Samstag, 24. Mai 2014

Russisches Gas: Taktieren der EU wird zum Bumerang für Europa

Thema: Energie

Die EU hat gegen Russland auf amerikanischen Druck hin taktiert. Nun haben die Russen einen Gas-Deal mit China abgeschlossen. Das werden die Europäer noch bitter bereuen. Denn die EU hat mutwillig einen wichtigen Gas-Lieferanten brüskiert - und muss nun anderswo teurer einkaufen: Die Amerikaner wollen ihr Schiefergas nach Europa importieren. War der ganze Kriegslärm eine Export-Fördermaßnahme aus Washington?

Der Spiegel meint, der russische Gas-Deal mit China hätte wenig Bedeutung für uns. Uns blieben noch Jahre, um uns Ersatzlieferungen zu verschaffen, falls Russland sich mehr auf China hin orientieren sollte. Außerdem hätte Putin den Deal teuer erkauft und hohe, wenn auch unbekannte Preiskonzessionen machen müssen (mehr hier). Der Spiegel vermutet einen Preis von 350 Dollar für 1.000 cbm. Doch das wäre nicht viel weniger als der von Deutschland entrichtete Preis von 365 US$. Die Spiegel-Schlussfolgerung, es seien teure Jubelbilder, die Wladimir Putin da gerade aus China produziere, ist wohl eher anti-russische Propaganda, die in deutschen Medien wieder hoch im Kurs ist.

Man muss sich vergegenwärtigen: Die USA sind schon seit mehr als 40 Jahren gegen die deutschen Gaseinkäufe in der UdSSR und später in Russland gewesen. Schließlich haben sie selbst mit ihren Ölunternehmen starke Energieinteressen und produzieren neuerdings viel Gas aus den Schiefervorkommen, was ihnen erlaubt, immer mehr Kohle nach Europa zu exportieren (Abb. 18354). Man kann sogar vermuten, dass ein nicht geringer Teil der anti-russischen Propaganda mit den amerikanischen Energie-Interessen zusammenhängt.


Entwicklung von US-Kohle-Exporten und russischen Gasexporten nach Europa (Grafik: Jahnke)
Der Spiegel übersieht in seiner polemischen Story allerdings drei zentrale Punkte.

Erstens sichert uns der Leitungsverbund mit Russland weit günstigere Gaspreise, als sie jetzt anderswo zu bekommen sind, vor allem wenn Flüssiggas importiert werden müsste und dafür neue Anlagen zu bauen wären. Schon in den kommenden Jahren werden in Erwartung der chinesischen Nachfrage die Preise für russisches Gas zu unserem Nachteil steigen. Zweitens ist Erdgas aus Russland der bei weitem umweltfreundlichste unter den fossilen Energieträgern, da das Gas noch in Russland entschwefelt wird (anders als importiertes Öl) und dann in Deutschland mit sehr wenig Umweltbelastung verbrennt. Sollte stattdessen noch mehr Kohle eingesetzt werden müssen, werden unsere Nachkommen durch die Klimaaufheizung und die Schwefelbelastung unserer Luft einen hohen Preis zahlen müssen.

Welt-Erdgasreserven 2012 (ohne Schiefergas). (Grafik: Jahnke)
Drittens wird der russisch-chinesische Gas-Deal politische Konsequenzen haben, die nicht zu unserem Vorteil sein werden. Hier gehen die zwei weltgrößten relativ autokratisch regierten Länder zusammen, die häufig im Sicherheitsrat die gleichen Positionen vertreten. Wenn Russland mit der Zeit unabhängiger von Gaslieferungen nach Europa wird, werden wir das mit Sicherheit zu spüren bekommen. Es wird also am Ende viel weniger um unsere Abhängigkeit von Russland als die russische von uns gehen. Immerhin hat Russland die weitaus größten Reserven in der Nachbarschaft der europäischen Verbraucher und mit einem total ausgebauten Transportsystem (Abb. 18355).


Welt-Nachfrage nach Erdgas. (Grafik: Jahnke)
Schlimmer noch, die EU hat mit ihrem Taktieren auf amerikanischen Druck und den wiederholten Ankündigungen, nach anderen Gasquellen suchen zu wollen, eine Entwicklung eingeleitet, die weit über die Ära Putin hinausgehen wird und die sie daher voraussichtlich noch schwer bedauern wird. Freiwillig einen wichtigen Lieferanten für einen wertvollen Rohstoff, bei dem die weltweite Nachfrage langfristig stark steigt (Abb. 18356), an China abzutreten, verlangt schon eine kräftige Portion an Masochismus.

Joachim Jahnke, geboren 1939, promovierte in Rechts- und Staatswissenschaften mit Anschluss-Studium an französischer Verwaltungshochschule (ENA), Mitarbeit im Kabinett Vizepräsident EU-Kommission, Bundeswirtschaftsministerium zuletzt als Ministerialdirigent und Stellvertretender Leiter der Außenwirtschaftsabteilung. Europäiscbuchhe Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, zuletzt bis Ende 2002 als Mitglied des Vorstands und Stellvertretender Präsident. Seit 2005 Herausgeber des „Infoportals“ mit kritischen Analysen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung (globalisierungskritisch). Autor von 10 Büchern zu diesem Thema, davon zuletzt „Euro – Die unmöglich Währung“, „Ich sage nur China ..“ und „Es war einmal eine Soziale Marktwirtschaft“. Seine gesellschaftskritischen Analysen beruhen auf fundierter und langjähriger Insider-Erfahrung.

