Thema:
Syrien
Was soll die US-Warnung an Assad?
«Wir sehen eine fast absurde US-Strategie»
von Ann Guenter - Die USA wollen Hinweise auf einen erneuten Chemiewaffen-Angriff haben und warnen die syrische Regierung. Was hat es damit auf sich?
Die US-Regierung von Präsident Donald Trump hat Syriens Machthaber Baschar al-Assad vorgeworfen, möglicherweise einen Giftgasangriff vorzubereiten, der zu einem «Massenmord» an Zivilisten führen könnte. Die USA hätten «potenzielle Vorbereitungen für einen weiteren Chemiewaffenangriff des Assad-Regimes identifiziert, der wahrscheinlich einen Massenmord an Zivilisten, darunter unschuldige Kinder, zur Folge hat», sagte Trumps Sprecher Sean Spicer. Die USA seien in Syrien, um die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu «eliminieren». Wenn Assad aber einen weiteren Chemiewaffenangriff ausführe, werde er und seine Armee dafür einen «heftigen Preis» bezahlen.
Was hat es mit dieser Warnung auf sich, wie plausibel sind die Vorwürfe der Amerikaner und was lässt sich generell über Trumps Syrien-Strategie sagen? Antworten von Roland Popp, Nahost- und Sicherheitsexperte an der ETH Zürich.
Das Weisse Haus spricht von «potentiellen Vorbereitungen» für eine neue Chemiewaffen-Attacke. Wie lassen sich denn solche «Vorbereitungen» beobachten?
Wenn man Chemiewaffen einsetzt, wenn etwa eine Bombe durch ein Flugzeug abgeworfen werden soll, dann müssen bestimmte Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, um die Waffe respektive das Flugzeug entsprechend auf den Einsatz vorzubereiten. Wenn etwas in Vorbereitung wäre, könnten das Geheimdienste wohl aufschnappen. Es ist auch denkbar, dass man über abgehörte Kommunikationskanäle von solchen Plänen erfährt.
Wieso baut das Weisse Haus eine solche Drohkulisse auf?
Das ist unklar. Einiges deutet auf innenpolitische Motive hin, darauf, dass man von innenpolitischen Problemen ablenken will. Dafür spricht etwa, dass zu Beginn weder das US-Regionalkommando Centcom noch das Pentagon wussten, worauf dieser Verdacht gründet. Dass offenbar das Militär nicht informiert wurde, bevor diese Mitteilung des Weissen Hauses rausging, ist reichlich merkwürdig.
Ist diese jüngste Drohung ein Indiz für eine neue Syrien-Strategie der USA?
Darauf deutet wenig hin. In den letzten Wochen sahen wir eine sehr widersprüchliche, fast absurde amerikanische Strategie in Syrien: Einerseits die Versuche, im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) mit den Russen zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig wurde amerikanischen Kommandeuren vor Ort erlaubt, militärisch eigenständige Entscheidungen zu treffen. Das resultierte im Abschuss eines Jets der syrischen Luftwaffe und in diversen Bombardierungen von militärischen Kräften, die der Assad-Regierung nahestehen. Diese absurde Strategie hat die Kriegsgefahr erheblich erhöht und schadet letztlich dem Kampf gegen den IS.
Wie hat sich die amerikanische Syrien-Strategie unter Trump verändert?
Trump hat im Wahlkampf angekündigt, die «fehlgeleitete» Syrien-Strategie seines Vorgängers Barack Obama korrigieren zu wollen. Er wollte die USA weniger involvieren. Das Gegenteil ist eingetreten. So hat Obama niemals syrische Regierungstruppen oder deren Verbündete bombardiert, Trump hat das hingegen bereits mehrfach getan. Insofern macht Trump jetzt genau den Fehler, den er Obama und Hillary Clinton im Wahlkampf vorgehalten hat. Allzu zielführend ist das nicht.
Kann man aktuell überhaupt eine Syrien-Strategie erkennen?
Das ist tatsächlich fraglich. Zurzeit haben wir es mit einer sehr militaristischen US-Administration zu tun – einer Administration also, die den militärischen Stellen grosse Entscheidungsfreiheiten über vermeintlich militärische Fragen zubilligt, die aber rasch zu politischen Fragen werden können. Aufgrund der Inkompetenz dieser Administration könnte es also durchaus sein, dass die USA über Syrien in einen grossen Krieg geraten, ohne jemals eine wirkliche Strategie formuliert zu haben.
Was verstehen Sie unter «grossem Krieg»?
Die Amerikaner könnten wirklich direkt in den syrischen Bürgerkrieg involviert werden. Wir müssen uns bewusst sein: Die US-Präsenz in Syrien ist ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates und ohne Zustimmung der syrischen Regierung und damit eindeutig völkerrechtswidrig. Die Amerikaner legitimieren ihr Engagement damit, dass sie den IS bekämpfen. Gegenwärtig sieht es aber eher so aus, als würden sie aktiv auf eine Teilung des Landes hinwirken: So unterstützen sie die kurdische Selbstregierung im Norden und haben Truppen entlang der syrisch-jordanischen Grenze, wo sie bereits mehrfach mit der Assad-Regierung verbündete Milizen bombardiert haben. Den IS bekämpfen die Amerikaner im Süden Syriens so gut wie gar nicht. Damit werden die USA in Syrien irgendwann zur Bürgerkriegspartei, die dann möglicherweise in einen Konflikt gerade mit schiitischen Milizen gerät, die in Syrien operieren. Das alles könnte in einen grossen, konventionellen Konflikt zwischen den USA und Iran münden. Erst recht, da die derzeitige US-Regierung von stark anti-iranischen Kräften dominiert wird.
Mit freundlicher Genehmigung von 20min.ch
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