Donnerstag, 6. April 2017

Syrien - Interview mit einem ehem. Tornado-Piloten der Bundeswehr

Thema: Syrien

Exklusiv-Interview:
Ehemaliger Tornado-Pilot zu verheerendem Luftangriff in Syrien

Bei einem Luftangriff durch die Anti-IS-Koalition kamen voraussichtlich 33 Zivilisten in der Ortschaft al-Mansura, westlich der syrischen Stadt Rakka ums Leben. Die entsprechenden Aufklärungsbilder lieferten Tornado-Kampfflugzeuge der Bundeswehr. RT Deutsch sprach exklusiv mit einem ehemaligen Tornado-Piloten der Bundeswehr über den Ablauf von der Aufklärung bis zum Angriff.

Wie läuft der Einsatz eines Aufklärungs-Tornados normalerweise ab?

Den Einsatz der Tornados kann ich nicht im Detail schildern, weil ich nicht weiß, welche Teile der Schilderung eventuell geheim sind. Prinzipiell ist es aber so, dass Ziele vorher festgelegt werden, für die man aktuelle Bilder benötigt.

Wie muss man sich die Bilder, die ein Tornado liefert, vorstellen?

Um diese Bilder zu bekommen, gibt es beim Tornado zwei Systeme. Das erste System ist das ältere, aber von der Bildqualität das Bessere. Es macht Bilder auf Nassfilm, die nach dem Flug entwickelt und ausgewertet werden. Es hat sich über die Jahre herausgestellt, dass an die Auflösung dieser Bilder kaum ein digitales System herankommt. Es wird dafür genutzt, um einen Angriff planen zu können.

In der Regel wird anhand dieser Bilder bestimmt, welche Waffen genutzt werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen, oder aber auch um Kollateralschäden zu vermeiden. Das kann durch Angriffsvektor, Art oder Größe der Bombe usw. justiert werden. Man kann damit also einen ziemlich guten Plan vorab machen, um eben keine Moschee zu treffen, oder eine Schule oder ein Krankenhaus! Man wird auf den Bildern aber sehr wohl erkennen können, wenn Waffen in eine Schule getragen werden!

Das zweite System hat eine „Real-Time“ Übertragung (Bewegtbilder). Auch bei Nacht. Die Auflösung ist aber extrem schlecht und man kann definitiv keine bestimmte Person erkennen. Man wird einen Panzer erkennen können und vielleicht auch Langwaffen, aber dieses System ist keine Grundlage für ein gezieltes Bombardement, weil Ziele nicht zweifelsfrei identifiziert werden können!

Wie ist das Prozedere, wenn die Bilder der Tornados ausgewertet worden sind?

Definitiv werden Entscheidungen nicht allein aufgrund von Bildern getroffen. Dafür gibt es den Nachrichtendienst, der im Vorfeld andere Quellen heranzieht. Die Bilder helfen nur bei der Angriffsplanung, mehr nicht. Denn wenn man in der Luft ist und den Angriff startet, muss man - bevor der Feuerknopf gedrückt wird - das Ziel „identifizieren“! Oder jemand am Boden übernimmt die Identifizierung, das ist aber sehr viel komplizierter (Stichwort FAC, Forward Air Controller).

Wie kann es zu solchen fatalen Fehlentscheidungen wie jezt in Syrien kommen?

Meiner Ansicht nach wird versucht, der Bundeswehr die Schuld am Kollateralschaden anzuhängen. Fehler können anhand der Bilder kaum gemacht werden, da die letztliche Identifikation des Zieles kurz vor dem tatsächlichen Angriff „confirmed“ werden muss. Dass die Amerikaner hinsichtlich des Umgangs mit Kolateralschäden bei tatsächlichen Angriffen entspannter sind, muss nicht angezweifelt werden. Davon gibt es ja genug Videos, etwa durch die Enthüllungen gerade auch von Chelsea Manning.
Informationen zum Interview-Partner, der anonym bleiben möchte:
  • mehr als 5 Jahre Flugerfahrung als Tornado-Pilot
  • mehr als 5 Einsätze in Afghanistan
  • Ausstieg aus der Bundeswehr aus politischen Gründen

Quelle: RT-Deutsch

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