Dienstag, 16. August 2016

Deutsche Krankenkassen zahlen für türkische Angehörige in der Türkei mit

In der Türkei lebende Angehörige von hier krankenversicherten Türken sind kostenlos mitversichert - auch die Eltern. Diese Regelung gilt seit 50 Jahren lt. dem "Deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen". Bisher wurde das Abkommen nicht verändert oder außer Kraft gesetzt.

Nach dem „Deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen“, das am 30.4.1964 in Kraft getreten ist, sind in der Türkei lebende Angehörige von hier lebenden krankenversicherten Türken kostenlos mitversichert. Bisher wurde das Abkommen nicht verändert oder außer Kraft gesetzt.

Anders formuliert: „In diesem Abkommen ist festgelegt, dass jeder türkische Mitbürger, der hier in Deutschland Sozialbeiträge leistet, alle seine Verwandten, lebend in der Türkei, mit versichert hat. (Es geht um die Krankenversicherung). Wer zu seinen Verwandten gehört, bestimmt die türkische Regierung. Und die sagt, auch die Eltern gehören dazu.“ (Quelle hier)

Auch Bosnien, Herzegowina, Serbien und Montenegro sind dem Abkommen beigetreten (deutsch-jugoslawisches Abkommen vom 12.10.1968).
„Trotz leerer Kassen haben Ehefrauen, Kinder und auch ELTERN im Krankheitsfall Anspruch auf Leistungen aus der deutschen Krankenversicherung. Wohlgemerkt, – es handelt sich hier um türkische, serbische, bosnische usw. Staatsangehörige, die noch niemals deutschen Boden betreten haben und nicht den geringsten Bezug zu diesem Land haben! Die einzige Verbindung zu Deutschland ist ihre Kontoverbindung…“ schreibt Journalistenwatch.

Und weiter: „Die Bevorzugung ausländischer Familienangehöriger in der kostenlosen Mitversicherung deutscher Krankenkassen widerspricht dem Gleichstellungsgrundsatz und stellt uns Deutsche erheblich schlechter als in Deutschland lebende Türken. Schließlich ist deutschen Krankenversicherten die Einbeziehung von Eltern in die Familienversicherung verwehrt. Und gerade die älteren Menschen sind es doch, die besonders krankheitsanfällig sind.“

Im Sozialversicherungsabkommen ist verankert, dass der türkische Berechtigte sich nur legal in Deutschland aufhalten und krankenversichert sein muss, damit seine komplette Familie im fernen Ausland kostenlos mitversorgt ist.

Seit 2003 wird leise nachgefragt – es ändert sich nichts

In einer Fragestunde des Bundestages (Drs 15/337) im Jahr 2003 fragte der Abgeordnete Martin Hohmann (CDU/CSU) die Bundesregierung:
„Wie viele Familienangehörige in Deutschland Krankenversicherter haben nach Kenntnis der Bundesregierung in der Türkei als Leistungsempfänger nach dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen Leistungen von deutschen Krankenkassen erstattet bekommen, und wie hoch waren die jährlichen deutschen Erstattungsleistungen in den letzten vier Jahren?“

Antwort der Bundesregierung Nr. 1408/71: 1999 betraf das ca. 33 630 Familien

Originale Antwort: „Diese Regelung hat ihren Grund darin, dass die Beiträge eines Versicherten nicht nur der Abdeckung seines eigenen Krankenversicherungsschutzes dienen, sondern zusätzlich auch der Abdeckung des Schutzes seiner nicht erwerbstätigen Familienangehörigen.“

„Die der türkischen Krankenversicherung hierdurch entstandenen Kosten werden von der deutschen Krankenversicherung erstattet. Um den Verwaltungsaufwand gering zu halten, erfolgt die Erstattung der Kosten im Wege von kalenderjährlich zu vereinbarenden Monatspauschbeträgen je Familie. Diese Monatspauschbeträge basieren auf den Durchschnittskosten in der Türkei geschützter Personen nach türkischem Recht und berücksichtigen die durchschnittliche Zahl der in der Türkei wohnenden Familienangehörigen.“

„Der Bundesregierung liegen keine Zahlen darüber vor, wie viele Familienangehörige in der Türkei von bei deutschen Krankenkassen versicherten Arbeitnehmern Leistungen der türkischen Krankenversicherung erhalten haben, deren Kosten von den deutschen Krankenkassen zu erstatten sind.“

„Nach Mitteilung der auf deutscher Seite für den Bereich der Krankenversicherung zuständigen Verbindungsstelle, der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland in Bonn, wurden durch die deutsche Krankenversicherung im Durchschnitt für das Jahr 1998 für ca. 35 450 Familien und für 1999 für ca. 33 630 Familien pauschale Kostenerstattungen gegenüber der türkischen Krankenversicherung vorgenommen.“

Deutsch-türkisches Sozialversicherungsabkommen, Artikel 15a

Hier ein Auszug aus dem Abkommen:

„(2) … Soweit den Pauschalbeträgen Durchschnittsbeträge zugrunde liegen, die unter Einbeziehung der Ausgaben des Trägers des Aufenthaltsortes für anspruchsberechtigte Angehörige ermittelt sind, richtet sich der Kreis der zu berücksichtigenden Angehörigen abweichend von Artikel 15 Absatz 2 des Abkommens nach den für den Träger des Aufenthaltsortes geltenden Rechtsvorschriften.“

Kommentierung:

(55) Der Kreis der anspruchsberechtigten Angehörigen richtet sich nach türkischen Rechtsvorschriften.

