Mittwoch, 23. Oktober 2013

Die Lobby mischt immer mit - aber was ist eigentlich Lobbyismus?

Thema: Lobbyismus in Deutschland und Europa

20.000 Interessenvertreter von Konzernen und Verbänden nehmen in Brüssel Einfluss auf die Politik
von Knut Pries (Westfalenpost, 19.10.2013)

Brüssel, zuständig für viel Geld und einen Markt mit 500 Millionen Bürgern, ist der global geschäftigste Tummelplatz professioneller Interessenvertreter.

Derzeit geht es besonders hoch her - vor Ende der Legislaturperiode im Mai sollen noch Gesetze durchgepaukt werden, die für Firmen und Verbände von Interesse sind: Datenschutz, Energie, Tabak, Auto-Abgase, Medizin-Produkte.
Die Abgeordneten im Europaparlament stöhnen über den Andrang der Lobbyisten - und manchem Verstoß gegen die Spielregeln.


Solche Geschäfte laufen bar und hinterlassen selten Spuren
Bild: (c) APA (HELMUT FOHRINGER)
Gute Lobby, böse Lobby - davon hat in Brüssel jeder seine eigene Vorstellung. Zum Beispiel Doris Pack,die für die CDU dem Kulturausschuss vorsitzt: "Tabak - das sind die Bösen. Pharma die Halbbösen, Human Rights Watch und die anderen Nicht-Regierungsorganisationen, die sind ja immer gut. Das regt mich auf!" Der moralische Dünkel vieler Gutmenschengruppen gehe mit einer gehörigen Portion Aggressivität einher.
Die Tabakindustrie hingegen, die sei gar nicht so schlimm, meint Pack. Die haben mich in Ruhe gelassen. Wirklich schlimm ist das mit den rumänischen Hunden!" In Bukarest war ein vierjähriges Kind von einem Straßenhund totgebissen worden, das Verfassungsgericht hat die Einschläferung streunender Tiere erlaubt. Seither ist bei Pack der Teufel los. "Wir bekommen jeden Tag Tausende E-Mails von überall her, in verschiedenen Sprachen - das ist eindeutig organisiert!" Lösungsvorschläge hätten die empörten Tierschützer nicht zu bieten.

Unfair bedrängt gefühlt

Packs parlamentarischer Kollege Jan Philipp Albrecht findet es "absurd", den Schwarzen Peter der Zivilgesellschaft zuzuschieben. Die verfüge nicht annähemd über die gleichen Mittel wie die Großindustrie. So stehe etwa der geballten Macht der Konzerne und ihrer Verbände in Brüssel nur das kleine Büro der europäischen Verbraucherorganisation BEUC gegenüber. Und im Gegensatz zu Pack fühlt sich Albrecht sehr wohl durch die Tabak-Branche unfair bedrängt:

Unmittelbar vor der Abstimmung, ob die E-Zigarette apothekenpflichtig werden solle, habe jeder Abgeordnete ein hübsches Päckchen mit einem Gratis-Exemplar zugestellt bekommen.
Nur im Prinzip herrscht Einigkeit: Der Austausch mit Interessenvertretern ist ein unentbehrliches Mittel der politischen Entscheidungsfindung; zumal in Brüssel, wo die Belange von 28 Mitgliedsstaaten unter einen Hut gebracht werden müssen.
Der Apparat, der Spielregeln für das Zusammenleben eines ganzen Kontinents erarbeitet und überwacht, ist entgegen landläufigen Vorurteilen verhältnismäßig klein. Die EU-Dienststellen in Brüssel beschäftigen rund 40.000 Mitarbeiter, so viel wie eine mittlere deutsche Großstadt. Schon lange bevor sie den ersten Gesetzentwurf auf den Tisch legt, holt sich die EU-Kommission systematisch Sachverstand von außen.

Lobbygefahr! hier als Beispiel gezeigt an ehemaligen Regierungsmitgliedern

Die Externen mischen also mit, auch unaufgefordert. Das "Transparenz-Register" des EU-Parlaments verzeichnet 3982 gemeldete Lobbyisten, oder auf Amtsdeutsch "für den Zugang zu den Gebäuden des Europäischen Parlaments akkreditierte Personen, die registrierte Organisationen vertreten".

Auf der Internet-Seite des Parlaments kann sich jedermann informieren, um welche Organisationen es sich da handelt. Die Liste reicht von einer geheimnisvollen Gruppierung namens "A2e.CDoc" bis zu den "Zwiebelfreunden". Aber längst nicht alle Lobbyisten sind akkreditiert. Die tatsächliche Zahl liegt nach Schätzungen bei 15.000 bis 20.000.

100.000 Euro für Einflussnahme

Die jüngsten Abstimmungen sprechen für den Einfluss der Wirtschaftslobby: Die E-Zigarette bleibt frei verkäuflich, die Piloten scheiterten mit dem Vorstoß für kürzere Nachtflugzeiten. Gibt es im Parlament Korruption? Der österreichische Abgeordnete Ernst Strasser wurde dabei gefilmt, wie er für 100.000 Euro im Jahr die Einflussnahme auf Gesetze zusagte.
(http://www.krone.at/Oesterreich/Vier_Jahre_unbedingte_Haft_fuer_Ernst_Strasser-Urteil_gefallen-Story-347505)
Ein "krasser Einzelfall" für den Grünen Albrecht. Aber für Gefälligkeiten seien viele anfällig, etwa wenn ein Konzern zum Besuch der Hauptverwaltung in den USA einlädt. Albrecht: "So was kommt häufiger vor."
(http://de.wikipedia.org/wiki/Adrian_Severin)
(http://de.wikipedia.org/wiki/Zoran_Thaler)
(http://de.wikipedia.org/wiki/Lobbyismus)


Kommentare


Lobbyismus ist einer der Gründe, warum das Antikorruptionsgesetz im Gesundheitswesen vom deutschen Parlament nicht verabschiedet wird.

Die Lobbyisten mit den Geldkoffern der Konzerne finden in Berlin, genauso wie in Brüssel, zielsicher die Damen und Herren mit den weit offenen Händen und verhelfen ihnen zu einem steuerfreien Nebeneinkommen, das ein vielfaches ihrer monatlichen Vergütung ausmachen kann.

Einige Links zum Antikorruptionsgesetz:
http://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/nachricht-detail/aerzte-bestechung-bahr-anti-korruption-gesetz-kommt-nicht-durch-bundesrat-wegen-spd/
http://de.wikipedia.org/wiki/Korruption


  • §§ 331 ff. StGB, wenn 'Amtsträger' betroffen sind
  • §§ 298 ff. StGB im geschäftlichen Verkehr
  • § 108b StGB bei Wählerbestechung
  • § 108e StGB bei Abgeordnetenbestechung

  • nach diesen Gesetzen ist Korruption in Deutschland verboten - aber wie überall - wer aus der Politik hält sich schon an Gesetze? Gesetze sind was für's Volk, sagen sie, aber doch nicht für uns.

    Vor einigen Jahren waren Bestechungsgelder noch ganz offiziell als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar.


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