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Merkel in der Türkei
Merkel in der Türkei
Deutschland will monatlich 500 Flüchtlinge aufnehmen
Erstmals seit dem Putsch-Versuch ist Angela Merkel in der Türkei zu Gast. Wie das Treffen mit Recep Tayyip Erdogan abgelaufen ist.
Bei ihrem Besuch in der Türkei hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel der Regierung in Ankara die Aufnahme von 500 Flüchtlingen pro Monat zugesagt. Deutschland werde «500 Flüchtlinge jeden Monat nehmen, um in bestimmten Fällen hilfreich zu sein», sagte Merkel heute Abend bei einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Binali Yildirim in Ankara.
Zuvor hatte Merkel vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Einhaltung von Freiheitsrechten und Demokratie verlangt. «Opposition gehört zu einem demokratischen Staat dazu», sagte Merkel nach einem zweieinhalbstündigen Gespräch mit Erdogan in Ankara.
Gerade in einer Phase tiefgreifenden Umbruchs nach dem Putschversuch im Juli 2016 müsse alles dafür getan werden, Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit und die Vielfalt der Gesellschaft zu wahren, sagte Merkel.
Sie habe sehr ausführlich mit Erdogan über die Freiheit der Presse gesprochen. Ohne Details zu nennen sagte Merkel, sie mache sich auch Sorgen um den Umgang mit deutschen Journalisten in der Türkei.
Zusammen gegen Terrorismus
Merkel sagte dem türkischen Präsidenten gleichzeitig eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen jede Form des Terrorismus zu. Dabei verwies die Kanzlerin nicht nur auf islamistische Anschläge, sondern auch auf die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Ankara wirft der deutschen Regierung vor, die Türkei im Kampf gegen die PKK sowie bei ihrem Vorgehen gegen die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen zu wenig zu unterstützen. Die türkische Regierung macht den in den USA lebenden Prediger für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich.
«Wir waren uns einig, dass der Kampf gegen den Terror sehr wichtig ist, auch gegen die Urheber des Putschversuches», sagte Merkel. Sie betonte aber, dass die Schuld individuell festgestellt werden müsse.
Erdogan seinerseits sagte, ein Land alleine könne den Terror nicht bekämpfen, man benötige unbedingt internationale Solidarität und Übereinkommen. Zugleich betonte er, dass es für die Türkei nicht möglich sei, Zugeständnisse im Anti-Terror-Kampf zu machen. Die EU fordert die Entschärfung der Anti-Terror-Gesetze in der Türkei als Voraussetzung für eine Visa-Liberalisierung für türkische Staatsbürger.
Warnung vor Bespitzelung
Zur türkischen Forderung nach Auslieferung mutmasslicher Putschisten sagte die Kanzlerin: «Wir können nur dann vorgehen, wenn wir Erkenntnisse haben, und die werden von Gerichten bewertet.» Deutschland gehe gegen Rechtsverletzungen vor, darauf könne sich die Türkei verlassen.
Merkel warnte die türkische Regierung vor der Bespitzelung von Gülen-Anhängern in Deutschland. Die Türkisch-Islamische Anstalt für Religion (Ditib) hat zuvor eingeräumt, dass Imame des Verbands Informationen über Gülen-Anhänger in Deutschland nach Ankara geschickt haben.
Mit Blick auf die bevorstehende Volksabstimmung über ein von Erdogan angestrebtes Präsidialsystem sagte Merkel, es müsse alles getan werden, damit die Gewaltenteilung weiter gewahrt bleibe. Sie habe in dem «sehr intensiven und ausführlichen» Gespräch mit Erdogan auch darüber gesprochen, dass bei dem Referendum OSZE-Beobachter dabei sein könnten.
Erdogan verteidigte den Vorstoss zur Einführung eines Präsidialsystems. Von einer Aufhebung der Gewaltenteilung, wie von der Opposition befürchtet, könne keine Rede sein.
Lob für Aufnahme von Flüchtlingen
Merkel hob ihrerseits hervor, dass in der Flüchtlingsfrage die Türkei Aussergewöhnliches geleistet habe für die Integration der 2,7 Millionen syrischen Flüchtlinge im Land.
Das im vergangenen März geschlossene EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei sei in beiderseitigem Interesse, sagte Merkel. «Wir sind aber noch nicht am Ende der Umsetzung.» Sie sicherte zu, dass die vereinbarten Hilfen rasch ausgezahlt werden. Nach dem Gespräch mit Erdogan wollte Merkel zunächst das Parlament besuchen, das bei Luftangriffen während des Putschversuchs schwer beschädigt worden war.
Danach war ein Treffen mit Ministerpräsident Binali Yildirim geplant mit einer anschliessenden Medienkonferenz. Nach einem Abendessen bei Yildirim wollte die Kanzlerin in der deutschen Botschaft mit Vertretern der Oppositionsparteien CHP und HDP zusammenkommen. (woz/sda)
Mit freundlicher Genehmigung von 20min.ch
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