Donnerstag, 19. April 2018

Die Inspektoren in Syrien erreichen Rebellenbastion

Thema: Syrien

Inspektoren erreichen einstige Rebellenbastion

Zehn Tage nach dem mutmasslichen Giftgasangriff in der syrischen Stadt Duma ist dort ein Team von Chemiewaffen-Experten eingetroffen.

Das Wichtigste in Kürze
  • Die USA, Frankreich und Grossbritannien haben in der Nacht auf Samstag Militärschläge gegen Syrien ausgeführt.
  • Der Militäreinsatz ist ein Schlag gegen die Infrastruktur der chemischen Waffenproduktion des Landes. Das syrische Chemiewaffen-Arsenal wurde grösstenteils zerstört.
  • Drei Zivilisten seien bei den Angriffen verletzt worden.
  • Die syrische Führung bezeichnet die Angriffe als «barbarische und brutale Aggression».
  • Die Angriffe sind eine Reaktion auf die Giftgasanschläge in Syrien. Die westlichen Länder machen den syrischen Präsident Bashar al-Assad für den Giftgasangriff verantwortlich.
  • Laut Russland sollen mehr als hundert Rakaten auf Syrien abgefeuert worden sein.
Experten in Duma eingetroffen
Zehn Tage nach dem mutmasslichen Giftgasangriff in der syrischen Stadt Duma ist dort nach Angaben syrischer Staatsmedien ein internationales Expertenteam eingetroffen. Die Inspektoren der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) erreichten am Dienstag die einstige Rebellenbastion in Ost-Ghuta bei Damaskus.

Eigentlich war der Besuch für Mittwoch angekündigt. International wuchs die Sorge, dass bereits alle Spuren beseitigt seien. «Es ist sehr wahrscheinlich, dass Beweise und wesentliche Elemente verschwinden werden», warnte die französische Regierung am Dienstag.

Die Stadt Duma, in der sich am 7. April der mutmassliche Giftgasangriff ereignete, sei «vollkommen unter Kontrolle der russischen und syrischen Armee», und die OPCW-Experten hätten bisher den Ort nicht untersuchen können.

Schon am Montag hatte der US-Vertreter bei der OPCW Russland vorgeworfen, in Duma Beweise zu manipulieren. Die USA seien «besorgt», dass die Russen am Angriffsort Dinge getan hätten, um die Ermittlungen der OPCW zu behindern, sagte Ken Ward. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow versicherte daraufhin, dass Russland nichts manipuliert habe.

Falscher Alarm
Ein falscher Alarm hat offenbar die syrische Flugabwehr in der Nacht zum Dienstag in höchste Bereitschaft gesetzt und den Einsatz von zahlreichen Flugabwehrraketen und Flugabwehrgeschützen bewirkt. Das erfuhr die Nachrichtenagentur DPA aus syrischen Militärkreisen.

Zuvor hatten syrische Staatsmedien berichtet, dass israelische Kampfflugzeuge verschiedene Ziele in Vororten von Damaskus als auch bei Homs angegriffen hätten. Die syrische Luftabwehr habe dabei mindestens neun gegnerische Raketen abgefangen, hiess es unter anderem. Auch russische und israelische Medien hatten unter Berufung auf die syrischen Staatsmedien über die vermeintlichen Angriffe israelischer Kampfjets berichtet.

Keine Aktivitäten
Über die neuen Angriffe gab es keine offiziellen Angaben. Das israelische Militär äussert sich grundsätzlich nicht zu derartigen Vorwürfen. Ein Mitarbeiter des Pentagons in Washington erklärte, es gebe derzeit keine Aktivitäten des US-Militärs in dem Gebiet.

Syrien schiesst Raketen ab
Mehrere militärische Einrichtungen in Syrien sind in der Nacht zum Dienstag mit Raketen beschossen worden. Nach offiziell unbestätigten syrischen Medienberichten sollen israelische Kampfjets die Angriffe geflogen haben.

Sowohl israelische als auch russische Medien beriefen sich auf Berichte der syrischen Staatsagentur Sana und des syrischen Staatsfernsehen, nach denen unter anderem Ziele in Vororten von Damaskus als auch bei Homs angegriffen wurden. Mehrere Raketen seien von der Flugabwehr abgefangen worden, hiess es.

Die Raketen seien in den «Luftraum über Homs eingedrungen», meldete staatliche syrische Nachrichtenagentur weiter. Das syrische Staatsfernsehen wertete den Vorfall als «Aggression».

Unter anderem soll auch der Flughafen Schairat in der Provinz angegriffen worden sein. Vor einem Jahr hatte das US-Militär diesen syrischen Luftwaffenstützpunkt beschossen – als Reaktion auf den Giftgasangriff mit Dutzenden Toten auf die Stadt Chan Scheichun, für den Uno-Experten die Regierung von Präsident Bashar al-Assad verantwortlich machten.

Macron will Assad den Orden nehmen
Frankreich hat auf Antrag von Präsident Emmanuel Macron ein Verfahren zur Aberkennung des Verdienstordens der Ehrenlegion für den syrischen Staatschef Bashar al-Assad eingeleitet. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Montagabend aus Macrons Umfeld.

Der Schritt erfolgt wenige Tage nach den französischen Raketenangriffen in Syrien. Im Jahr 2001 hatte der damalige französische Präsident Jacques Chirac Assad kurz nach dessen Amtsantritt als Nachfolger seines Vaters Hafis al-Assad mit dem Grosskreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet.