(56) Zum Kreis der nach türkischen Rechtsvorschriften anspruchsberechtigten Familienangehörigen gehören: die Ehefrau, der nicht erwerbsfähige Ehemann über 55 Jahre, die ehelichen, für ehelich erklärten und adoptierten sowie die Kinder, für die die Vaterschaft anerkannt wurde, – im allgemeinen bis zum 18. Lebensjahr (Töchter ohne eigenen Leistungsanspruch oder Anspruch gegenüber einer anderen Person auch über das 18. Lebensjahr hinaus) – bei Schulausbildung bis zum 20. Lebensjahr – bei Hochschulausbildung bis zum 25. Lebensjahr – bei Gebrechlichkeit ohne Altersbeschränkung die Eltern des unterhaltspflichtig Versicherten (Voraussetzung ist eine Vorversicherungszeit von 120 Tagen).“

2011 griff der „Spiegel“ das Thema auf

„Die Regelung ist in einer Zeit entstanden, als Deutschland viele türkische Gastarbeiter anwarb – und als Lockmittel gute soziale Standards auch für die in der Heimat verbleibenden Angehörigen versprach.“

„Aber selbst heute ist die Regelung für den deutschen Staat dienlich, weil sie kostengünstig ist. So schreibt das Bundesarbeitsministerium in einem Informationsblatt: ‚Die Ausgaben der Krankenkassen wären deutlich höher, würden die Familienangehörigen nicht in ihren Heimatstaaten leben, sondern von ihrem Recht nach Deutschland nachzuziehen bzw. hier zu wohnen, Gebrauch machen‘, “ schreibt der „Spiegel“ hier.

Historische Einordnung des Abkommens

Nach der Schließung der innerdeutschen Grenze am 13. August 1961 zwischen der DDR und der BRD verstärkte sich das Arbeitskräfteproblem in der BRD. Die Schließung der Grenze durch die DDR hatte durchaus einen ökonomischer Grund: Zu viele gut ausgebildete Menschen arbeiteten im „Westen“ und lebten im „Osten“, wo es billiger zu leben war.

„Von 1949 bis zum Mauerbau 1961 waren 2,7 Millionen Menschen von Ost- nach Westdeutschland übergesiedelt“ schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung. Wobei die Bevölkerungszahl auf dem Gebiet der DDR 1949 18,8 Millionen betrug.

Diese Arbeitskräfte fehlten nach der Grenzschließung, sodass die Bundesrepublik sich anderswo umsehen musste:

„Mit dem Wirtschaftswunder der Bundesrepublik wurden immer mehr Arbeitnehmer gesucht, die auf dem inländischen Markt nicht mehr zu finden waren. Und so schloss die Bundesrepublik am 20. Dezember 1955 mit Italien das erste Anwerbeabkommen ab. Es folgten Abkommen mit Griechenland und Spanien (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und dem ehemaligen Jugoslawien (1968).“ (Quelle: planet wissen)

Und weiter: „Als mit dem Mauerbau der Zustrom von ostdeutschen Arbeitskräften endete, war die Anwerbung außerhalb Deutschlands noch dringlicher geworden. 1964 wurde der millionste Gastarbeiter – Armando Rodrigues aus Portugal – feierlich vom damaligen Bundesinnenminister begrüßt.“ (ks)

Mit freundlicher Genehmigung von EpochTimes.de


Ergänzung 16.08.2016, 09:00 Uhr

Passend dazu heute in der "Westfalenpost", Rubrik "Politik"
Studie warnt:
Zusatzbeitrag verdoppelt sich

Berlin. Gesetzlich Krankenversicherten droht ein drastischer Anstieg des Zusatzbeitrags. Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem Professor für Medizinmanagement an der Universität Duisburg - Essen hat laut ,,Spiegel online“ hochgerechnet‚ dass sich der Beitrag bis 2020 mehr als verdoppeln werde. Ein Durchschnittsverdiener mit 1.960 Euro beitragspilichtigem Einkommen zahle derzeit 21,76 Euro monatlich, bis 2020 seien es 54,74 Euro bei einem Durchschnittseinkommen von dann 2.261 Euro. Die Gesundheitsausgaben stiegen schneller als die Einkommen der Versicherten, sagte Wasem. Die Kassen erhalten Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für jeden Versicherten. Das Geld reicht allerdings wegen stark steigender Kosten nicht aus. rd

Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen

Der Kommentar erscheint manchmal erst nach Freigabe