Sonntag, 14. September 2014

EU und Russland einigen sich auf Fahrplan zu Ukraine-Freihandel

Thema: Freihandel

In die Verhandlungen um das Freihandelsabkommen der Ukraine mit der EU ist offenbar Bewegung gekommen: Russland und die EU bestätigten, dass man sich auf einen Fahrplan für die Verhandlungen geeinigt habe. Die EU hatte Russland nicht in die Pläne einbezogen und damit die aktuelle Krise um die Ukraine ausgelöst.

Die Hoffnung dieser Studenten in Mariupol auf Frieden (bei einem Flashmob am Freitag) dürfte durch die Einigung zwischen der EU und Russland über das weitere Vorgehen im umstrittenen Freihandelsabkommen etwas gestärkt werden. (Foto: dpa)
Mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Ukraine hatte die aktuelle Ukraine-Krise ihren Ausgang genommen: Die EU hatte versucht, die Ukraine ohne Konsultationen mit Moskau zu einer raschen Unterschrift zu bringen – mit dem klaren Ziel, den Beitritt der Ukraine zur von Putin geplanten Eurasischen Zollunion zu verhindern.

Am Mittwoch hatte Putin erstmals signalisiert, dass er einer Verhandlungslösung trotz der Brüskierung von Brüssel interessiert sein. Ria Novosti berichtete:
    Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Regierung beauftragt, bei den anstehenden Beratungen zur Assoziierung der Ukraine mit der Europäischen Union Flexibilität an den Tag zu legen und nach Kompromissen zu suchen. Nach Putins Angaben wird Russland durch die geplante EU-Assoziierung Kiews mehr als zwei Milliarden Euro verlieren. „Wir werden darauf hoffen, dass auf Ministerebene Kompromisse erzielt werden, die für alle verwickelten Parteien – sowohl für die EU als auch für die Ukraine als auch für Russland – annehmbar sind“, sagte Putin am Mittwoch in Moskau in einer Regierungsberatung. Er beauftragte die zuständigen Regierungsvertreter damit, „nach Kompromissen zu suchen und gewisse Flexibilität an den Tag zu legen – jedoch innerhalb bestimmter Grenzen, über die wir nicht gehen können, um unseren Produzenten und unserer Wirtschaft nicht zu schaden“.
Die EU hat es Putin jedoch leicht gemacht, nun Großherzigkeit zu zeigen: Durch das Vorpreschen in Kiew sind die europäischen Steuerzahler auf einmal in die unangenehme Position gerutscht, sich mit der desaströsen Wirtschaft der durch Korruption angeschlagenen Ukraine zu beschäftigen. Eine bisher unbekannte Klausel bei den von Russland erworbenen Staatsanleihen macht es Putin möglich, der EU mit der sofortigen Staatspleite zu drohen. Putin kann in gewisser Weise agieren wie die US-Hedgefonds in Argentinien – mit dem für die EU unangenehmen Nebeneffekt, dass die EU für die Verhinderung des Staats-Bankrotts zuständig ist.

Nun soll das Abkommen später in Kraft treten als geplant. «Wir haben vereinbart, die provisorische Anwendung bis zum 31. Dezember nächsten Jahres zu verzögern», sagte EU-Handelskommissar Karel De Gucht am Freitag in Brüssel nach Gesprächen mit dem russischen Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew und dem ukrainischen Außenminister Pawel Klimkin. Der EU-Ministerrat müsse diesem Vorschlag aber noch zustimmen.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte zuvor in Kiew angekündigt, das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und der Ukraine solle am 1. November in Kraft treten. Der Freihandelspakt ist ein wichtiger Bestandteil des Partnerschaftsabkommens.

De Gucht sagte weiter, die EU wolle wegen der Verschiebung ihre einseitig eingeräumten Handelsvorteile für die krisengeschüttelte Ukraine bis Ende nächsten Jahres verlängern. Die Union hatte alle Einfuhrzölle für ukrainische Waren gestrichen. Diese Vorteile sollten eigentlich zum 1. November diesen Jahres auslaufen. Auch dieser Schritt müsse noch von den EU-Institutionen abgesegnet werden, so De Gucht.

Uljukajew sagte Laut Ria Novosti, dass die drei Verhandlungspartner in dieser Zeit nach Möglichkeiten suchen werden, Risiken für die russische Wirtschaft infolge der Assoziierung von Kiew und Brüssel aus dem Weg zu räumen. „Auch nach seiner Ratifizierung bleibt das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU bis 31. Dezember 2015 nicht wirksam“, sagte der Minister.

