Dienstag, 11. April 2017

USA greifen mit Marschflugkörpern Luftwaffenstützpunkt al-Shayrat an

Thema: Syrien

Luftangriff auf Syrien
Was haben die US-Raketen getroffen – und was nicht?

Nach dem US-Luftangriff mit 59 Tomahawk-Marschflugkörpern scheint der Luftwaffenstützpunkt al-Shayrat grösstenteils intakt.

Die USA haben in der Nacht auf Freitag einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien attackiert. Grund des Angriffs sei Vergeltung für den Giftgasangriff im syrischen Khan Sheikhoun vom Dienstag, bei dem mehr als 80 Menschen getötet wurden.

Nach Angaben des Pentagons schoss das US-Militär 59 Raketen des Typs Tomahawk von Kriegsschiffen im Mittelmeer aus ab.

Nach syrischen Regierungsangaben kamen mindestens sechs Menschen ums Leben, darunter laut dem Gouverneur von Homs zwei Zivilisten. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, dass sich unter den Opfern ein General befindet. Der angegriffene Flugplatz in der Nähe des Ortes al-Shayrat in der Provinz Homs sei stark zerstört worden, hiess es zunächst. Spätere Bildanalysen haben hingegen eher geringe Schäden festgestellt.

Die US-Verbündeten begrüssen den Militärschlag mehrheitlich als notwendigen Warnschuss an den syrischen Diktator. Russland und Iran stellen sich hinter ihren Verbündeten Syrien, streiten einen Giftgasangriff des Regimes ab und verurteilen den Angriff scharf.

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat den US-Luftangriff in Syrien auch als deutliches Signal an China bezeichnet. Es sei kein Zufall gewesen, dass US-Präsident Donald Trump den Luftangriff am Abend des Besuchs von Chinas Präsident Xi Jinping in den USA angeordnet habe.

Trump habe seinen Gast damit an dessen Verantwortung bezüglich Nordkorea erinnert, sagte die Politikerin am Sonntagabend im deutschen Fernsehen. Denn China sei das einzige Land, «das politisch diesen Diktator in Nordkorea bändigen kann». In Nordkorea sitze nämlich ein noch gefährlicherer Diktator, der auch über Atomwaffen verfüge.

Deutlicher als zuvor stellte sich von der Leyen hinter den Militärschlag der Amerikaner gegen Syriens Präsidenten Bashar al-Assad. «Ich finde es nach wie vor richtig, dass ihm da auch sehr klar ein Warnschuss gegeben wurde», sagte sie. Die USA hätten bewusst eine isolierte Luftwaffenbasis in einem Gebiet ohne Anwohner ausgesucht und akribisch darauf geachtet, dass keine russischen Soldaten zu Schaden kämen.

Tomahawk-Marschflugkörper können pro Stück jeweils rund 500 Kilogramm Sprengstoff ins Ziel befördern. Bei 59 Lenkwaffen macht das knapp 30 Tonnen Sprengstoff. Bei so viel potentieller Sprengkraft ist der Schaden auf Bildern des Luftwaffenstützpunkts al-Shayrat aber relativ gering, wie der «Spiegel» in einer Analyse verschiedener Bilder schreibt.

Die Luft- und Satellitenbilder stammen von den Verteidigungsministerien Russlands und der USA sowie vom Satellitenbilderdienst DigitalGlobe. Auf allen Bildern erscheinen die Schäden relativ gering, so der «Spiegel». Auf Bildern der Unterstände der Kampfflugzeuge sind keine strukturellen Schäden zu erkennen, die meterdicken Betondecken sind weitgehend unbeschädigt.

Auch die Start- und Landebahnen erscheinen komplett intakt – es gab Berichte, dass bereits am Freitag wieder zwei Suchoi-Kampfjets vom Stützpunkt al-Shayrat abheben konnten. Lediglich auf den Rollbahnen ist zu sehen, dass der Asphalt zerstört wurde.

Auf Satellitenbildern präsentiert das US-Verteidigungsministerium, was die 59 Tomahawk-Marschflugkörper auf dem Luftwaffenstützpunkt al-Shayrat zerstört haben. Bild: Screenshot US-Verteidigungsministerium

Die USA wollen nach dem jüngsten Angriff auf eine syrische Militärbasis den dortigen Präsidenten Bashar al-Assad aus dem Amt jagen. Es müsse ein Regimewechsel in dem Bürgerkriegsland hin zu einem Syrien ohne Assad geben.

«Wir sehen kein friedliches Syrien mit Assad», sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, in einem CNN-Interview, das am Sonntag in voller Länge ausgestrahlt werden soll. Zu den weiteren Prioritäten der Trump-Regierung in der Region gehörten, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu bekämpfen und den iranischen Einfluss auf Syrien zurückzudrängen.

In einem Brief an die Führer beider Kongresskammern hat US-Präsident Donald Trump seine Entscheidung für den jüngsten Angriff auf einen Luftwaffenstützpunkt in Syrien erläutert. In dem Schreiben vom Samstag, das das Weisse Haus veröffentlichte, erklärte Trump, er habe im zentralen Interesse der nationalen Sicherheit und im aussenpolitischen Interesse der USA gehandelt. Dies sei im Rahmen seiner verfassungsmässigen Zuständigkeit für die auswärtigen Beziehungen und als Oberkommandeur erfolgt.

