Mittwoch, 29. Januar 2014

Anne Will: Unschuldig hinter Gittern - Sind Justizirrtümer wirklich Ausnahmen?


Thema diesmal:
Unschuldig hinter Gittern - Sind Justizirrtümer wirklich Ausnahmen?
© Will Media Fotograf: Borrs
    Die Gäste
  • Ralf Neuhaus Strafverteidiger
  • Wolfgang BosbachVorsitzender des Innenausschusses des Bundestages
  • Heinrich Gehrke Richter aD.
  • Herta Däubler-Gmelin Ehemalige Bundesjustizministerin
  • Harry Wörz Justizopfer



29.01.14 | 21:45 Uhr
Der Fall Harry Wörz ist einer der aufsehenerregendsten Justizirrtümer in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik. Viereinhalb Jahre saß Wörz zu Unrecht im Gefängnis, 13 Jahre lang kämpfte er um die Anerkennung seiner Unschuld. Im Anschluss an den ARD-Film "Unter Anklage: Der Fall Harry Wörz" diskutiert Anne Will mit ihren Gästen über Justizirrtümer. Sind Fehlleistungen in der deutschen Justiz wirklich nur Ausnahmen? Wie sensibilisiert sind Richter und Ermittlungsbehörden für die schwerwiegenden persönlichen Folgen eines solchen Irrtums? Wie können Justizopfer angemessen entschädigt werden?

Anne Will Seite: http://daserste.ndr.de/annewill/
Anne Will Blog: http://annewill.blog.ndr.de/2014/01/28/justizirrtuemer/

Kommentare aus dem Blog:

Gerd 49:
28. Januar 2014 um 22:21 Uhr
“Joachim Gauck – der Freiheitsprediger” lautete die Schlagzeile der WAZ am 18.03.2012 zum Einzug des Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue. “Ich habe miterlebt, dass Deutsche imstande sind, für Freiheit und Demokratie eine Revolution zu wagen” wird er in dem Artikel zitiert.
Wir alle kennen ihn als Missionar der Freiheit in dessen Reden der Begriff “Freiheit” die zentrale Rolle spielt.

Es würde mich einmal brennend interessieren, wieviel Freiheit denn wert ist.
In Deutschland 25 Euro pro Tag, abzüglich Verpflegung. Ob das Geld einkommensteuer- und sozialversicherungspflichtig ist, weiss ich nicht, könnte aber sein.

Meint Herr Gauck eventuell nicht die Freiheit des Normalbürgers sondern die Freiheit der Besserverdiener und des “scheuen Rehs”? Die ist natürlich mehr wert.

Wie steht der höchste Repräsentant dieses Staates dazu, dass Mitmenschen, die keine Straftat begangen haben, im Namen des Volkes, also in unserem Namen, oftmals leichtfertig oder auch bewusst?, auf Jahre weggesperrt werden und ihnen damit die von ihm so hochgelobte Freiheit genommen wird. (die für 25 Euro pro Tag)

Wikipedia schreibt:
“Stellt sich nachträglich heraus, dass ein Justizirrtum vorliegt, so erhalten die Betroffen proportional zur Haftdauer eine Entschädigung für die Haftzeit entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG). Von dieser Summe wird eine Pauschale für die tägliche Verpflegung abgezogen. Die Entschädigung beträgt zur Zeit für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, 25 EUR pro Hafttag. In Österreich bekommt man im Falle des erwiesenen Justizirrtums hingegen hundert Euro pro Tag an Haftentschädigung.”

Leider sind die Verantwortlichen, denen die “Justizopfer” ihr vertanes Leben zu verdanken haben, in den seltensten Fällen bereit darüber zu sprechen, im Gegenteil, sie laufen zur Höchstform auf um alles zu vertuschen und abzustreiten, finden hilfsbereite Kollegen und fallen zwar auf der Karriereleiter, aber nach oben.

1 Roberta Leicht: 28. Januar 2014 um 13:06 Uhr
Ich war damals in der Gegend zuhause und kriegte das Theater mit. Unvorstellbare Schlamperei der Pforzheimer Polizei!! Kollegenschutz. Mannheim hat sich genauso quergestellt.
Man kann diesenFall durchaus gleichstellen mit Mollath. Ein skandalöses Versagen der Behörden. Hätte der Schwiegervater keinen Zivilprozess um Schadenersatz angezettelt und wäre dieser nicht negativ ausgegangen, weil die Schuld angeblich nicht bewiesen war, der gute Harry hätte alles UNSCHULDIG absitzen müssen.
Und: WER ist der wahre Täter? Warum hat man diesen überhaupt nimmer gesucht?
Peinlich, schlimm.