Klimkin zeigte sich zufrieden: «Ich bin überzeugt, dass wir ein Gleichgewicht gefunden haben, das eine effektive Liberalisierung des Handels mit der EU ermöglicht.»

«Ich denke, dass es keine unlösbaren Probleme gibt», sagte De Gucht. «Wir haben nun 15 Monate Zeit.»

Der Belgier sagte, der Prozess der Billigung (Ratifizierung) des Abkommens solle ungeachtet der Verschiebung weitergehen. «Sowohl die Ukraine als auch das Europaparlament werden nächste Woche ratifizieren.» Die Billigung des sogenannten Assoziierungsabkommens in Kiew und in Straßburg ist für den Dienstag geplant. Auch Ria Novosti bestätigte, dass die Ratifizierung am 16. September stattfinden werde. Offenbar hat es von russischer Seite keine Ende dagegen gegeben.

Die kommenden 15 Monate geben laut De Gucht Raum, um mit der Ukraine und Russland zu sprechen. Das Freihandelsabkommen sieht eine weitgehende Öffnung der Märkte der EU und der Ukraine und eine Anpassung der Standards vor. Moskau befürchtet eine Gefährdung seines eigenen Handels. Die EU hat bereits in mehreren Runden mit technischen Experten versucht, diese Sorge zu entkräften.

Mit freundlicher Genehmigung von DEUTSCHE WIRTSCHAFTS NACHRICHTEN


Kommentare

@joki sagt:
Waren 100te Toten und tausende Flüchtlinge dieses Abkommen wert?
Eine Schande für eine zivilisierte Gesellschaft ...

Erich Schlapphut sagt:
Na ja, Kriegstreibern sind viele Tote und Leidende so ziemlich egal, nur ihr Ziel ist ihnen wichtig und eigenes Leid mögen sie überhaupt nicht. Um eigenes Leid und Machtverlust zu verhindern müssen andere ihren Kopf dafür hinhalten. Das war schon immer so und wird auch so bleiben.

Beobachter sagt:
Sehr zu begrüßen, die EU sollte sich generell auf Stabilität konzentrieren und erst Denken, dann passend Handeln. Geht doch, warum nicht gleich so.

ronja w. sagt:
Es sieht ja so aus, als ob sich die Wogen langsam glätten. Spielt die drohende Staatspleite eine Rolle? Was nun garnicht passt, sind die neuen, vor allem von Merkel, eingeforderten Sanktionen. Vielleicht ist es ja auch nur wieder die Ruhe vor dem Sturm und man sucht schon wieder nach Gründen um Russland zu diskreditieren. Was nicht stimmt ist, dass die EU auf Russland zugeht. Es ist Russland, das trotz der westlichen Aggressionen, immer noch freundlich und verhandlungsbereit bleibt.

Wolfgang Schneider sagt:
Da hätten sie sich den Krieg doch sparen können, wenn die EU vorzeitig Russland mit einbezogen hätte. All die vielen Toten, schrecklich. Totales Versagen der Politik.
Plötzlich und unerwartet gibt es Verhandlungen mit Russland.
Und damals, im Februar, waren Vertreter der EU auf dem Maidan. Frei nach dem Motto: Das Zeitfenster nutzen - was Russland davon hält interessiert uns nicht. Entweder Freihandelsabkommen mit uns (der EU) oder mit Russland. Beides sei nicht miteiander vereinbar.
Und siehe da: es geht doch!

Delinix sagt:
„Eine bisher unbekannte Klausel bei den von Russland erworbenen Staatsanleihen macht es Putin möglich, der EU mit der sofortigen Staatspleite zu drohen.“
So etwas nennt man Boomerang.
Von jetzt ab wird VERSCHOBEN, erstmal bis zum 31.12.2015, danach irgendwie immer weiter ...
Die wirtschaftliche Pleite der Ukraine, das mehr oder weniger ungelöste Tschernobyl-Problem ... ist wohl ein bisschen viel auf einmal.
Wenn es nicht so traurig wäre, wie dämlich unsere Politiker agieren, könnte man sich glatt totlachen.
Zieht die Konsequenzen. Morgen sind Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg!
Für mich gilt: AfD wählen. Was sonst.


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