Donnerstag, 3. November 2016

Benzin- und Dieselfreie Zukunftsträume deutscher Politikerdarsteller

Thema: Zukunftsträume

Zukunftsbericht 2050 aus dem Ministerium
für Energiezuteilung und Mangelwirtschaft

2030 soll sich der letzte Zündschlüssel in einem neu zugelassenen Auto mit Verbrennungsmotor drehen, danach sei Schluss mit Diesel und Benzin. Es wird natürlich selbst dann noch eine ganze Weile dauern, bis es nur noch Verbrenner-Autos mit historischen „H-Kennzeichen“ auf unseren Straßen geben wird und Benzin wieder wie vor 1900 nur in der Apotheke zu kaufen ist, doch das Ziel des ganzen Decarboninsierungswahns ist unter anderem eine 100%ige Elektromobilität. So steht es geschrieben in diversen chlorfrei gebleichten Strategiepapieren der Parteien und dann machen wir das auch so! Aber wie würde das in der Praxis aussehen? Wie würde sich die Gesellschaft verändern? Gäbe es Gewinner und Verlierer eines solchen Umbaus? Begeben wir uns also kurz ins Utopia von Katrin Göring-Eckardt, Anton Hofreiter und Angela Merkel und legen den Schalter um von Öl auf Ökostrom.

Wir gehen in der Rechnung zunächst davon aus, dass die Deutschen es sich nicht nehmen lassen wollen, selbst über Tag und Stunde bestimmen zu können, zu der sie ihre Fahrzeuge bewegen und dass es sich dabei immer noch um größtenteils private Fahrzeuge handeln wird. Aber selbst wenn diverse Car-Sharing-Dienste besonders in den Großstädten zunehmen würden, dürfte die pro Person zu erbringende Transportleistung kaum kleiner werden. Dadurch verringert sich nur die Anzahl der PKW, nicht die Anzahl der gefahrenen Kilometer oder der Energiebedarf. Wir müssen also die Energie, die im Jahresverbrauch an Diesel und Benzin steckt, in Form von elektrischem Strom bereitstellen. Im Jahr 2014 sah der Verbrauch von Kraftstoffen in Deutschland so aus (energetische Umrechnung siehe hier):

43,2 Milliarden Liter Dieselkraftstoff je 9,86 kWh = 425,9 Milliarden kWh sowie
25 Milliarden Liter Benzin je 8,77 kWh = 216,25 Milliarden kWh

Zusammen also 642 Milliarden kWh. Aber keine Bange, diese Energie wird technisch bedingt wegen des Verbrennungsmotors nur zu etwa 30% genutzt, während ein Elektroauto auf stolze 85% Energieeffizienz kommt. Probleme mit Außentemperatur, füllstandabhängigem Verbrauch und Selbstentladung vernachlässige ich hier mal. Wir können den Energiebedarf also durch 2,4 teilen und müssten so nur noch 267,58 Milliarden kWh pro Jahr bereitstellen, damit sich auf den Straßen die Räder drehen. Ob das viel oder wenig ist, spielt zunächst mal keine Rolle. Auf jeden Fall ist es Energie, die zusätzlich zu den etwa 2015 erzeugten 646 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom erzeugt und bereitgestellt werden muss. Das entspricht etwa einem Drittel des derzeit jährlich in Deutschland erzeugten Stroms. Oben drauf. Das ist ein dickes Stück Energie und das muss irgendwo produziert werden. Nur wie, das ist die Frage.

