Donnerstag, 3. Mai 2018

Die einstmals "mächtigste Frau der Welt" - rapides Ende eines Höhenflugs?

Thema: Meinung

Von der Weltkanzlerin zur Randnotiz –
Angela Merkels Stern rapide im Sinken begriffen

Dass Kanzlerin Merkel von ihrer USA-Reise zu Präsident Donald Trump ohne zählbare Erfolge zurückgekehrt ist, bestätigt ihre Kritiker. Mag sie in Deutschland selbst noch fest im Sattel sitzen - im Ausland verliert sie rapide an Terrain.

von Reinhard Werner

Die deutschen Leitmedien waren sich noch wenige Monate vor der Bundestagswahl einig: Deutschland ist mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesegnet wie kaum ein anderes Land. Die Zeit, der Spiegel und einige weitere Blätter sprachen sogar von der "Weltkanzlerin" - Merkel, so war man sich einig, sei genau die erfahrene und allseits beliebte Führerin, die das Land und Europa jetzt brauchen, um den immer stärker werdenden Populisten und Autokraten, die allenthalben die freie Welt verhöhnen, machtvoll die Stirn zu bieten.

Innenpolitisch hielt ihr der "demokratische Konsens" ohnehin den Rücken frei. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, Presse, Radio und Fernsehen, die Kirchen, Sozialverbände, führende NGOs, Prominente und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens standen und stehen wie eine Phalanx hinter ihr, ja sogar radikale Linke bis hin zur Antifa sahen sich durch Merkel mit dem versöhnt, was einstmals noch für sie der "kapitalistisch-faschistische Schweinestaat" war.

Das hatte seine Gründe: Zwar wiesen Medien unisono unter Berufung auf Studien namhafter wissenschaftlicher Einrichtungen stets energisch die Behauptung zurück, es gebe aufgrund der Vergangenheit einen Schuldkomplex, der unterschwellig politische Entscheidungen in Deutschland in unsachlicher Weise beeinflusse. Dennoch war etwa die Frage der Flüchtlingspolitik 2015 eine, die zu keiner Zeit in Kategorien der Machbarkeit, Sozialverträglichkeit oder Sinnhaftigkeit, sondern einzig in den Kategorien von Gut und Böse diskutiert wurde.

Psychologisch traf die Kanzlerin dabei einen Nerv: Merkels vorbehaltloses Bekenntnis zu Europa und ihre Entscheidung, angesichts der Eskalation der Flüchtlingskrise großzügig Deutschlands Grenzen zu öffnen, gaben die Gewissheit, wenn schon nicht die politische, so doch wenigstens die moralische Supermacht in der Welt geworden zu sein. Der blindwütige Humanitarismus des "Wir schaffen das" sollte den endgültigen Schlusspunkt hinter jenen Prozess der Selbsterlösung markieren, der nach herrschender Lesart Deutschland von 1968 an durch einen schonungslosen Prozess der Vergangenheitsbewältigung wieder in den Kreis der zivilisierten Nationen zurückgeholt hatte. Man war wieder wer und konnte selbstbewusst wie nie zuvor stolz darauf sein, nicht stolz zu sein. Henryk M. Broder meinte einst in der Welt dazu: "Angela Merkel hat Deutschland entschuldet."

Innenpolitische Unterstützerfront schaffte zunehmend Filterblase

Deutschland blieb entsprechend weitgehend ein Safe Space für die Kanzlerin. Kritik an ihren politischen Leitentscheidungen beschränkte sich weitgehend auf die AfD und vereinzelte Exponenten der Linken oder der FDP. In der Moralrepublik hatte dies jedoch zur Konsequenz, dass diese sich in mithilfe machtvoller Keulen wie dem "Putinversteher"-, "Populismus"- oder "Rassismus"-Vorwurf problemlos so klein halten ließ, dass an der erforderlichen Mehrheit für eine Wiederwahl Merkels nie ernsthaft zu zweifeln war.