4 caterina ehlers:
28. Januar 2014 um 13:52 Uhr
Ein sehr emotionales Thema. Ich glaube überall wo der Mensch entscheiden muss ist er der Möglichkeit zu irren ausgeliefert.
Ich habe die Reportagen von Herrn Wörz gesehen. Er hat ja durch den Irrtum nicht nur seine Freiheit verloren, sondern man überlege seine kleine Familie.
Ich frage mich wieviel Vertrauen bleibt einem Menschen noch möglich der so folgeschwere Irrtümer hintereinander aushalten muss?
Das Vertrauen ist das A und O eines Menschen in eine Gesellschaft dessen Teil er als Individuum ist. Deshalb ist besonders die Gerichtsbarkeit ein ganz wichter Schlüssel.
Ich glaube die Tragweite ist da besonders groß, wenn dort Irrtümer passieren.
Allerdings bin ich der Meinung dass tausende von Richtern sehr weise und gerecht ihr Urteil bilden und im Zweifel für den Angeklagten ist der wichtigste gesetzliche Leitfaden um Irrtümer zu vermeiden.
Obwohl das auch wieder ein Irrtum sein kann.
MFG

7 Claudius Arzt:
28. Januar 2014 um 15:03 Uhr
Hier wird nur über die Spitze des Eisbergs diskutiert. Kachelmann, Mollath, Wörz – gegen Staatsanwaltschaften und Richter haben nur die eine Chance, deren Fall in aller Öffentlichkeit verhandelt wird oder die prominent sind. Ich durfte es am eigenen Leib erleben: Die Staatsanwaltschaft hat mir von Beginn an kein Wort geglaubt und meine Einlassungen einfach ignoriert. Der Gegenseite dagegen hat sie uneingeschränkt jedes Wort abgenommen. Der Richter wiederum hat sich den Vorverurteilungen der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Zuletzt hatte ich Angst, dass ich quasi als notorischer, uneinsichtiger Querulant, ähnlich wie Herr Mollath, in die Psychiatrie gesteckt werde. Mein Anwalt, dem ich kein ausreichend hohes Honorar zahlen konnte, war auf der Seite des Richters, den er gut kannte. Ich habe mich auf den “Deal” schließlich eingelassen und mehrere tausend Euro für eine Tat gezahlt, die ich nicht begangen habe.

8 Marie Luise Müller:
28. Januar 2014 um 16:10 Uhr
Ich möchte einen Satz von C. Ehlers aufgreifen: „Allerdings bin ich der Meinung dass tausende von Richtern sehr weise und gerecht ihr Urteil bilden und im Zweifel für den Angeklagten ist der wichtigste gesetzliche Leitfaden um Irrtümer zu vermeiden.“

Es ist das einzelne Urteil, dass sich im Nachhinein als Fehlurteil herausstellt, was immer für Aufregung sorgt. Der Betroffene verliert dadurch alles; seine Wohnung, seine Familie, seine Freunde. Nachdem er freigelassen wird, steht er mit einem sogenannten Schadensersatz vor dem Nichts. Dazu kommen sicherlich noch gesundheitliche (psychische und physische) Probleme. Der überwiegende Teil der Richter ist sich dieser Verantwortung bewusst und fällt in der Regel ein ausgewogenes Urteil.

Wenn aber nun ein Staat in persona der Richter (sie sind ja unabhängig in ihrer Urteilsfindung) sich als unfehlbar hinstellt und alles dafür macht, das diese Position unanfechtbar bleibt, sollte dieser sich hinterfragen, inwieweit er überhaupt daran interessiert ist, eklatante Fehler, die einzelne auszubaden haben, auszuräumen. Er handelt nach der abartigen Devise, Schwund ist eben überall.

Bei Wörz war es doch bereits von Anfang der Gerichtsverhandlung offensichtlich, dass die ihn angeblich belastenden Indizien von den Polizistenkollegen des Ex-Schwiegervaters in Zusammenarbeit getürkt waren. Da kann sich der Richter nicht hinstellen, er hätte nicht anders entscheiden können, da die Beweise der ermittelnden Polizisten erdrückend waren.

Kein Mensch, so auch kein Richter, ist unfehlbar. Warum muss deshalb ein Urteilsspruch von Menschen stehen bleiben? Warum traut sich der Staat zu, arrogant auf seine Unfehlbarkeit zu beharren? Oder ist er ganz einfach nur zu faul?

Wer in derartige Verquittungen von „Interessen“ gerät, muss einen langen Atem haben. Wörz hatte ihn. Und dazu noch das Glück, dass die, die ihn hinter Gitter brachten, in ihrem gierigen Übermut jetzt noch Geld von ihm haben wollten.

