Mehr als 17.000 doppelt Geimpfte wurden nach "vollständigem Immunschutz" positiv auf das Coronavirus getestet. Das teilte das Bundesgesundheits-ministerium auf RT DE-Anfrage mit. Das Robert Koch-Institut will die Zahlen zu solchen "Impfdurchbrüchen" und ihre Folgen künftig im Lagebericht vermerken.
von Susan BonathNoch nie gingen für ein Medikament so viele Meldungen von Verdachtsfällen auf Nebenwirkungen beim zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ein wie für die COVID-19-Impfstoffe. Fraglich ist neben der Sicherheit der bedingt zugelassenen mRNA- und Vektorvakzine weiterhin ihre Wirksamkeit. Auf mehrfache Nachfrage teilte nun das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) der Autorin mit: Bis einschließlich 11. Juni habe das Robert Koch-Institut (RKI) 17.409 positiv Getestete erfasst, die bereits zweimal geimpft waren und die 14 Tage bis zum "Aufbau des vollständigen Impfschutzes" überstanden hatten.
"Impfdurchbrüche" auch bei Jüngeren
Wie viele dieser positiv Getesteten an COVID-19 erkrankt oder gestorben sind, ließ BMG-Sprecher Sebastian Gülde offen. Das RKI wolle diese Zahlen demnächst einmal wöchentlich in seinen Lageberichten veröffentlichen, stellte es in Aussicht. Es differenzierte die positiv getesteten Durchgeimpften aber nach Lebensjahren. Demnach waren von den 17.409 Betroffenen 60 Personen jünger als 18 Jahre, 6.371 Personen waren zwischen 18 und 59 Jahren alt und 11.001 weitere Personen älter als 60 Jahre.
Dass mehr Ältere trotz Komplett-Immunschutz als COVID-19-Fälle in die Archive des Robert-Koch-Instituts (RKI) eingingen, dürfte daran liegen, dass die Gruppe zuerst geimpft wurde. Die vielfach von Experten in einigen Medien postulierte Überlegung, die Impfungen wirkten nur bei älteren Menschen mit schwachem Immunsystem schlechter, bestätigen diese Zahlen jedenfalls nicht. Mehr als ein Drittel war demnach jünger als 60 Jahre.
Diese trotz Komplettimpfung positiv Getesteten hatten also mindestens 14 Tage vor dem Stichtag, spätestens am 28. Mai, ihre zweite Dosis erhalten. An diesem Tag hatte das RKI insgesamt knapp 13,68 Millionen doppelt geimpfte Personen gemeldet. Später erhielten 0,13 Prozent von ihnen demnach einen positiven PCR-Befund.
Die ersten Zweitimpfungen verzeichnete das RKI in seinem Lagebericht vom 18. Januar 2021. Die ersten Positivfälle mit vollständigem Immunschutz konnten demnach erstmals 14 Tage später, am 1. Februar, aufgetreten sein. Von diesem Tag an bis zum 11. Juni kamen laut Institut bundesweit insgesamt 1,49 Millionen neue Positivfälle hinzu. Somit waren knapp 1,2 Prozent dieser Betroffenen komplett geimpft und hatten ihre zweiwöchige "Karenzzeit" abgesessen.
Im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung ergibt sich Folgendes: In dem Erfassungszeitraum steckten sich der Zählweise des RKI zufolge 1,8 Prozent aller Einwohner Deutschlands mit dem Virus an, sie wurden jedenfalls positiv getestet. Damit lag der Positiven-Anteil in der Gesamtbevölkerung mit 1,8 Prozent etwa 14-mal höher als jener in der Gruppe der vollständig Immunisierten mit 0,13 Prozent.
Fälle tauchen nicht im Sicherheitsbericht auf
Bereits vor mehr als einem Monat, am 13. Mai, hatte der Journalist Boris Reitschuster auf Nachhaken in der Bundespressekonferenz eine Antwort vom BMG zu "Impfdurchbrüchen" erhalten. Demnach verzeichneten die Behörden bis zu einem unbekannten Stichtag, vermutlich Ende April, insgesamt 57.146 positiv Getestete. Von ihnen waren 44.059 einmal und 13.087 zweimal geimpft. Insgesamt 2.707 dieser Betroffenen, 4,7 Prozent, verstarben demzufolge an oder mit COVID-19.
Bei knapp zwei Dritteln der einmal Geimpften und 38 Prozent der zweimal Geimpften war ein Erkrankungsbeginn mitgeteilt worden. Bei Ersteren betrug die Sterberate laut BMG 4,6 Prozent, bei Letzteren 5,1 Prozent. Allerdings konnte das BMG damals noch nicht sagen, bei wie vielen Erkrankten und Verstorbenen die letzte Dosis zwei Wochen oder länger zurücklag – wer also eigentlich nach heutiger Expertenmeinung einen "vollständigen Impfschutz" aufgebaut gehabt haben müsste.
Die Autorin hatte Mitte Mai zuerst beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nachgefragt, warum die 2.707 nach einer Impfung an oder mit Corona Verstorbenen nicht in dessen Sicherheitsberichten auftauchen. Eine Antwort darauf gab es bislang nicht. Bis zum 30. April hatte das PEI 524 Todesfälle nach Impfung erfasst, bis zum 31. Mai waren es bereits 873 Verstorbene, also 349 Fälle mehr.
Außerdem verzeichnete der Bericht insgesamt 79.106 gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen. Davon betrafen 8.134 Fälle "schwerwiegende Ereignisse", die im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung auftraten. Das PEI selbst geht davon aus, dass es eine zusätzliche Dunkelziffer gibt. Verschiedenen Untersuchungen zufolge werden gewöhnlich etwa ein bis höchstens zehn Prozent von Arzneimittel-Nebenwirkungen gemeldet.
RKI will "Impfdurchbrüche" und ihre Folgen bald regelmäßig publizieren
Das PEI wies die Verantwortung von sich. Die Sprecherin erklärte sinngemäß, man könne nur Fälle erfassen, die dem Institut übermittelt würden und verwies an das Bundesgesundheitsministerium (BMG). BMG-Sprecher Hanno Kautz betonte damals, sein Ministerium habe die Zahlen vom RKI, dort müsse man anfragen. RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher wiederum äußerte sich am 18. Mai nicht dazu. Sie beteuerte aber, ihre Behörde werde demnächst, "voraussichtlich noch in dieser Woche", einen Bericht zu "Impfdurchbrüchen" veröffentlichen.
Den versprochenen Bericht gibt es bis heute, gut einen Monat später, nicht. Auf Nachfrage sagte Glasmacher vergangene Woche, das RKI könne noch keinen Termin nennen. Die Autorin möge täglich in den (bis zu 25-seitigen) Lageberichten nachschauen. Dort werde man sich dann ebenfalls dazu äußern. Übermitteln werde sie den Bericht, so er denn erscheint, jedenfalls nicht. Immerhin versprach nun BMG-Sprecher Gülde:
"In Kürze werden die Daten zu den Impfdurchbrüchen routinemäßig einmal wöchentlich im Lagebericht des RKI veröffentlicht. Dabei werden auch weiterführende Analysen (wie Hospitalisierung, Verstorbene) zur Einordnung zur Verfügung gestellt."Warum aber die "Impfdurchbrüche" und die damit verbundenen Todesfälle bisher keinen Eingang gefunden haben in die PEI-Sicherheitsberichte, erschließt sich damit noch immer nicht. Wenn das Vakzin in einigen Tausend Fällen nicht gewirkt hat, wäre dies eigentlich relevant für die Abwägung von Nutzen und Risiko.
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