Die Ehrenlegion ist die wichtigste Auszeichnung für besondere Verdienste in Frankreich. Sie kann auch an Ausländer vergeben werden. Vergangenes Jahr hatte Macron bereits Schritte eingeleitet, um dem US-Filmproduzenten Harvey Weinstein wegen der Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn den Verdienstorden der Ehrenlegion abzunehmen.

Chemiewaffen-Experten reisen nach Duma
Nach mehrtägigem Warten darf ein internationales Team von C-Waffen-Experten am Mittwoch an den Schauplatz des mutmasslichen Giftgasangriffs im syrischen Duma reisen. Russland erteilte am Montagabend die Erlaubnis dazu.

Die Experten der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) sollen sich am Mittwoch ins syrische Duma begeben können. Das kündigte der russische Botschafter Alexander Schulgin am Montagabend in Den Haag an.

Das OPCW-Team war am Samstag in Damaskus eingetroffen. Russland und Syrien hatten den Experten unter Verweis auf «Sicherheitsprobleme» während mehreren Tagen nicht erlaubt, nach Duma zu gehen, wie OPCW-Chef Ahmet Üzümcü zuvor am Montag bei einer Dringlichkeitssitzung in Den Haag gesagt hatte.

Die Experten der OPCW hätten eigentlich am Sonntag mit ihren Untersuchungen in Duma beginnen wollen, trafen sich stattdessen jedoch mit Behördenvertretern in ihrem Hotel in Damaskus. Über ihren Zeitplan wurde eine strikte Nachrichtensperre verhängt. Russland erklärte die Verzögerung für den Zugang der OPCW-Experten mit den Raketenangriffen der USA, Frankreichs und Grossbritanniens.

Dialog
Russland strebt trotz der westlichen Raketenangriffe auf Syrien einen Dialog mit den USA an. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow äusserte am Montag in Moskau die Hoffnung, «dass trotz all der Schäden, die Washington dem bilateralen Verhältnis zugefügt hat, irgendeine Art von Kommunikation beginnen kann». Voraussetzung für einen Dialog ist nach Peskows Worten, «dass unsere amerikanischen Kollegen ihre internen Probleme klären». Möglicherweise spielte er damit auf die Unklarheit über die weitere Strategie der USA im Syrien-Konflikt an.

Der Kreml-Sprecher sagte zudem, dass derzeit keine konkreten Gespräche über ein Treffen zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Donald Trump im Gange seien. Die beiden Präsidenten hatten die Möglichkeit eines solchen Treffens bei einem Telefonat am 20. März erörtert.

Peskow wies zudem den Vorwurf zurück, dass Russland und Syrien den internationalen Experten der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) den Zugang zum Schauplatz des mutmasslichen Giftgasangriffs im syrischen Duma verweigerten. «Wir betrachten solche Anschuldigungen als grundlos», sagte der Kreml-Sprecher. Den Vorwurf hatte die britische Botschaft in Den Haag erhoben.

US-Truppen sollen zurückkehren
US-Präsident Donald Trump hält an seinem geplanten Truppenabzug aus Syrien fest. Die US-Mission in Syrien habe sich «nicht geändert», Trump wolle, dass die US-Truppen «so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren», sagte die Sprecherin des Weissen Hauses, Sarah Sanders, am Sonntag.

Die USA seien entschlossen, die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) «komplett zu zerstören» und die Bedingungen zu schaffen, die eine Rückkehr der Miliz verhinderten, sagte Sanders. Darüber hinaus erwarteten die USA, «dass unsere regionalen Verbündeten und Partner sowohl militärisch als auch finanziell grössere Verantwortung zur Sicherung der Region übernehmen».

Trump hatte Ende März einen baldigen Rückzug der USA aus Syrien angekündigt. Am Sonntag sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron jedoch, er habe Trump von der Notwendigkeit eines «langfristigen» Verbleibs in Syrien überzeugt. «Wir haben ihn überzeugt, dass es notwendig ist, dort auf Dauer zu bleiben», sagte der französische Präsident vor der Erklärung des Weissen Hauses.

Macron will verhandeln
Nach den militärischen Angriffen mit westlichen Verbündeten in Syrien will der französische Staatspräsident Emmanuel Macron Russland und die Türkei an den Verhandlungstisch holen. Die Aufgabe Frankreichs sei es, «mit allen zu sprechen.» Das sagte Macron am Sonntagabend den Sendern BFMTV und RMC sowie der investigativen Internetzeitung «Mediapart».
Je veux commencer par rendre hommage à nos soldats, grâce à qui l’opération menée en Syrie a été réussie. #MediapartLive#MacronBFMTVpic.twitter.com/VGKQlX0iUE
— Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) 15. April 2018
Macron sagte, er habe ursprünglich geplant, in die Türkei zu reisen und sich dort mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani zu treffen. Der Chemiewaffeneinsatz in Syrien und das Vorgehen im Rebellengebiet Ost-Ghuta bei Damaskus habe diesen Plan aber durchkreuzt.

Macron wies auf den Dialog mit seinem US-Amtskollegen Donald Trump hin: «Wir haben ihn überzeugt, dass es nötig ist, (in Syrien) zu bleiben», sagte der 40-Jährige mit Blick auf Trumps Ankündigung, Truppen aus dem Bürgerkriegsland abziehen zu wollen. Frankreich habe Washington auch überzeugt, die Militärschläge auf Chemiewaffeneinrichtungen zu beschränken.

Mit freundlicher Genehmigung von 20min.ch

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