Sosehr Merkels Kanzlerschaft jedoch den Stützen der Gesellschaft im "anständigen Deutschland" schmeichelte, so taub wurde die herrschende Klasse gegenüber Kritik von außen. Dass Deutschland als ökonomische Übermacht die EU dominierte und dort im Regelfall das letzte Wort hatte, war nicht gleichbedeutend mit einer entsprechenden Beliebtheit in den einzelnen Mitgliedsländern. In einem Land wie Griechenland, dessen Banken Merkel auf Kosten eines weitgehenden Zusammenbruchs des dortigen sozialen Gefüges rettete, fürchtet man Deutschland, aber man liebt es nicht. Und auch außerhalb der EU war Merkel zu keiner Zeit so unumstritten, wie der breite parteipolitische Rückhalt für ihre großen politischen Projekte oder der große mediale Rückhalt im eigenen Land vermuten ließen.

Der damalige österreichische Oppositionsführer und heutige Vizekanzler Heinz-Christian Strache warnte bereits in der ORF-Pressestunde vom 12. März 2017 vor einer "Merkel-EU", die sich infolge einer konfrontativen und überheblichen Haltung mit immer mehr Ländern in einem Konflikt befinde.

Der selbstgerechte Moralismus Merkels selbst, ihrer Kabinettsmitglieder, ihrer loyalen Medien und ihrer potenziellen grünen Koalitionsreserve ist in der Tat im Ausland nicht unbemerkt geblieben. Entsprechend gewannen auch nach den Schocks des Brexit und der Trump-Wahl, der die "Weltkanzlerin" eigentlich entgegensteuern sollte, mehr Politiker ihre Wahlen, wenn sie sich von Merkel abgrenzten, als wenn sie sich mit ihr solidarisierten.

Alte Freunde vergrätzt, ohne neue gewonnen zu haben

Ob in Österreich, in Italien, in Tschechien oder in Ungarn: Merkels Vorstellungen von einem großen und starken Europa, das eine harte Haltung gegenüber Russland und offene Türen für junge Männer aus dem Nahen Osten und Afrika an den Tag legen sollte, waren in all diesen Ländern nicht einmal ansatzweise mehrheitsfähig.

Vonseiten Russlands, das in den Jahren der Kanzlerschaften Kohls und Schröders zu einem der wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands geworden war, hat Merkel ohnehin schon lange kein Vertrauen mehr zu erwarten. Ohne Not und aus bloßer Angst vor schlechter Presse ist sie zu den wortgewaltigsten Fürsprechern des Maidan-Putsches geworden und hält bis heute unbelehrbar an jedem damit verbundenen Narrativ fest. Selbst als Energiepartner wird Deutschland unter Merkel immer unglaubwürdiger, seit sie sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit als oberste Bedenkenträgerin bezüglich bedeutsamer Projekte wie Nord Stream 2 präsentiert. Da die neue Führung der Ukraine ihr Land entgegen den offensichtlichen Erwartungen aus Berlin lieber in ein ultranationalistisches Disneyland umwandelt, als die Korruption zu bekämpfen und die Wirtschaft in Gang zu bringen, hat Deutschland durch seine einseitige Parteinahme deutlich mehr an Chancen für sich selbst verloren, als in absehbarer Zeit nachwachsen dürften.

Auch in Israel ist die Zuneigung gegenüber der "Weltkanzlerin" ungeachtet fallweiser Lippenbekenntnisse zur historischen Verantwortung und Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland sehr eingeschränkt. In Israel löst vielerorts auch die Flüchtlingspolitik Merkels als solche Kopfschütteln aus.

Gleichzeitig vermag es Merkel nicht einmal dadurch, in verbündeten muslimisch geprägten Ländern wirkliches Ansehen zu erlangen. In der Türkei ziert die deutsche Kanzlerin beispielsweise immer wieder mal mit SS-Uniform und Hakenkreuzbinde die Titelblätter von Boulevardzeitungen, etwa wenn wieder einmal ein Konflikt über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker oder über den Umgang deutscher Behörden mit türkischen Regierungskritikern aufflammt. Ein nicht unerheblicher Teil der in Deutschland lebenden Türken, auch solcher mit deutschem Pass, betrachtet nicht Angela Merkel als ihre Regierungschefin, sondern Recep Tayyip Erdoğan. Dies wäre nicht der Fall, könnte sich die türkische Einwanderercommunity mit dem Deutschland, das Angela Merkel verkörpert, identifizieren.

