Donnerstag, 31. August 2017

Zwei Hauptgründe, warum 2017 deutlich weniger das Land erreichen

Thema: Flüchtlinge

Ruhe am Mittelmeer
Wieso kommen weniger Flüchtlinge nach Europa?

Italien – und mit ihm ganz Europa – atmet auf, dass diesen Sommer deutlich weniger Flüchtlinge das Land erreichen. Dafür gibt es zwei Hauptgründe.

In Italien kommen derzeit kaum Flüchtlinge an, im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen im August um knapp 90 Prozent zurückgegangen. Woran liegt das?

Grafik: 20min.ch

Warum legen fast keine Schmuggelboote an der libyschen Küste ab?

Die libysche Küste gleiche derzeit «einem riesigen Trichter», schreibt der «Corriere della Sera». Tausende Flüchtlinge stecken in Nordafrika fest. «Unsere Regierung führt an den Hauptausgangspunkten für Flüchtlinge wie in den libyschen Städten Sabratha, Zuwara und Zawia einen harten Kampf gegen den illegalen Menschenhandel», sagt Libyens Innenminister Aref Khoja der Zeitung «La Stampa». Was dahinter steckt, erklärt Mattia Toaldo, Libyenexperte des European Council for Foreign Relations (ECFR), der Nachrichtenagentur AP: «Seit einiger Zeit agiert eine neue bewaffnete Gruppe in Sabratha, die offenbar dafür sorgt, dass die Schmuggler nicht mehr ablegen.»

Es gebe Hinweise darauf, dass ein in der Region mächtiger Milizen- und Schmuggelchef die Seiten gewechselt habe, so Toaldo. «Vielleicht hofft er, mehr Einfluss zu bekommen, wenn er dafür sorgt, dass die Flüchtlinge nicht mehr ablegen.» Ähnliche Entwicklungen gab es im letzten Jahr bereits in Sabrathas Nachbarstadt Suwara, als eine Bürgermiliz die Kontrolle in der Stadt übernahm und dort die Menschenschmuggler bekämpfte.

Welche Rolle spielen die Hilfslieferungen aus Italien? Der Rückgang der Flüchtlingszahlen wird auch auf das Engagement Italiens in Libyen zurückgeführt. Unter anderem unterstützt die Regierung in Rom libysche Kommunen mit Medikamenten, zudem hat Innenminister Marco Minniti mit 14 Bürgermeistern Massnahmen zur Förderung von Wachstum besprochen. Auch Frankreich, Spanien und Deutschland wollen den Regionen in Nordafrika mehr finanzielle Hilfe zukommen lassen, berichtet «Il Messaggero». Wie hoch diese Summe ist, ist nicht bekannt.

Ein C-130-Transporter der italienischen Luftwaffe brachte kürzlich Medikamente für das Spital in der Küstenstadt Sabratha. Auch der lokale Fernsehsender der Nachbarstadt Suwara berichtete vor einigen Tagen über Hilfslieferungen aus Italien. «Es ist schon länger die Strategie Italiens, die Kommunen dadurch zu unterstützen», sagt Libyen-Experte Toaldo.

Was passiert jetzt mit den Flüchtlingen, die in Libyen festsitzen?

Die Entwicklung zeigt, dass die Flüchtlinge im Chaos des Bürgerkriegslandes und in teils prekären Zuständen festsitzen. Zwei Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen schlugen deswegen bereits Alarm. «Die Lösung kann nicht sein, den Zugang zu internationalen Gewässern zu verhindern», kritisierten Felipe González Morales und Nils Melzer in einem Bericht. Die beiden Sonderberichterstatter drückten ihre Sorgen darüber aus, dass die EU versuche, die europäischen Grenzen nach Libyen auszudehnen.

Ein Expertengremium des UNO-Sicherheitsrats legte vor kurzem ebenfalls einen fast 300 Seiten starken Bericht vor und zeigte darin, wie Milizen, Schmuggler und die von europäischen Staaten unterstützte libysche Küstenwache zusammenarbeiten.

Italien darf nicht Menschenschmuggler finanzieren

«Italien und die EU dürfen sich an Menschenrechtsverletzungen nicht mitschuldig machen», sagt die migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Europäischen Parlament, Ska Keller. «Italien muss offenlegen, ob es Milizen unterstützt, die das Auslaufen von Flüchtlingsbooten verhindern, und ob EU-Gelder dabei im Spiel sind.»

Angesichts des Chaos in Libyen und der Hunderten von rivalisierenden Milizen fragen sich sowohl Experten als auch EU-Institutionen, wie lange die Überfahrten Richtung Europa noch auf solch einem niedrigen Stand bleiben. (kle/dapd)

Mit freundlicher Genehmigung von 20min.ch

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