Thema:
Wirtschaft
Das Rennen um die digitale Zukunft des Geldes
Was hinter der Anti-Bargeld-Agenda steckt
Seit einiger Zeit schon rauschen in regelmäßigen Abständen Wellen durch Politik und Medien, die das Zurückdrängen von Bargeld zum Ziel haben. Mit einem neuen Vorstoß will die Bundesregierung nun Bargeld-Geschäfte ab 5.000 Euro für illegal erklären. Doch was steckt hinter dieser Agenda? Der Ausbau des Überwachungsstaates? Die Absicherung der Großbanken vor einem möglichen Kundenansturm oder gar ein Machtkampf um die völlige Umgestaltung des Finanz- und Geldwesens im digitalen Zeitalter?
Immer wieder sind es kleine Vorschläge und Vorstöße, die alle auf das selbe Ziel hinauslaufen. Mal will die SPD, wie vergangene Woche, 500-Euro-Scheine abschaffen, mal spricht sich die Regierung für ein Gesetz aus, das jeden Bürger, der ein Bargeschäft im Wert von über 5.000 Euro tätigt, praktisch zum Verbrecher macht. Selbiges meldete die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrer gestrigen Ausgabe. Hinzu gesellen sich John Cryan, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, der jüngst verkündete, Bargeld "werde in den nächsten zehn Jahren verschwinden". Kommentatoren in Medien wie Bloomberg unterfüttern dort die Kampagne mit scheinbaren Argumenten.
Doch diese sind so einfältig wie absurd, dass unweigerlich gefragt werden muss, was eigentlich hinter der Anti-Bargeld-Agenda steckt. Mal heißt es, die Scheine seien "unhygienisch" und könnten Krankheiten übertragen, mal wartet man mit der Verheißung auf, dass Kriminalität ohne Bargeld praktisch verunmöglicht werde. Geldwäsche, Drogen- und Menschenhandel gehören dann der Vergangenheit an. Doch werden Mafia-Clans tatsächlich ihr einträgliches und ohnehin illegales Werk beenden, weil neben dem Kerngeschäft auch die Transaktion großer Bargeld-Mengen künftig illegal sein soll? Wohl kaum.
Und natürlich darf eine Begründung in dem bunten Strauß der konstruierten Argumente nicht fehlen: Der Terrorismus. So ist es, laut FAZ, dem Bundeswirtschaftsministerium nicht zu peinlich, die Anschläge von Paris am 13. November 2015 als Begründung für eine Begrenzung zulässiger Bargeld-Geschäfte anzuführen.
Dass natürlich auch mit den aufstrebenden digitalen Währungen jegliche illegale Geschäfte möglich sind, wird dabei unterschlagen. Lange sorgte die im Darknet gelagerte Drogenhandelsplattform "Silk Road", auf der interessierte Konsumenten Substanzen aller Art für Bitcoin kaufen konnten, für Furore. Nur mit massivem Aufwand gelang es dem FBI, den für die Gründung der Plattform verantwortlich gemachten Ross Ulbricht zu einer Unachtsamkeit zu bewegen, die 2014 in dessen Festnahme und Verurteilung mündete. An der generellen Nutzung kryptographischer Währungen, auch für illegale Zwecke, hat sich dadurch jedoch nichts geändert. Ganz wie in der analogen Welt stellt eine Drogen-Gang natürlich nicht ihre Geschäfte ein, wenn eines ihrer Mitglieder von der Polizei überführt wird. Der Handel findet jetzt einfach auf Plattformen mit anderen Namen statt. Der Bitcoin selbst zeigte sich von dem ganzen Trubel eher unbeeindruckt und notiert aktuell bei 372 Dollar.
Als vor zwei Tagen bekannt wurde, dass eine Gruppe von Hackern in ein NASA-Netzwerk eingedrungen ist, mit dem erklärten Ziel, Beweise für "die Existenz von Chemtrails/Wolkenimpfung/Geoengineering/Wetter-Beeinflussung oder wie auch immer man es nennen will" ausfindig zu machen, spielte abermals Kryptogeld eine Rolle.
Von einem anderen Hacker hat sich die Gruppe einen Zugang zum NASA-Netzwerk gekauft. Bezahlt wurde in Bitcoin. Ein Chat, den die Hacker in ihrer Stellungnahme veröffentlichten, dokumentiert das Geschäft: "Cryptogeld geht in Ordnung? Wir werden die Coins mehrmals wälzen, damit sie 100 Prozent sauber sind. Bitcoin oder Litecoin? Bitcoin." so der Chat, der den Deal beschreibt:
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(3:34) Bashtien : so crypto funds are no problem m8
(3:35) хуй : ^^
(3:35) d3f4ult : We will even tumble the coins multiple times, so they are 100% clean
(3:35) TGab : Those poor Cossaks, ha
(3:37) Shimo7even : BTC or LTC?
(3:37) 鬼佬 : btc "
Die Schuldenstände steigen weiter, sukzessive kommt es zur Einführung negativer Zinsen, wie jüngst in Japan, die es für Sparer immer unattraktiver machen, ihr Geld überhaupt auf der Bank liegen zu lassen. Hinzu kommt die nicht unbegründete Befürchtung vor einem sogenannten "Bank run". Neue Krisen könnten die Menschen in Scharen an die Bankschalter treiben, um ihr Geld abzuheben. Wenn alle dies auf einmal tun, kann das System schnell kollabieren. Ein Verbot größerer Bargeldgeschäfte kann eine bremsende Wirkung auf diese mögliche Dynamik haben. Wie man es auch dreht und wendet, die Anti-Bargeld-Agenda offenbart eher die Schwäche der etablierten Akteure im angeschlagenen Finanzsystem, als einen ausgefeilten Masterplan zur totalen Kontrolle.