Trump schrieb, der Brief sei Teil seiner Bemühungen, den Kongress vollständig informiert zu halten, im Einklang mit der War Powers Resolution. Dieses Gesetz aus dem Jahr 1973 regelt die Befugnis des Präsidenten, bewaffnete Einsätze zu befehlen. Das Vorgehen Trumps ist unter Kongressmitgliedern umstritten. Manche fordern, dass ein Präsident vor einer kriegerischen Handlung die Genehmigung des Kongresses einholen muss. Dies hatte er nicht getan. (AP)

Der britische Aussenminister Boris Johnson hat einen Besuch in Moskau aus Protest gegen Russlands Syrien-Politik kurzfristig abgesagt. «Wir verurteilen, dass Russland das Assad-Regime auch nach dem Chemiewaffenangriff auf unschuldige Zivilisten weiter verteidigt», erklärte Johnson. Ursprünglich wollte er am Montag nach Moskau reisen. Doch durch die jüngsten Entwicklungen in Syrien habe sich die «Lage grundlegend geändert».

Er konzentriere sich nun auf Beratungen mit den USA und anderen Ländern zur Vorbereitung des G7-Aussenministertreffens am Montag und Dienstag in Italien, erklärte Johnson. Der britische Aussenminister rief die russische Regierung auf, «alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine politische Lösung in Syrien zu erreichen». Moskau müsse mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um weitere Giftgasangriffe zu verhindern. Sein US-Kollege Rex Tillerson werde wie geplant im Anschluss an das G7-Treffen nach Moskau reisen, um «den Russen diese klare und abgestimmte Botschaft zu übermitteln», fügte Johnson hinzu. (sda)

Nordkorea hat den US-Raketenangriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt mit scharfen Worten kritisiert und als Beleg für die Notwendigkeit seines eigenen Atomprogramms bezeichnet. Der US-Angriff sei ein «klarer und inakzeptabler Akt der Aggression gegen einen souveränen Staat» und Nordkorea verurteile ihn «auf das Schärfste», zitierte die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am Samstag einen Sprecher des Aussenministeriums in Pjöngjang. Die «Wirklichkeit» zeige, «dass wir Stärke mit Stärke gegenübertreten müssen» und «beweist millionenfach, dass unsere Entscheidung, unsere nukleare Abschreckung zu stärken, die richtige Wahl war».

Analysten hatten zuvor erklärt, der US-Luftangriff in Syrien habe eine klare Botschaft an Nordkorea enthalten, dass die US-Regierung nicht vor einer militärischen Option zurückschrecke. US-Präsident Donald Trump hatte vor dem Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in den USA gedroht, die USA seien notfalls zu einem Alleingang bereit, wenn China im Streit um das nordkoreanische Atomprogramm nicht den Druck auf Pjöngjang erhöhe.

Die Vereinigten Staaten haben am Freitagabend neue Aktionen nicht ausgeschlossen. «Wir sind darauf vorbereitet, mehr zu unternehmen, aber wir hoffen, dass das nicht nötig sein wird», sagte die amerikanische UNO-Botschafterin Nikki Haley. Syriens Präsident Baschar al-Assad dürfe nie wieder chemische Waffen einsetzen.

Während der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu weitere Schritte der USA forderte, um Syriens Machthaber Assad zu entmachten, kam aus Moskau erneut Kritik. Die Sprecherin des Aussenministeriums, Maria Sacharowa, sagte, es sei einer «der schwierigsten Momente der bilateralen Beziehung» zwischen den USA und Russland. «Wenn etwas vorhersehbar ist in den Vereinigten Staaten, dann ist es die Unberechenbarkeit ihrer Aussenpolitik», sagte sie der Agentur Interfax zufolge am Samstag im russischen Staatsfernsehen.

Beim Luftangriff sind nach Medienberichten und Angaben von Aktivisten mindestens 13 Zivilisten getötet worden. Die in Grossbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bezifferte die Zahl der Getöteten auf 15, darunter vier Kinder. Das staatliche syrische Fernsehen sprach von 13 Toten. Die Aktivistengruppe Sound and Picture, die Gräueltaten des IS aufspürt, erklärte, der Angriff habe ein Internetcafé getroffen.

Bei einem weiteren Luftangriff der US-geführten Koalition auf ein Boot wurden nach Angaben von Aktivisten mindestens sieben Zivilisten getötet. Die rund 40 Menschen in dem Boot seien auf der Flucht vor den Gefechten zwischen dem IS und von den USA unterstützten syrischen Kämpfern gewesen, erklärte die Aktivistengruppe «Rakka wird leise abgeschlachtet». Die Leichen einer Frau und ihrer sechs Kinder seien aus dem Euphrat geborgen worden. Die Gruppe Sound and Picture nannte dieselbe Opferzahl.

Mit freundlicher Genehmigung von 20min.ch

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