Sonntag, 28. Mai 2017

Ist das Deutsche Fernsehen bald eine Irrenanstalt?

Verkommt das Deutsche Fernsehen zu einer Irrenanstalt?

Als weißes Huhn verkleidet steht der ehemalige Langzeit- Arbeitslose ]örg Christiani (47) vor einem Supermarkt. Seine ungepflegten, schulterlangen braunen Haare ragen unter der zerfransten Hühnermaske hervor. Seit kurzer Zeit ist er die Werbeligur. eines mobilen Brathähnchen-Wagens. Neue Kunden zu werben will ihm nicht ganz gelingen. Zufrieden sieht anders aus. Die Sprecherin aus dem Off sagt jedoch das Gegenteil. Christiani habe „endlich wieder Freude“ bei der Arbeit. Solche Szenen sind nichts Seltenes. In der Realität Vielleicht, aber nicht im deutschen Fernsehen.

Fernsehen in den Anfangsiahren

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es die Alliierten, die die Hoheit über die Rundfunkpolitik erlangt hatten. Die Medien sollten nicht mehr zur „Gleichschaltung des Volkes“ missbraucht werden, so wie es im Zweiten Weltkrieg unter Adolf Hitler der Fall war. Um eine vielfältige Medienlandschaft zu gestalten, wurde das Rundfunksystem an die sektorale Aufteilung der Alliierten angepasst und langfristig in das föderale System eingegliedert. So ent» stand beispielsweise der N ordwestdeutsche Rundfunk in der britischen Zone und der Südwestfunk in der französischen Zone. 1950 gründete sich die ARD (Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland), um den Programmaustausch zwischen den Rundfunkanstalten zu koordinieren. Alle Anstalten produzierten verschiedene Sendungen für den Kanal, der heute „Das Erste“ ist. Zur ersten Fernsehausstrahlung kam es am 25. Dezember 1952 von da an täglich von 20 bis 22 Uhr. Wer in den 50er-Iahren keine Freunde hatte, aber plötzlich einen Femseher, der konnte damit schnell Freunde finden. Fernsehen war ein Spektakel. Zur Tagesschau machten Mann und Frau sich schick; schließlich konnten sie sich nicht sicher sein, ob der Nachrichtensprecher nicht auch die Menschen vor den Bildschirmen sehen konnte. Wie die Technik funktionierte war ein . Rätsel. Im Laufe der 50er-Iahre wurden Fernsehgeräte durch die Massenproduktion erschwinglich.

20 ]ahre später herrschte in Deutschland vollabdeckung: Fast jeder deutsche Haushalt besaß einen Fernseher.

Bildung der Bevölkerung

„Re-Education“ hatte oberste Priorität: Fernsehen sollte die Bevölkerung bilden. So wie die Medien im Dritten Reich für die Gleichschaltung benutzt wurden, so sollten sie nun das Gegenteil leisten. Deutschlands Weg zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung mit Unterstützung der Medien. Nachrichten, Vorträge, kirchliche Sendungen und Opern sowie Tieriilme und politische Gespräche dominierten das Programm der 50er-Iahre. Unterhaltung spielte eine Nebenrolle. Erst mit Sendebeginn des ZDF im Jahre 1963 wurde auch Fernsehunterhaltung populärer. Dass das Publikum Unterhaltungsformate immer stärker nachfragte, geüel den ' Fernsehmachern nicht. Der damalige ZDF-Intendant Karl Holzamer beklagte, dass das Publikum nicht den „rechten Gebrauch“ von diesem Medium mache.

