Mittwoch, 14. September 2016

Anne Will - 11.09.2015 - "Deutschland wird Deutschland bleiben"


Sendung am 11. September 2016 | 21:45 Uhr
"Deutschland wird Deutschland bleiben"
Aber auch mit dieser Kanzlerin?
Die Gäste im Studio

© Will Media Fotograf: Borrs/Yunck
  • Markus Söder (CSU) Bayerischer Finanzminister
  • Ralf Stegner (SPD) Stellvertretender Bundesvorsitzender
  • Martin Patzelt (CDU) Bundestagsabgeordneter
  • Jagoda Marinić Schriftstellerin und Leiterin Interkulturelles Zentrum Heidelberg
  • Wolfgang Merkel Politikwissenschaftler

Trotz Wahlniederlagen und CSU-Kritik verteidigt die Bundeskanzlerin ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik. Führt Angela Merkel die Union damit in den Abgrund und riskiert sie gar ihre Kanzlerschaft? Bleibt Deutschland noch Deutschland, wie die Kanzlerin sagt?

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TV-Kritik "Anne Will" - t-online

Zoff um Obergrenze, Burkaverbot -
und Markus Söder gegen alle

"Deutschland wird Deutschland bleiben" - Aber auch mit dieser Kanzlerin?“ – die Frage wollte Anne Will mit ihrer Runde klären. Ein dauerredender Markus Söder würgte die Debatte über Angela Merkels Flüchtlingspolitik jedoch immer wieder ab. Harten Gegenwind erhielt der bayerische Finanzminister von SPD-Vize-Chef Ralf Stegner.

Das Thema:

Im Streit innerhalb der Union um den richtigen Kurs in der Flüchtlingspolitik sind die Gräben tief. Fast täglich hat CSU-Chef Horst Seehofer in der vergangenen Woche seine Attacken gegen Angela Merkel verschärft. "Die Alte muss weg", soll es laut dem ZDF-Magazin "Berlin direkt" in der Schwesterpartei der CDU raunen. Auch in den eigenen Reihen gibt es Gegenwind. Dazu kommt: Ein Großteil der Bürger nehmen ihr den neuen Leitsatz nicht ab. Laut einer aktuellen Umfrage fordern 82 Prozent der Deutschen, dass Merkel ihre Flüchtlingspolitik korrigiert.

Die Gäste:
  • Markus Söder (CSU), bayerischer Finanzminister
  • Ralf Stegner, Stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender
  • Martin Patzelt, Bundestagsabgeordneter der CDU
  • Jagoda Marinić, Autorin und Leiterin des Interkulturellen Zentrums Heidelberg
  • Wolfgang Merkel, Politikwissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB)
Die Fronten:

Markus Söder gegen alle – so hätte das Konzept der Sendung lauten können.

Der CSU-Mann betete vehement die Positionen seiner Partei herunter – ob in Bezug auf eine Obergrenze für Zuwanderer, ein Burkaverbot oder die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. "Politik muss das Beste hoffen, aber auf das Schlechteste vorbereitet sein. Wir haben bereits jetzt in vielen Städten in Deutschland Zustände wie in den Pariser Banlieues", behauptete Söder.

Damit legte er sich schnell mit Ralf Stegner an, der der CSU vorwarf, mit Bedrohungsszenarien Ängste bei den Bürgern zu schüren, die dann "zur AfD liefen". Der SPD-Politiker argumentierte, eine Obergrenze für Flüchtlinge verstieße gegen das Grundrecht auf Prüfung aller Asylanträge. Die CSU wolle ihre "Leitkultur" durchsetzen.

Auch mit Jagoda Marinić stieß Söder zusammen. Dessen Jammern, Deutschland könne nicht unbegrenzt Menschen aufnehmen, hielt Marinić entgegen, es lebten inzwischen 20 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, die das Land mit aufgebaut hätten. "Wir haben wieder nur über die ein, zwei, drei Prozent der Flüchtlinge geredet, die Probleme machen", versuchte sie, Söder zu bremsen.

Patzelt verteidigte erwartungsgemäß die Linie der Kanzlerin: "Das Land ist nicht zusammengebrochen. Es kommen kaum noch Flüchtlinge. Wir sind vorangekommen", weist er die Kritiker seiner Parteichefin zurück. Für Panik gebe es zudem keinen Grund, den Deutschen ginge es heute so gut wie noch nie.

