Hallo liebe Leser,
stellen Sie sich vor, Sie müssten Ihre Wohnung aufgeben und gegen Ihren Willen in ein Zimmer in einem Wohnheim ziehen. Sie
könnten dort nicht mehr frei bestimmen, was sie wann essen möchten oder
wann Sie duschen oder wann Sie abends ins Bett gehen möchten. Auch
könnten Sie sich nicht aussuchen, wen Sie in Ihre Intimsphäre lassen,
auf wen sie angewiesen sein werden und wem Sie vertrauen.
Unvorstellbar? Vielen Menschen mit Behinderung droht genau dieses Schicksal. In Deutschland, im Jahr 2017.
Unterschreiben Sie jetzt hier gegen den Heimzwang!
Hintergrund:
In
Deutschland gilt seit 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention. Dort ist
in Art. 19 eindeutig geregelt, dass zu gewährleisten ist, dass Menschen
mit Behinderung „gleichberechtigt mit anderen die Möglichkeit haben,
ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie
leben und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben“.
In Deutschland sieht die Realität anders aus. Ende
2016 wurde nach mehrjährigen Diskussionen das Bundesteilhabegesetz
verabschiedet. Dort findet sich – wie bisher - die Regelung, dass
grundsätzlich nur die angemessene, also kostengünstigere Leistung zu
gewähren ist. Wenn also die gewünschte Leistung (z.B. Hilfe in der
eigenen Wohnung) mehr kostet, als die Hilfe im Heim, kann der behinderte
Mensch auf die Heimunterbringung verwiesen werden.
Zwar gilt
dies nur, wenn die nicht gewünschte Alternative „zumutbar“ ist – doch
was zumutbar ist, entscheidet das Amt, das bezahlen soll. Gerade bei
klammen Kommunen ist dann vieles zumutbar.
Immer
wieder erfahren wir von Menschen, die den Bescheid in Händen halten, der
ihnen die lebensnotwendige Hilfe in der eigenen Wohnung streicht.
„Suchen Sie sich bis zum … einen Heimplatz“ - so oder ähnlich wird
formuliert. Den Ämtern sollte bewusst sein, dass die obersten
Gerichte eine Unterbringung im Heim gegen den Willen der Betroffenen
nicht zumutbar finden. Doch viele behinderte Menschen haben weder die
Kraft noch die finanziellen Mittel, um den Weg durch die Instanzen zu
kämpfen. Schnell türmen sich tausende Euro an Schulden für
nicht bezahlte Hilfeleistungen auf, so dass die Menschen am Ende
aufgeben müssen.
Natürlich steht bei der
„Zwangseinweisung“ nicht die Polizei morgens vor der Tür und holt die
Betroffenen ab. Der Zwang besteht in der Vorenthaltung lebensnotwendiger
Hilfeleistungen beim individuellen Wohnen – wenn kein Assistent mehr
bezahlt wird, der zur Toilette hilft, etwas zu essen anreicht oder den
behinderten Menschen ins Bett bringt – dann muss die „angebotene
Alternative“ - die stationäre Einrichtung – in Anspruch genommen werden.
Ebenso kennen wir Menschen, die aus einer Einrichtung ausziehen möchten, dies aber nicht dürfen. Teilweise
kamen sie als vorübergehende Lösung, z.B. nach einem Unfall, dorthin
und stehen nun vor dem Nichts – die Wohnung wurde aufgelöst, persönliche
Sachen entsorgt und die Hilfe außerhalb der Einrichtung wird vom Amt
abgelehnt.
Gefangen – lebenslang. Ohne eine Straftat begangen zu haben.Diese Praxis ist menschenunwürdig.
Forderung:
Wir
fordern deshalb von allen Parteien in ihren Wahlprogrammen und dem
anstehenden Koalitionsvertrag, den § 104 SGB IX n.F. in der Fassung ab
2020 dahingehend abzuändern, dass das Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich
Wohnort und Wohnform uneingeschränkt verbrieft wird, so wie es schon
der Bundesrat in seinen Empfehlungen zum Bundesteilhabegesetz gefordert
hatte.
Übernehmen
Sie den Wortlaut von Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention, um
zu gewährleisten, dass die Menschenrechte behinderte Menschen nicht
weiterhin fortwährend verletzt werden!
Vielen DankRaul Krauthausen von Ability Watch
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