Ein durchschnittliches Kernkraftwerk hat eine Nennleistung von 1 Gigawatt und man kann pro Jahr mit etwa 8.000 Betriebsstunden rechnen. Macht also 8 Milliarden kWh pro Jahr. Wir bräuchten somit etwa 33 neue Kernkraftwerke, um die Energie zu erzeugen, die wir im Jahr 2014 in Form von Benzin und Diesel verbraucht haben. Rechnen wir nicht in Kernkraftwerken, von denen haben wir uns ja dank eines kurzen Nachdenkens von Frau Merkel verabschiedet. Wir schalten lieber 17 AKW ab als 33 neue zu bauen! Rechnen wir auch nicht in Kohlekraftwerken, denn die erzeugen CO2, was uns bei der „Decarbonisierung“ leider gar nicht hilft. Aber kann man in Windanlagen rechnen? Oder in Quadratmetern Solarvoltaik? Im spanischen Weltreich des 16. Jahrhunderts ging die Sonne bekanntlich niemals unter, dieses Privileg haben wir in Deutschland leider nicht. Auch der Wind ist ein sehr unzuverlässiger Geselle, selbst dann, wenn wir die Offshore-Kraftwerke in der Nordsee nehmen…im schlimmsten Fall ist es möglich, dass kein einziges der wind- und sonnenabhängigen Kraftwerke Strom liefert. Zumindest weht der Wind bei Tag und Nacht gleichermaßen wahrscheinlich, was man von der Einsatzbereitschaft einer Solaranlage kaum sagen kann. Deshalb rechnen wir ab jetzt der Einfachheit halber nur mit der Windenergie weiter.

Ein On-Shore Windrad leistet heute etwa 3 Megawatt und kommt auf 1500-5000 Volllast-Betriebsstunden pro Jahr. Eigentlich kann man mit keiner einzigen Kilowattstunde wirklich rechnen (obwohl man auch mit allen Volllastbetriebstunden fertig werden muss) und es gibt erhebliche Regel-Probleme nach oben und unten, wir rechnen aber mal sehr optimistisch und nehmen an, dass jedes Windrad 3000 Stunden läuft und so pro Jahr insgesamt 9 GWh (0,009 TWh) erzeugen kann – wann immer das auch sein mag oder wie über das Jahr verteilt. Um die benötigten 267 TWh für unsere Elektromobilität zu erzeugen, bräuchte man also etwa 29.666 große Windanlagen – theoretisch, Sie wissen schon. Denn leider sind Wind- und Solaranlagen nicht grundlastfähig, weil sie den Strom nicht dann erzeugen, wenn er gebraucht wird – und andererseits, wenn er erzeugt wird, er auch sofort verbraucht werden muss. Autos laden geht also nur, wenn der Wind weht – das zu regeln muss das „intelligente Netz“ der Zukunft leisten.

Willkommen in Nordkorea

Derzeit schaffen die 26.800 installierten Windanlagen einen Anteil von 13.3% an der deutschen Stromproduktion. Um den Anteil auf theoretische 100% zu steigern, wären weitere 115.000 Anlagen notwendig, plus die 29.666 Anlagen für unsere Elektromobilität, macht etwa 171.500 Anlagen oder je 2,1 km2 in Deutschland ein Windrad oder alle 1,45 km in jede Richtung ein Windrad, egal ob Hochgebirge, Münchner Innenstadt, Naturschutzgebiet oder Arena auf Schalke – herzlichen Glückwunsch, auch an euch, liebe Zugvögel! Außerdem würde Deutschland bei Windstille vom Weltall aus betrachtet nachts so aussehen wie Nordkorea.

Alles intelligent geregelt – das volatile Stromnetz der Zukunft

Wenn Sie sich daran gewöhnt haben, sich morgens zu einer bestimmten Zeit mit dem Auto auf Ihren Weg zur Arbeit zu machen, werden Sie sich umstellen müssen. Denn nur, wenn über Nacht genug Kapazität im Netz war, hat Ihr Auto aufladen können. Außerdem hingen zur selben Zeit so viele andere Autos am Tropf, dass das „Intelligente Netz“, welches es heute noch gar nicht gibt, ausgerechnet Ihrem Auto das Laden verweigerte. Pech gehabt, mehr Glück beim nächsten Mal. Vielleicht reden Sie mal mit Ihrem Chef, ob er für ein saftiges Entgelt Ihre Ladepriorität im Ministerium für Energiezuteilung und Mangelwirtschaft erhöhen lassen könnte. Denn Sie wissen ja: Grüne Minister und VIP Stromkunden werden zuvorkommend beliefert. Für die VIP‘s entfallen auch die Zwangspausen auf längeren Reisen oder im Büro, wenn das intelligente Netz zwecks Abbau von Netzüberkapazitäten alle Autofahrer von der Straße und aus den Büros holt. Freie Fahrt, auch bei Schwach- oder Starkwind – daran erkennt man die mobile Oberklasse im Jahr 2050.

