Montag, 21. März 2016

Trump wäre in normalen Zeiten undenkbar

Thema: US-Wahlkampf

Ausverkauf der Demokratie
«Trump wäre in normalen Zeiten undenkbar»
von Ann Guenter -
Der American Dream ist ausgeträumt. Soziale Ungleichheit und von Geld getriebene Politik beherrschen die USA – und nicht nur sie. Amerika-Experte Josef Braml im Gespräch.

Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). 20 Minuten hat mit ihm über sein soeben erschienenes Buch «Auf Kosten der Freiheit. Der Ausverkauf der amerikanischen Demokratie und die Folgen für Europa» gesprochen.

Herr Braml, was ist die Grundthese Ihres neuen Buches?
Steigende soziale Ungleichheit. Sinkend tiefe Wahlbeteiligung etwa bei den Kongresswahlen. Auf der anderen Seite wird der Einfluss des Geldes immer grösser. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen lagen die offiziell nachweisbaren Summen bei zwei Milliarden, jetzt kann man von sechs Milliarden Dollar ausgehen.

Was für Folgen wird das für Europa haben?
Wir sehen die Folgen längst. Manche Branchen – etwa der Militärsektor, der Öl- und Gassektor, der Sektor der Informationstechnologie sowie die Finanzindustrie – schreiben sich ihre eigenen Regeln. In diesen Bereichen gibt es keinen Wettbewerb mehr. Diese Märkte sind vermachtet. Die Laissez-faire-Politik hat dazu geführt, dass diese Branchen mittlerweile auch die politischen Spielregeln schreiben: Keine Regulierungen, keine Steuern; im Gegenteil, sogar Subventionen – von derlei Regeln, die sie nach ihrem Gusto schreiben, profitiert sowohl in den USA als auch in Europa eine kleine Elite, die Mehrheit hat davon nichts. In den USA sieht man es deutlich: eine Umverteilung von unten nach oben. Das ist eigentlich Sozialismus auf verdammt hohem Niveau.
In Europa sehen wir auch die Entwicklung, dass die liberale Demokratie den Deal nicht mehr erfüllt: Das Gewährleisten von Sicherheit in den Augen der Bürger sowie Wirtschaftswachstum und Wohlstandsmehrung für möglichst viele. Doch wegen der Flüchtlingsströme und der Terrorgefahr fühlen sich die Bürger bedroht und auch die materielle Zukunft erscheint unsicher. So kündigen viele dem System die Unterstützung auf und wählen Protestparteien. AfD oder Front National etwa, da können wir jedes Land in Europa nehmen. In den USA zeigt sich das anders, da es dort von der Systemlogik her keine Parteien nach unserem Verständnis gibt. Dort zeigt es sich mit Phänomenen wie Trump. Das wäre in normalen Zeiten undenkbar.

Wie kann die Gesellschaft dem Ausverkauf der Demokratie entgegenwirken?
In den USA bräuchte es wieder eine progressive Bewegung wie um die Zeit von 1890 bis 1920, als die Politik den Räuberbaronen das Handwerk legte. Damals hatten auch die Industrie-Titanen die Politik in der Hand, aber eine breite Bewegung stand dagegen.

Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders steht für so eine progressive Bewegung. Trauen Sie ihm das zu?
Er denkt, dass er das anstossen kann. Aber ich befürchte, dass es noch viel schlimmer werden muss, um etwas anzustossen, dass es wieder besser wird. Ich sehe ein Licht am Ende des Tunnels – aber ich befürchte, dass es das Licht von Trumps Zug ist.

Mit freundlicher Genehmigung von http://www.20min.ch

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