Sein Buch über das Ende der sozialen Marktwirtschaft (275 Seiten mit 176 grafischen Darstellungen) kann unter der ISBN 9783735715401 überall im Buch- und Versandhandel für 15,50 Euro bestellt werden, bei Amazon hier.
Mit freundlicher Genehmigung von DEUTSCHE WIRTSCHAFTS NACHRICHTEN


Kommentare

» der Kommentar des Blogschreibers «
Wäre es nicht langsam an der Zeit für Politiker einen gewissen Ausbildungs-Mindeststandard zu fordern, ähnlich wie er auch bei anderen Berufen gilt?
Eine große Klappe, Wichtigtun, schauspielerische Fähigkeiten, ein mieser Charakter und Obrigkeitshörigkeit reichen z.Z. aus um ganze Völker in den Abgrund zu stürzen.
Einer Regierung anzugehören, bei der Jeder jeden Ministerposten kann, wenn nur sein Schauspieltalent groß genug ist, ist das heutzutage der Sinn von Politik?
Die Interessen einer winzigen Clique von Möchtegern-Weltherrschern und einigen Konzernbossen ohne Rückfrage zu bedienen, dadurch das eigene Leben mit Taschen voll Geld in Luxus beenden zu können, dafür nehmen sie jahrelange Arschkriecherei in der Partei auf sich?
Gerade wir Deutschen müssten doch wissen wie Grössenwahnsinn enden kann.


PecuniaOlet sagt:
Hinzu kommt dann noch, dass für amerikanische Konzerne durch TTIP ein Türchen offen steht, in Deutschland Fracking durchzuführen und – sollten Bürgerentscheide dem im Wege stehen – durch hohe Schadensersatzforderungen zu profitieren.
Merkel hat die amerikanischen Verkaufsseminare: “Wie verkaufe ich erfolgreich mein Volk” mit summa cum laude abgeschlossen.

noch einer sagt:
“War der ganze Kriegslärm eine Export-Fördermaßnahme aus Washington? ”
Win-Win-Win für die USA
Die USA spalten ihre Kolonie EU politisch-wirtschaftlich erfolgreich von Russland ab, die europäische Industrie wandert ob der nun weiter steigenden Energiepreise (in die USA) ab, die USA kommen mit ihrem kreditfinanzierten Fracking-Schrott nach Europa.
Die EU Politiker als Handlanger der US Interessen müssen für die Zerstörung Europas zur Verantwortung gezogen werden.

Kölsche Jupp sagt:
Es ist schon erstaunlich, von welch einfältigen Zeitgenossen ganze Staaten offenbar regiert werden. Ob deren Grips nicht ausreichte, sich diese Entwicklung der Beziehungen zu Russland auszumalen? Zu glauben dass Putin wie das Karnickel vor der Schlange sitzend darauf wartet, wie ein paar durchgeknallte größenwahnsinnige Politgreise ihm und dem russischen Volk die Butter vom Brot nehmen?
Eigentlich unvorstellbar. Was kann den dann der Grund für eine solch schizophrene Haltung der EU sein ?
Erpressung des großen Bruders etwa ?

bluesbower sagt:
Die Eingangsfrage beantwortet sich von selbst. Ein weiterer Grund für die antirussische Kampagne ist das TTIP. Die USA wollen die EU um jeden Preis hineindrängen.

Julia la prémiere sagt:
Bravo! Wieder ein guter Artikel der DWN.
Europa hat es “versaut”, wegen der Obrigkeitshoerigkeit zu den USA. Was aber immer vergessen wird, die USA ist so raffiniert, was dem gutglaeubigen Europaer nicht einfaellt. Durch Gas aus Schiefereinkommen versaeucht man Erde. Was kommt danach? Wasser! Sauberes Wasser wird man dann teuer zahlen muessen. Hat die USA auch schon daran gedacht. Die USA ist den Europaern immer einen Schritt voraus.
Wir sollen den Russen als Feind sehen. Obwohl der Russe uns immer die Hand entgegenstreckte. Der Russe hat den Ami als das erkannt was er ist. Nur wir in Europa sind nur daemlich. Dieses alte Europa war schon immer daemlich.Der Russe braucht uns nicht, der braucht die Amis nicht.Mit Russland haette die EU etwas wunderbares aufbauen koennen.

WELTBRANDSTIFTER aus den Nachrichten der Schweiz sagt:
Schweizmagazin
Viele Jahrzehnte war es auf unserem Kontinent weitgehend ruhig und es gab kaum kriegerische Handlungen. Von Ex-Jugoslawien, das völkerrechtswidrig und ohne UN Mandat niedergebombt wurde, einmal abgesehen. Unser europäischer Friede dürfte seit der Ukraine endgültig vorbei sein. Die amerikanischen Weltbrandstifter haben jetzt ihr Feuer der Zerstörung in Europa entfacht.


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