Angenehm unaufgeregt erteilte der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel der Kanzlerin eine Abfuhr: "Deutschland bleibt Deutschland – das ist banal. Natürlich werden wir nicht Frankreich oder Afghanistan." Merkel habe ihren Kurs bereits korrigiert, betonte der Politologe. Als "Spezialistin für Diffuses" habe die Kanzlerin den Bürgern ihre Richtungsänderung aber ebenso wenig erläutert wie die Sätze "Wir schaffen das" und "Deutschland wird Deutschland bleiben". Wenn jedoch 82 Prozent der Bürger erklärten, sie seien mit der Flüchtlingspolitik nicht zufrieden, könne man nicht nur sagen "Wir werden die schon noch überzeugen". Das sei arrogant.

Aufreger des Abends:

Wills Gäste fielen sich zwar öfter ins heftig Wort, Leidenschaft kam jedoch erst in die von Söder dominierte Diskussion, als dieser das von der CSU geforderte Einwanderungsbegrenzungsgesetz (siehe "Fakt des Abends") und den Familiennachzug kommentierte, der eine "Zuwanderung durch die Hintertür" bedeute. Die Moderatorin versuchte einzugreifen, Ralf Stegner stemmte sich gegen "Horrorzahlen", die in diesem Zusammenhang verbreitet würden.

Moderatoren-Moment:

Anne Will versäumte, den endlos CSU-Mantras wiederholenden Markus Söder zu stoppen. Martin Patzelt hingegen, der 2015 zwei Flüchtlinge aus Eritrea bei sich zu Hause aufnahm, fühlte sie auf den Zahn: Einer von Patzelts Gästen sei von Frankfurt/Oder nach Köln gegangen – und habe damit gegen Auflagen verstoßen. Das zeige, dass trotz Bemühungen nicht alles rund laufe. Der CDU-Politiker blieb gelassen. Er habe seinem damaligen Gast erklärt, dass sein Verhalten Sanktionen nach sich ziehe.

Moderatoren-Frage des Abends:

"Würden Sie dann Ruhe geben, wenn die Kanzlerin sagte: Ich mache diese Obergrenze und ich nenne das auch Obergrenze", wollte Anne Will von Söder wissen. Eine spannende Frage. Der in die Enge Getriebene weigerte sich aber, mit "Ja" oder "Nein" zu antworten. "Dann wären wir insgesamt auf einem sehr guten Kurs", wich er aus.

Tiefpunkt des Abends:

Bayerns Finanzminister produzierte eine Partei-Plattitüde nach der anderen – und machte schließlich Stimmung mit Zahlen, die aus einer rechtspopulistischen Publikation stammen könnten. Er behauptete: "Ein unbegleiteter, minderjähriger Flüchtling kostet pro Monat mehr als ein deutscher Rentner, der vierzig Jahr lang gearbeitet und Beiträge eingezahlt hat." Dass Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen nicht gerade geringe Kosten verursachen, steht zwar außer Frage. Söder ignorierte aber, dass der Großteil der Neuankömmlinge auf engem Raum in sehr einfachen Unterkünften lebt.

Fakt des Abends:

Wirklich Neues brachte die Runde nicht hervor. Ein interessanter Einspieler fasste allerdings markante Passagen des bei der CSU-Vorstandsklausur am vergangenen Samstag präsentierten Positionspapieres der Partei zur Zuwanderung zusammen. Darin sind Forderungen nach einer Obergrenze, der Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft, einem Einwanderungsbegrenzungsgesetz, das "Zuwanderern aus unserem christlich-abendländischem Kulturkreis" Vorrang einräumt sowie einem Verschleierungsverbotes mit den Worten: "Wer auf Burka oder Niqab nicht verzichten möchte, sollte sich ein anderes Land aussuchen" enthalten. Wegen seines "selektiven Charakters" bezeichnete Wolfgang Merkel das Werk als hart an der Grenze zum Rassismus.

Was offen bleibt:

Wird Deutschland nun Deutschland bleiben oder nicht? Wie ist Merkels neue Parole eigentlich zu verstehen? Auf dieses Kernthema des Talks gingen Wills Gäste so gut wie gar nicht ein – sicher auch, weil Söder sie selten zu Wort kommen ließ. Ist der Riss zwischen CDU und CSU noch zu kitten oder droht die Union zu scheitern? Provoziert Angela Merkel durch ihr Beharren auf der bisherigen Richtung in der Flüchtlingsfrage das Ende ihrer Kanzlerschaft? Diese Fragen bleiben Zündstoff für die nächsten Diskussionsrunden.
Und wie sooft in letzter Zeit bei t-online:
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Quelle: t-online.de

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