Da Sie nun nicht zur Arbeit fahren können, haben Sie die Gelegenheit, mal ausgiebig zu frühstücken. Leider konnte der Bäcker keine Brötchen backen, ihm fehlte die Energie. Aber die Prognose des intelligenten Netzes sagt, dass es so gegen 11 Uhr soweit sein könnte, der Bäcker wird rechtzeitig automatisch geweckt, um sein Energiefenster optimal nutzen zu können. Ihre Netz-Energieuhr sagt Ihnen sowieso gerade, dass jetzt noch nicht die Zeit zum Frühstücken ist. Legen Sie sich also wieder hin, decken Sie sich gut zu und denken nicht mal an die Heizung. Die gehorcht Ihren Wünschen nämlich nur dann, wenn es Strom dafür gibt. Ab 11 Uhr vielleicht. Denn für „Heizung um Sieben“ reicht Ihr Gehalt ausgerechnet heute nun wirklich nicht!

Da es nach abgeschlossener Energiewende kaum noch grundlastfähige Kraftwerke gibt, dienen die wenigen Wasserkraftwerke vor allem dazu, das intelligente Netz zu erhalten und die Energie für die Regelprozesse und IT zu liefern. Die Steuerung sämtlicher Energieprozesse (Einspeisung und Verbrauch) musste an das Netz übergeben werden, welches nun genau und automatisiert regelt, wann eine Waschmaschine läuft, ein E-Auto geladen (oder entladen) wird und ob und wann ein Rock-Konzert stattfinden darf. Letzteres kann nur gesichert stattfinden, wenn alle Besucher die Restkapazität ihrer E-Autos an die Bühnenanlage abgeben – vielleicht reicht es ja sogar noch für den Heimweg, wenn die Band auf die Zugabe verzichtet. Jederzeit müssen die Verbraucher sich an die extremen Energieangebots- und Preisschwankungen anpassen, die Taschenlampen-App am Smartphone wird so sicher zur wichtigsten Funktion im Jahr 2050.

Musste man früher nur einen Schalter umlegen, um Strom zu verbrauchen, ist der Schalter in der Zukunft nur noch dazu da, den Wunsch nach Verbrauch anzukündigen. Den Rest regeln das Netz, Ihre Stellung im System und der Zufall des Gleichgewichts an Energieangebot und Energienachfrage. Das Netz sorgt auch schon mal dafür, dass mitten in der Nacht alle Lichter angehen, weil eine gigantische Kapazitätsblase die Netze zu überlasten droht, da mal wieder ein „Sturm mit Namen“ über Deutschland fegt. In dem Fall werden Sie aber zuverlässig automatisch geweckt, denn Lichtzeit ist Lesezeit! Nutzen Sie die Gelegenheit, schlafen können Sie morgen früh, wenn der Wind sich wieder gelegt hat!

Auf unsere Nachbarn in Europa können wir im Energienotfall übrigens nicht mehr hoffen. Die haben sich mittlerweile von unserem Netz abgekoppelt, weil die Unberechenbarkeit unserer Import/Export-Strommengen die Stabilität in ihren eigenen, nicht so stark geregelten Netzen ständig gefährdete. Energie-Insel Deutschland. Energiespeicher? Immer noch nicht in Sicht. Nicht für diese Kapazitäten. Außerdem ist einfach kein Platz für große Pumpspeicherkraftwerke, weil überall Windkraftanlagen stehen oder der Juchtenkäfer siedelt. Eine entwickelte menschliche Gesellschaft, die weitestgehend unabhängig von Tageslicht, Temperatur, Jahreszeit, Wind und Flaute funktioniert, konsumiert, verbraucht und „einfach so“ lebt, wird es dann nicht mehr geben. Jedenfalls nicht für alle.

