
entscheiden.
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Karolin Ahrens, Jahrgang 1980, studierte Rechtswissenschaften und schloss ihr Zweites Juristisches Staatsexamen mit der Befähigung zum Richteramt ab. Sie ist als Rechtsanwältin im Bereich Wirtschaftsrecht und Grundrechtsschutz tätig und publiziert insbesondere zu gesellschaftspolitischen Themen aus dem juristischen Blickwinkel. Ihr Engagement erstreckt sich auf die Mitgestaltung einer freien, verantwortungsvollen und menschlicheren Gesellschaft. Im März 2022 gründete sie unter anderem die „Initative Rechtspatenschaft“ — juristische Unterstützung für (sozial) Schwache. Weitere Informationen unter karos.info.
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