Samstag, 1. Juli 2017

Lieber Taliban statt IS - Afghanistan kommt nicht zur Ruhe

Thema: Afghanistan

Lieber Taliban statt IS
Russlands flirtet mit dem kleineren Übel

Afghanistan kommt nicht zur Ruhe. Während die USA und die Nato die Taliban vertreiben wollen, streben Russland und China Verhandlungen mit der radikalislamischen Gruppe an.

Sowohl der IS als auch die Taliban wollen die afghanische Regierung stürzen und die Sharia einführen. Doch während sich der IS als Teil einer weltweiten Bewegung sieht, beschränken die Taliban ihre Aktionen auf Afghanistan.

«In serious trouble» seien die USA in Afghanistan, merkte der republikanische Senator John McCain Anfang Jahr an – eine vernichtende Bestandesaufnahme nach den bald 16 Jahren, in denen das US-Militär versuchte, eine professionelle afghanische Armee aufzubauen und die Taliban zu vertreiben.

Auch der eben beendete, äusserst blutige Fastenmonat Ramadan mit zahlreichen Anschlägen und Hunderten Toten zeigt, wie es um das Land steht: Nachdem die Nato-Staaten ihren Kampfeinsatz am Hindukusch 2014 offiziell beendet hatten, erstarkten im Land nicht nur die radikalislamischen Taliban wieder, auch islamistische Gruppen wie der «Islamische Staat» (IS) setzten sich ab 2015 fest.

Moskau und Peking wollen strategische Lücke nutzen

Denn durch den weitgehenden Abzug der US-Truppen in Afghanistan wurde eine strategische Lücke geschaffen, in die eine neue Koalition aus Russland und China mit ihren Verbündeten Pakistan und Iran noch so gern springen will – dafür sind Moskau und Peking offenbar auch bereit, mit den Taliban zu verhandeln.

Bei einem Treffen über die Zukunft Afghanistans – zu dem weder die afghanische Regierung noch ihr verbündeter Indien eingeladen worden waren – diskutierte man in Moskau unter anderem die Aufhebung von Sanktionen gegen einige Taliban-Führer.

Taliban als das geringere Übel

Ein Hauptmotiv dieser Annäherung liegt in der Angst vor islamistischen Gruppen wie dem IS: Peking sorgt sich vor deren Einfluss in der an Afghanistan angrenzenden Provinz Xinjiang, Moskau fürchtet die auf 6000 geschätzten russischsprachige IS-Kämpfer, die nach Russland zurückkehren oder sich in Nord-Afghanistan, Tadschikistan oder in Usbekistan niederlassen könnten. Angesichts dieser Gefahren scheint eine «Beteiligung der Taliban an der Regierung in Kabul das kleinere Übel zu sein», schreibt die NZZ.

Die Strategie der USA steht dem diametral gegenüber. So hat US-Präsident Donald Trump das Afghanistan-Zepter ganz US-Verteidigungsminister James Mattis übergeben, der im April 300 Marines in die afghanische Unruheprovinz Helmand schickte. Einige von ihnen hatten hier bereits 2010 gekämpft und die Taliban-Kämpfer zunächst erfolgreich vertrieben. Bei den 300 Marines soll es nicht bleiben. 3800 weitere US-Soldaten sollen nach Afghanistan entsandt werden, zusätzlich zu den bereits dort stationierten 8800 US-Truppenangehörigen. Ihre Aufgaben: afghanische Kräfte ausbilden und eigene Anti-Terror-Operationen ausführen – sprich: die zurückgekehrten Taliban erneut vertreiben.

Nato hat Schwierigkeiten bei Truppenverstärkung

Unterstützung erhalten diese von rund 6500 Nato-Soldaten. Die USA wünschen sich im Rahmen der Ausbildungsmission «Resolute Support» mehr davon, doch wie jetzt bekannt wird, hat die Nato grosse Schwierigkeiten, zusätzliche Truppen zur Verstärkung zu schicken: Bislang sind nur knapp 1500 Soldaten von den 28 Nato-Staaten und einigen Partnerländern der Allianz als verfügbar gemeldet worden. Das dürfte Russland und den Iran freuen, die eine ständige Präsenz der Nato in Afghanistan verhindern wollen.

Mit oder ohne einer künftigen Einbindung der Taliban zur Schwächung anderer radikalislamischen Gruppen – bei der Neuaufstellung im «grossen Spiel» um Afghanistan geht es den ausländischen Mächten um die riesigen Rohstoffreserven des Landes, insbesondere die grossen Erdgas- und Erdölfelder sowie die enormen Mengen von Lithium. (gux)

Mit freundlicher Genehmigung von 20min.ch

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