Mittwoch, 8. Juli 2015

Wikileaks-Enthüllungen - Der wahre NSA-Skandal

Thema: NSA-Skandal

Deutschlandfunk
Wikileaks-Enthüllungen
Der wahre NSA-Skandal

Offenbar hat die NSA nicht nur das Handy der Kanzlerin, sonder bereits seit 1999 auch andere deutsche Politiker abgehört - also noch vor dem 11. September 2001. Der eigentliche Skandal dabei ist, dass ihr dies auch tatsächlich gelungen ist, kommentiert Dirk Birgel von den "Dresdner Neuesten Nachrichten" für den DLF. Was sagt das über die deutsche Spionageabwehr aus?

Foto; Screenshot
Von Dirk Birgel, "Dresdener Neue Nachrichten"
Als im Spätherbst 2013 erstmals bekannt wurde, dass die USA deutsche Spitzenpolitiker jahrelang ausgespäht, ja sogar Handygespräche der Bundeskanzlerin belauscht hatten, war die Empörung groß. So groß, dass US-Präsident Barack Obama sich genötigt sah, die Wogen zu glätten. Wenn er wissen wolle, was Angela Merkel denke, dann rufe er sie an, ließ Obama augenzwinkernd wissen. Seine Botschaft: alles halb so wild.

Nun wissen wir nicht, ob die NSA, die National Security Agency, auf Befehl des Präsidenten handelt oder quasi ein Staat im Staate ist, und vielleicht sogar lauscht, wenn Obama mit Frau Merkel plaudert. Seit dieser Woche aber wissen wir, dass es die NSA noch viel bunter getrieben hat, als bislang bekannt war.

Nicht nur, dass Obamas Spitzel brasilianische Spitzenpolitiker sowie französische Wirtschaftsunternehmen und Regierungsmitglieder abgehört haben. Auch in Deutschland ist das Ausmaß der Abhöraktionen weit größer als bislang angenommen. Laut der Enthüllungsplattform Wikileaks haben die NSA-Spione insgesamt 69 deutsche Minister und Regierungsbeamte im Visier gehabt - und das schon seit mindestens 1999. Denn unter den Bespitzelten war auch der Kurzzeit-Finanzminister Oskar Lafontaine.

Die Verlogenheit der USA

Das wiederum ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Öffentlich erklären die USA ihre Wissbegierde immer mit dem Totschlagargument Terrorabwehr und nehmen dabei Bezug auf den Anschlag auf das World Trade Center. Der war aber erst zwei Jahre nach Lafontaines Rücktritt. Das also wäre schon mal ein Indiz für die Verlogenheit der US-Administration. Bemerkenswert ist weiterhin, dass es sich bei den Bespitzelten, seien es Deutsche, Franzosen oder Brasilianer, durchweg um sogenannte Freunde der Vereinigten Staaten handelt. Entsprechend groß ist folglich der Aufschrei. Die eigenen Freunde aushorchen – Unverschämtheit.

Die Russen sollen sie natürlich abhören, die Amerikaner, und die Nordkoreaner, die Iraner und wer weiß wen – was sie mit Sicherheit auch tun. Aber uns Deutsche? Das geht doch nicht!

Doch, das geht. Man muss nur mal mit der Mär aufräumen, dass es Freundschaften zwischen zwei Staaten gibt. Das ist naiv. Staaten haben bestenfalls gemeinsame Interessen: wirtschaftliche, militärische, weltanschauliche. Aber Freundschaft? Jeder Staat konkurriert auch mit dem anderen. Zumindest auf wirtschaftlicher Ebene. Warum also regen wir uns so auf, wenn die Amerikaner uns bespitzeln?

Die Russen und Chinesen tun es doch auch. Der Vorsitzende im NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag, Patrick Sensburg, sieht die USA gleichwohl "erheblich unter Erklärungsnot". Tatsächlich? Hat der Bundesnachrichtendienst der NSA nicht dabei geholfen, den NATO-Partner Frankreich auszuspähen? Wie erklärt der CDU-Mann das? Wenn eines erklärungsbedürftig ist, dann doch wohl, warum deutsche Politiker erst jetzt misstrauisch werden. Was haben sie denn bislang geglaubt, was Geheimdienste tun? Dass die USA die Kanzlerin abhören, ist gewiss skandalös. Der eigentliche Skandal aber ist, dass es ihnen gelingt. Was sagt das über die deutsche Spionageabwehr aus? Es ist schlicht zum Haare Raufen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Bundesinnenminister Thomas de Maizière räumt unumwunden ein, dass westliche Geheimdienste nicht Gegenstand der Spionageabwehr waren. Bedurfte es wirklich erst der Enthüllungen eines Edward Snowden, um sich der alten Weisheit zu entsinnen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? Ja, so ist es leider. Immerhin soll diese Kontrolle jetzt Standard sein. Man sei misstrauischer geworden, so de Maizière. Westliche Nachrichtendienste würden nun ebenso überprüft wie andere auch.

Und falls ja, was mehr als wahrscheinlich ist, haben sie Wissen abgeschöpft, das der heimischen Industrie schadet? SPD-Vize-Kanzler Sigmar Gabriel ist alarmiert. Sein Wirtschaftsministerium sei mit dafür zuständig, deutsche Unternehmen zu schützen.

Hoffentlich gelingt das auch. Zweifel sind nicht nur erlaubt, sie sind angebracht.
Quelle: Deutschlandfunk

Danke Klaus für den Link

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