Bis zur Selbstverständlichkeit

Mit der Einführung der privaten Sender (z.B. ,,RTL plus“) im Jahre 1984 begann eine neue Ära des Fernsehens. Den öffentlich-reditlichen und durch die Rundfunkgebühr finanzierten Sendern stand das private Fernsehen gegenüber, das auf gute Quoten angewiesen war, um genug Ertrag durch Werbeeinnahmen erwirtschaften zu können. Das private Fernsehen musste sich also etwas einfallen lassen. Quoten um jeden Preis das gilt bis heute. Die Zeit des Bildungsfemsehens war vorbei. Bis heute hält sich das duale System gut und es sind Ähnlichkeiten zu erkennen: Nachrichten, Ratgebersendungen, Unterhaltungsshows und Serien haben ihren Platz auf privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern gleichermaßen gefunden. Deutliche Unterschiede zeigen sich jedoch in der Zielgruppe. Aus der ARD/ZDF Langzeitstudie Massenkommunikation 2015 geht hervor, dass die Gruppe der 14 bis 29-jährigen die Funktion des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zwar als relevant ansieht. An den Einschaltquoten erkennt man jedoch, dass dieselbe Gruppe öfter die privaten Sender einschaltet. Fernsehen ist heute eine Tätigkeit von vielen. Einen Bildungsauftrag besitzen die öffentlich-rechtlichen Sender immer noch. Die Femsehanstalten müssen sich jedoch mehr als je zuvor um die Aufmerksamkeit der Zuschauer bemühen. Dabei sind der Kreativität und der Absurdität keine Grenzen gesetzt. Gerade die privaten Sender, allen voran RTL, legen sich dabei mächtig ins Zeug. Man kann nur erahnen wie die Reaktion von Karl Holzamer, der Unterhaltung im Fernsehen schon kritisierte, als das private Fernsehen noch gar nicht existierte, ausfallen Würde, wenn man ihm das Nachmittagsprogramm von RTL präsentierte. Aus diesem Nachmittagsprogramm, das wegen seiner Personendarstellungen schon häufiger kritisiert wurde, stammt auch der anfangs erwähnte Jörg Christiani, dem es im echten Leben auf diese Art und Weise vielleicht niemals gelingen würde, Kunden für den Brathähnchen-Wagen zu werben.

Netflix und Fernsehen „on demand“

Gemessen an der Zeit, die jeder Mensch mit dem Konsum von Fernsehinhalten verbringt, hat das Fernsehen nicht an Bedeutung verloren.

Trotzdem ist lineares Fernsehen out. Vorbei sind die Zeiten, in denen man zur Primetime vor dem Fernseher sitzen musste, um seine Lieblingssendung nicht zu verpassen. Der heutige Zuschauer möchte In’ halte, aber es soll nicht unausweichlich festgelegt sein, Wann und wo er ‘ sie rezipiert. In Mediatheken werden heute fast alle ausgestrahlten Sendungen auch online zur Verfü_ gung gestellt oder man schaut die Sendungen direkt auf dem Smartphone. Wem das deutsche Fernsehprogramm nicht zusagt, der wech‘ selt auf Serienportale. Dieser Trend ist besonders unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu beobachten. Unsere Umfrage bestätigt das:

Quelle: Westfalenpost 24.05.2017

Ein Beispiel für das Sinken des Niveaus ist auch diese Reaktion aus dem Jahre 2008.


Marcel Reich-Ranicki lehnt deutschen Fernsehpreis ab


Hochgeladen am 12.10.2008
Marcel Reich-Ranicki lehnt deutschen Fernsehpreis ab
Man kann von diesem Mann halten was man will, in diesem Ausschnitt allerdings beweist er wahre Größe.
Nicht nur weil er (wie ich finde) zurecht das Niveau dieser Preisverleihung und der deutschen Fernsehlandschaft kritisiert, sondern weil er sich von denjenigen abgrenzt, die sich (zumeist) auch noch ungemein viel darauf einbilden für diesen Schrott verantwortlich zu sein.
Fernsehmenschen strotzen nicht selten vor überhöhtem Selbwußtsein. (Sicherlich kann man diese Eigenschaft dem Herrn Ranicki auch nicht ganz abstreiten).
aufgenommen am 12.10.2008
Kategorie Unterhaltung
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Róbert Diecry
Ach du meine..., das ist ja vielleicht Gespenstisch, wie diese Narren gar nicht verstehen, dass dieser kluge Mann ihnen gerade den Spiegel vorhält... Nicht zu fassen, wirklich.


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