Weniger ist das neue mehr, gemeinsam das neue individuell

Aber vielleicht führt uns diese Mangelenergie-Utopie auch gleich einen Schritt weiter. Vielleicht bauen wir mehr als nur unsere Energiewirtschaft um, dann müssen wir nicht ganz so viele Windkraftanlagen bauen. Zunächst einmal stellen wir sicher, dass es keine Notwendigkeit mehr für Individualverkehr gibt. Jeder wohnt maximal 10 Kilometer von seinem Arbeitsplatz entfernt. Private Autos brauchen wir dann nicht mehr, das Fahrrad übernimmt die Kurzstrecke. Die energieaufwendige Versorgung eines jeden einzelnen Haushaltes mit Lebensmitteln und anderen Gütern muss wegfallen. Wir kochen und essen viel effizienter in Gemeinschaftsküchen, die zentral beliefert werden können. Supermärkte gibt es auch nicht mehr, so fällt noch ein Transportschritt weg. 99% der Menschen in Deutschland wohnen dann in Metropolen mit mindestens 500.000 Einwohnern, eine Reise „weit weg“ wird für die meisten genauso undenkbar sein wie vor 200 Jahren, denn aus energetischen Gründen bewegen wir uns nur selten aus unserer Home-Zone heraus. Vor 200 Jahren war es der Mangel an Transportmöglichkeiten – es gab nur das Pferd – in Zukunft ist es der Mangel an Energie, der uns an einen Ort fesselt.

Tschüss Autoindustrie, es war schön mit dir all‘ die Jahre. Das war’s dann Tourismus, die Welt gibt’s nur noch bei GoogleEarth. Auf Nimmerwiedersehen, chemische Industrie und Pharmazie! Euren Bedarf an ununterbrochener Energiezufuhr können wir nicht mehr befriedigen. Metallurgie und Maschinenbau, macht‘s gut! Euer Stahl will einfach nicht so schmelzen, wie Wind und Sonne dies gestatten. Ihr alle werdet schon ein Plätzchen finden auf dem Planeten und die Fachkräfte aus Deutschland werden sicher gern hinterherkommen. Aber das Flüchtlingsproblem, das ist gelöst. Wenn die Migranten erst sehen, wohin die Decarbonisierung Deutschlands Industriegesellschaft gebracht hat, biegt man mit seinem Traum vom eigenen BMW spätestens in Libyen lieber nach rechts in Richtung Indien ab. Dort erfüllt sich der Traum vom neuen 5er Modell vielleicht noch. Mit einem Auto aus den Bangalore Motoren Werken.

Fazit

Die Rechnungen hier können Sie aufgrund des vorliegenden Zahlenmaterials leicht selbst nachvollziehen. Es braucht nicht viel mehr als Dreisatz. Mir ist völlig klar, dass ich mit meinen Annahmen meilenweit danebenliegen könnte. Ich bin sicher, dass ich versehentlich einige Fehler übernommen habe, die das Ergebnis mehr oder weniger beeinflussen, aber mein Ansatz ist ja auch nicht streng wissenschaftlich, sondern empirisch. Allerdings habe ich bereits ähnliche Rechnungen mit ähnlichen Ergebnissen von seriösen Wissenschaftlern gesehen. Im besten Fall ist das alles hier Humbug und die Energiewende wird am Ende tatsächlich genau wie geplant funktionieren, weil Skeptiker wie ich irgendetwas Entscheidendes übersehen haben. Vielleicht ist es aber auch genau umgekehrt und der „Große Plan“ hat am Ende nicht mehr Substanz und Wirklichkeitsbezug als ein Fünf-Jahres-Plan des Zentralkomitees der SED. Vielleicht haben die Initiatoren der Energiewende und der Decarbonisierung ihrerseits etwas Wichtiges übersehen und wir gehen gerade einen sehr gefährlichen Weg – dass wir ihn derzeit fast allein gehen, könnte ein Indiz dafür sein. Vielleicht zeigt der epische Irrtum des Jürgen Trittin, der meinte, die Energiewende werde jeden Bundesbürger monatlich „nicht mehr kosten, als eine Kugel Eis“ aber auch, dass es genauso gut seine Seite sein könnte, die komplett danebenliegt.

Und wie immer gilt: wer es besser weiß, darf meine Zweifel gern mithilfe stichhaltiger Kommentare zerstreuen.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors, ursprünglich erschienen auf: unbesorgt.de

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