Thema: Europawahl 2014
T-Online:
Merkel bezeichnete Votum des EU-Parlaments angeblich als "Kriegserklärung"
Das Gezerre um Jean-Claude Juncker und den Posten des Präsidenten der EU-Kommission geht unvermindert weiter und wird immer absurder. Der Spitzenkandidat der EVP selbst prescht nun in eigener Sache voran. Die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel indes wird immer verworrener.
Vor allem Großbritanniens Premier David Cameron gilt als Gegner Junckers, obwohl dieser bei der Europawahl als gewählter Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) antrat und das beste Wahlergebnis erzielte. Cameron hatte sich nach dem EU-Gipfel als Sieger im Personalpoker feiern lassen.
Merkel hatte sich am Freitag erstmals öffentlich für Juncker stark gemacht, nachdem sie zuvor eine Festlegung vermieden hatte. Der "Spiegel" berichtet, dass Merkel dann allerdings auf dem EU-Gipfel nach der Wahl wie Cameron mit einem Votum gegen Juncker gedroht habe. Ein Abstimmung des Europaparlaments für Juncker habe sie schließlich gar als "Kriegserklärung" bezeichnet.
Merkel hat laut "Spiegel" zudem gewarnt, sie werde mit ihrem deutschen Stimmenpaket dafür sorgen, dass eine Sperrminorität gegen Juncker zustande komme und sie gemeinsam mit Cameron und Anderen gegen Juncker votieren werde.
Verhalten der Kanzlerin "selten dumm"
Merkel löste mit ihrem Zickzack-Kurs eine in der Europapolitik selten gekannte Medienwut in Deutschland aus, die in dem ARD-Kommentar gipfelte, das Verhalten der Kanzlerin sei "selten dumm".
Neben Großbritannien sollen dem "Spiegel"-Bericht zufolge vier der 28 Mitgliedstaaten - neben Großbritannien noch Ungarn, Schweden und die Niederlande - gegen Juncker sein.
Hollande gegen Juncker
Laut "Bild am Sonntag" hat aber auch Frankreichs Präsident François Hollande versucht, Juncker zu verhindern. Er habe Merkel mitteilen lassen, dass er nach dem Wahlerfolg der rechtsradikalen Front National dringend ein Signal für seine Regierung brauche und einen Franzosen an der Spitze der EU-Kommission sehen möchte.
Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi stellte zumindest eine rasche Ernennung Junckers zum Kommissionspräsidenten derweil infrage. "Juncker ist 'ein' Name für die Kommission, aber er ist nicht 'der' Name", sagte Renzi.
Der langjährige Eurogruppen-Chef sei nicht der einzige Kandidat und habe kein automatisches Recht auf den EU-Spitzenposten, so der sozialdemokratische Regierungschef Italiens weiter. Die sozialistische Fraktion im Europaparlament - zu der auch die Partei Renzis gehört - hatte sich zuvor klar für Juncker ausgesprochen.
Steinmeier stellt sich auf Juncker ein.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stellt sich unterdessen auf Juncker als künftigen EU-Kommissionspräsidenten ein. "Ich sehe mit Zuversicht, dass sich die Debatte in dieser Richtung entwickelt", sagte Steinmeier.
Der SPD-Politiker verwies auf die Vereinbarung zwischen Konservativen und Sozialdemokraten, wonach die Person Kommissionspräsident wird, die im Europaparlament die größere Fraktion hinter sich vereinen könne. "Das ist nach Lage der Dinge Herr Juncker."
Juncker wehrt sich
Juncker selbst will seine Ernennung nicht am Widerstand einer politischen Minderheit scheitern sehen: "Europa muss sich nicht erpressen lassen", sagte der Luxemburger der "Bild am Sonntag".
Er habe die Unterstützung "einer breiten Mehrheit christdemokratischer und sozialistischer Staats- und Regierungschefs" in Europa und sei deshalb "zuversichtlich, Mitte Juli zum nächsten Kommissionspräsidenten gewählt zu werden".
Nun komme es darauf an, "auch die übrigen Regierungschefs mit an Bord zu holen", sagte Juncker. Zudem bot er seinen Gegnern Gespräche über die inhaltlichen Schwerpunkte der nächsten Kommission an.
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