USA-Besuch wird zum Fiasko

Der jüngste Besuch bei US-Präsident Donald Trump, von dem Angela Merkel aller netten Gesten zum Trotz mit leeren Händen zurückgekommen war, hat selbst in manchen deutschen Medien den Eindruck verstärkt, außerhalb des eigenen Landes würde kaum noch jemand der Kanzlerin nennenswerte Autorität zubilligen.

Das Handelsblatt, sicher nicht der Inbegriff eines Merkel-kritischen Agitationsmediums, räumt ein, dass Trump weder mit Blick auf die Frage der Strafzölle noch hinsichtlich des Atomabkommens mit dem Iran - der von Berlin und Brüssel bis dato stets deutlich nachsichtiger behandelt wurde als Russland, Polen oder Ungarn - auch nur ansatzweise Entgegenkommen signalisiert hat.

Der Autor und Publizist Ramin Peymani bezeichnet Merkel sogar als "Lame Duck", vergleicht sie also mit den US-Präsidenten George W. Bush und Barack Obama in der Endphase ihrer jeweils letzten Amtszeit, nachdem ihre Parteien die Kongressmehrheiten verloren und deshalb kaum noch Gesetzesvorhaben umsetzen konnten.

In der Epoch Times schreibt Peymani:
Angela Merkels Zeit ist vorbei. Immer deutlicher wird dies bei ihren internationalen Auftritten, bei denen die angeblich einst einflussreichste Frau der Welt mehr und mehr zur Randfigur verblasst.
Merkel bezahlt mit ihrem zunehmenden Bedeutungsverlust am Ende den Preis für die Substanzlosigkeit der hochtrabenden deutschen Moralpolitik. Auch die vermeintlich verbliebenen internationalen Partner sehen, dass ein hohes Maß an Selbstgerechtigkeit und ein vorgebliches Sendungsbewusstsein nicht immer auch entsprechendes Handeln zur Folge haben.

War die deutsche Regierung unter den Ersten, die angesichts der dubiosen Gift- bzw. Giftgasvorwürfe Großbritanniens im Fall Skripal und später im syrischen Duma diese auch ohne Beweise als stichhaltig betrachteten, machte sich Berlin dennoch am Ende unbeliebt, indem es die Angelegenheit weitgehend auf sich beruhen ließ und sich nicht einmal symbolisch am begrenzten "Vergeltungsschlag" unter US-Führung beteiligte.

Auch mit dem vollmundigen Europabekenntnis ist es nicht allzu weit her, sobald es ans Eingemachte, sprich ans eigene Geld geht. Das belastet mittlerweile auch die vormals unerschütterlich geglaubte Beziehung zu Frankreich und dessen politischem Sonnyboy Emmanuel Macron, der mit seinen hochtrabenden EU-Reformvorschlägen ausgerechnet in Berlin auf Granit biss.

Selbst mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau, dessen brachialer Pseudogutmenschen-Liberalismus dem deutschen Mainstream die Sinne verwöhnt und zwischen den und die Kanzlerin in den meisten politischen Zukunftsfragen kaum ein Blatt passt, ist das Verhältnis nicht friktionsfrei, wie im Vorjahr die Unwägbarkeiten rund um das Freihandelsabkommen CETA zeigten.

Peymani schreibt weiter:
Die Kanzlerin von GroKos Gnaden, das 'schwächste Glied Europas', droht am ausgestreckten Arm der politisch Mächtigen zu verhungern. Verblieben sind ein paar Getreue in Brüssel, die Angela Merkel zur Erfüllung der eigenen politischen Agenda brauchen. Für sie ist die deutsche Kanzlerin allerdings von immer geringerem Nutzen. Es ist eine Frage der Zeit, bis Merkel auch ihre letzte Bastion verliert.
Am Ende könnte Merkel, die in Deutschland immer noch darauf bauen kann, dass in den Reihen der Etablierten kein Nachfolger in Sicht ist, sie noch ausreichend Steigbügelhalter zur Auswahl hätte und die Opposition systematisch benachteiligt wird, zwar ihre eigene Hausmacht noch halten. International aber würde sie Deutschland mit ihrer Politik einmal mehr in die Isolation treiben.

Quelle: RT-Deutsch

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