Thema:
netzpolitik.org
„Landesverrat“ als Vorwand zum unbegrenzten Ausspionieren
– Zeit für den „digitalen Bündnisfall“?
Mit ihrem Vorstoß gegen netzpolitik.org scheinen Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen und Generalbundesanwalt Harald Range zunächst gescheitert zu sein. Doch was steckt hinter der Offensive, die von höchster bundespolitischer Ministerialebene gedeckt wurde? Kritiker, wie der FAZ-Blogger Don Alphonso und der Rechtsanwalt Markus Kompa, vermuten hinter der Aktion einen Versuch, den Missbrauch der geplanten Vorratsdatenspeicherung salonfähig zu machen. Zeit für die Zivilgesellschaft, sich zu wehren.
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So rief der Kulturwissenschaftler Michael Seemann gar den „digitalen Bündnisfall“ aus und plädierte dafür, dass alle zivilen Kräfte sich gemeinsam den Repressionsmaßnahmen entgegen stellen sollten.
„Egal, welche Meinungsverschiedenheiten es in der Vergangenheit in der Szene gegeben hat.“
Derartiges hört man selten in der tief gespaltenen und zerstrittenen „Netzgemeinde“, deren Umgang miteinander zu oft von gegenseitigem Misstrauen und Unbehagen geprägt ist.
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Auch wenn weder Maaßen noch Range jemals glauben konnten, mit ihrer Offensive im vorliegenden Einzelfall erfolgreich zu sein, weist der Blogger Don Alphonso in der FAZ darauf hin, dass mit dem Angriff auf netzpolitik.org ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen wird. Denn das von der Großen Koalition geplante Gesetz zur Vorratsspeicherung – eine Vorstufe der gesetzlich verankerten anlasslosen Massenüberwachung – würde im Falle des „Landesverrates“ ein umfangreiches staatliches „Abschnorcheln“ der Verbindungsdaten der überwachungskritischen Internetplattform erlauben, ganz legal.
Oft wird die Vorratsdatenspeicherung mit den Argumenten verteidigt, dass diese nur zur Terrorismusbekämpfung oder bei anderen schwerwiegenden Fällen eingesetzt werden soll. Doch auch der Rechtsanwalt Markus Kompa weist bei Telepolis darauf hin, wie schnell zivile Kräfte ins Fadenkreuz der Ermittler kommen können. Kompa vergleicht den Fall mit einem Mandat, das dieser einst übernommen hat. Der Anwalt vertrat damals einen untergetauchten Mann, der an einer Schlägerei beteiligt gewesen war. Die Auseinandersetzung wurde von den Behörden als „versuchter Totschlag“ umgedeutet, wodurch ein ganzes Set verschärfter Ermittlungswerkzeuge freigeschaltet wurde, darunter auch eine öffentliche Fahndung des Mannes.
So sieht Kompa hinter dem Vorstoß von Maaßen und Range vor allem strategische Gründe. Auch wenn eine solche Anzeige keinen Bestand hat und die Ermittlungen im Zuge der Skandalisierung gestoppt werden, wäre es den Geheimdiensten künftig erlaubt, ihre Kritiker im Zuge solcher anlaufenden Ermittlungen vollends auszuschnüffeln. Derartige Schritte erlauben dann eine umfassende Rekonstruktion überwachungskritischer Netzwerke und tiefe Einblicke in deren Struktur. Die Geheimdienste werden, wie viele Kritiker immer wieder betonen, zum Selbstzweck und arbeiten vor allem für die Aufrechterhaltung ihrer eigenen Machtposition – gegen die Interessen der Gesellschaft.
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Somit wird der „digitale Bündnisfall“ nicht mit der absehbaren endgültigen Einstellung des Verfahrens gegen netzpolitik.org enden. Doch sollten gerade auch die netzpolitischen Akteure ihre Positionen in allgemeiner System- und Herrschaftskritik stärken, anstatt auf diesem Feld, wie bisher, vor allem einen Kurs der Machtanbiederung zu fahren. Nur so wird sich die Legalisierung und Anwendung des autoritären Überwachungsstaates noch abwenden lassen.
Quelle: RT-Deutsch
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