Ich wurde ein einziges Mal vor Gericht gezerrt und kann der deutschen Justiz nur ein gutes Zeugnis bescheinigen. Sie machte sich die Mühe, alle vorgelegten getürkten „Beweise“ zu hinterfragen und somit alle Aussagen des Klägers im Verbund mit einem Internet-Etwas (das ist das, was mit kühlem Verstand und heißem Herzen auftritt, deshalb das Neutrum gewählt) als das zu entlarven, was sie waren: Lügen. Dabei habe ich aber die Erfahrung gemacht, wenn jemand dir Böses will, sich dazu noch Verbündete ohne jeglichen Anstand und jede Moral sucht und findet, hat ein Beschuldigter es sehr schwer, seine Unschuld zu beweisen. Es ist ein Sche…gefühl zu wissen, unschuldig zu sein, aber es beweisen zu müssen, es auch zu sein. Übrigens, bis heute hat der Kläger mit seiner Gefolgschaft nicht die Zeit gefunden, sich bei mir zu entschuldigen.

Wörz ist ja Gast bei AW. So kann jeder einen Eindruck erhalten, welche Spuren dieser kriminelle Anschlag bei ihm hinterlassen hat. Ich hoffe sehr, mit dem zeitlichen Abstand geht es ihm heute gut. Bestimmt erfahren wir auch etwas darüber, wie heute der Stand ist. Deshalb @ gerlach, der Fall ist signifikant und aktuell. Wenn Sie nichts darüber lesen und hören wollen, fahren Sie Ihren PC runter und schalten den Fernseher ab. Spart Strom und Nerven.

11 Alisa:
28. Januar 2014 um 17:16 Uhr
Auch Monika Böttcher war so ein Fall und viele andere mehr.
Sicher gibt es immer wieder menschliches “Versagen”.
Trotzdem muss untersucht werden inwiefern,
Arbeitsüberlastung
fehlende Qualifizierung z. B. psychologische Kenntnisse und Fähigkeiten
fehlende Supervision
fehlende Kontrolle
oder gewisse Berufsblindheit
u. a. m. systematisch mit hineinspielen.
Richter dürfen genauso wenig wie Ärzte Götter in weiß oder schwarz sein.
Auch spielt Geld sowohl bei “Betroffenen” wie bei den Professionellen eine gewichtige Rolle, im Positiven wie im Negativen.
Aber auch Zeitdruck und allgemeine gesellschaftlicher “Stress” hat viel Einfluss.
Grundsätzlich hat das allgemeine gesellschaftlcihe Klima auf alles eine Wirkung.

12 Andreas Hofer:
28. Januar 2014 um 17:20 Uhr
Die Freiheit ist angeblich das höchste Gut in der BRD…..dann werden Menschen weggesperrt und bekommen nachdem ihre Unschuld irgendwann einmal doch festgestellt wird…..25 Euro pro Tag ENTSCHÄDIGUNG. Das höchste Gut 25 Euro wert…also ist unsere Freiheit einen Schei….wert.
Da man diesen Menschen auch die Freiheit genommen hat, ist das nach dem Strafgesetzbuch eigentlich Freiheitsberaubung…nur nicht für den Staat, da ist das böllig legal. Wie kann das aber sein in einer Demokratie….?
Man sollte dem Unschuldigen pro Tag 1000 Euro Entschädigung geben als einigermaßen wieder Gutmachung, denn der Staat hat das Leben dieser Person eigentlich vermasselt….

Interessanter Artikel hier:
http://robert-diegrossenreligionen.blogspot.de/2014/01/anne-will-unschuldig-hinter-gittern.html

Nach der Sendung empfehle ich diesen Artikel in der FAZ:
TV-Kritik Anne Will Im Schutz der Akten

30.01.2014 Vier Juristen und Harry Wörz, der Mann, der unschuldig im Gefängnis saß:
Bei Anne Will bleiben viele Fragen offen. Eine nicht: Recht ist nicht unbedingt Gerechtigkeit.


2 Kommentare :

  1. http://robert-diegrossenreligionen.blogspot.de/2014/01/anne-will-unschuldig-hinter-gittern.html








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  2. dem Volk die Gesetze - dem Richter die Macht
    Recht oder Unrecht zu sprechen ...
    passt das zum Thema?

    Schließlich ist er unabhängig, seine Besoldung abgesichert auf Lebenszeit und kann wider seinem Willen nur Kaft richterlicher Entscheidung entfernt werden
    ( ein Richter der einen Richter rausschmeißt .. ? - hm ... und wenn - seine Besoldung erhält er trotzdem weiter )
    studierte er ja auch Rechtswissenschaft nicht das Leben - braucht ihn das Leben und die
    Bedürfnisse der Anderen nicht zu interessieren
    „ per Ordre de Mufti ” manche Entscheidung wohl - oder einfach nur stur ?

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