Internationale Großbanken sind in einer misslichen Lage. Zu der nahezu gesamtgesellschaftlichen Ächtung der Branche kommen schon erwähnte, teils bahnbrechende Entwicklungen aus der Informatik und Kryptographie. Während Bitcoin als erster Genie-Streich noch einige Mängel aufwies, die jedoch den famosen Erfolg des außerhalb des Bankensektors entwickelten Digitalgeldes nicht aufhalten konnten, versuchen neue Ansätze noch einen Schritt weiter zu gehen. Der als Spaßwährung gestartete Dogecoin etwa, bei dem eine Einheit nur den Bruchteil eines Cents wert ist, kann bereits eine Marktkapitalisierung von 30 Millionen Dollar verzeichnen und bietet deutlich schnellere Überweisungszeiten als der Klassiker Bitcoin.
Die etablierte Finanzindustrie befindet sich nun etwa in derselben Situation, wie die Musikindustrie bei Erfindung von mp3. Sobald das "Youtube" des Cryptogeldes auf dem Markt ist, kann es ungemütlich werden für die Platzhirsche. Verlieren die Institute den Anschluss an die neuesten Entwicklungen, finden sie sich schnell auf dem Abstellgleis der Geschichte wieder.
Zahlreiche Großbanken zeigen daher Interesse für die Entwicklungen des in der Schweiz lebenden Russen Vitalik Buterin und seinem Team. Mit Ethereum wollen die Entwickler nicht nur eine neue digitale Währung anbieten, sondern die dem System zugrunde liegende "Blockchain-Technologie" für eine völlige Neugestaltung von Handel, Logistik und Finanzwesen nutzen. So genannte "Smart Contracts" sollen den vertrauensvollen Austausch von Gütern und Dienstleistungen ohne Mittelsmänner und Zwischenhändler möglich machen. Was jetzt noch die Bank erledigt, soll künftig in einem riesigen, dezentralen kollektiven Computernetzwerk berechnet werden.
Dass das Projekt Ethereum jedoch auch bei Goldman Sachs Interesse weckt, stößt in der traditionell banken- und regierungskritischen Cryptoszene auf viel Argwohn. Viel weiter ist man ohnehin schon bei dem mit Ethereum vergleichbaren Ansatz NEM, ein Akronym für "New Economy Movement". Das Team um den japanischen Chefentwickler "Makoto" verfolgt einen dezidiert philanthropischen Ansatz und schreibt sich nicht weniger als die Umgestaltung des gesamten Wirtschafts- und Finanzsystems im Sinne von Dezentralisierung und Demokratisierung auf die Fahnen:
Vor Kurzem veröffentlichte NEM ein Update seines Codes in dem vieles, was bei Ethereum noch in den Sternen steht, bereits umgesetzt ist. Laut der Entwickler signalisieren erste japanische Banken Interesse an dem Projekt.
Noch ist dabei jedoch nicht klar, wer am Ende wem von Nutzen sein wird. Gelingt es den etablierten Großbanken die Blockchain-Technologie und damit die Entwicklung kryptographischen Geldes unter ihre Kontrolle zu bringen, oder begehen diese den aus ihrer Sicht folgenschweren Fehler, Projekte erst groß zu machen, welche sie dereinst selbst überflüssig machen werden?
Ausgemacht ist dies längst nicht. Doch zweifellos liegt Deutsche Bank-Chef Cryan nicht ganz falsch, wenn er das baldige Ende des Bargeldes prophezeit. Mit Sicherheit wird es eine immer geringere Rolle spielen. Die große Frage wird dann lauten, ob mit der unweigerlichen Digitalisierung des Geldes die Akkumulation von Macht sowie die Kontrolle und Überwachung noch zunehmen, oder ob Projekte, die selten weniger als die totale Revolution ankündigen, das Rennen machen.
In jedem Fall sollte die Agenda zur Abschaffung des Bargeldes im Lichte dieser Entwicklungen betrachtet werden. Für die Banken und ihr "altes Geld" gilt es nun, die eigenen Reihen zu schließen. Der Normalbürger soll sich möglichst schnell an die Nutzung digitalen Geldes gewöhnen, freilich des Geldes, das der Bankensektor organisiert.
Im Moment gleichen die Banken einem Plattenladen, dessen Lager bis unter das Dach mit Vinyl gefüllt ist und der nur wenige CDs anbietet. Doch am Horizont zeichnet sich bereits ab, dass - im übertragenden Sinne - künftig jeder seine Musik im Internet herunterlädt. Dieses Rennen, bei dem das etablierte Finanzsystem bisher wenig zu bieten hat, wollen die Großbanken trotz ihres derzeitigen Rückstandes noch für sich entscheiden.
Und zwar bevor eine Alternative außerhalb des bestehenden Machtgefüges das bisherige System ersetzt. Dass Verbotsgesetze hier das geeignete Mittel - geschweige denn eine legitime Maßnahme - sind, kann jedoch angezweifelt werden.
Quelle: RT-Deutsch
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